Impressum: Verantwortlich Ulrich Jung, ehemaliger Chefredakteur der Offenbach-Post. 63110 Rodgau
Kommentare
Wieder Bahnstreik
Selbstgefällig und dreist
Claus Weselsky – der Name steht für unverschämte Selbstgefälligkeit und Arroganz. So etwas ist man bislang vor allem vom ehemaligen und wahrscheinlich Bald-wieder-Präsidenten Donald Trump gewöhnt.
Der Chef der Lokführergewerkschaft geht inzwischen mit seiner Dreistigkeit nicht nur selbst den wohlmeinenden Fahrgästen auf die Nerven, er schädigt außerdem rücksichtslos die Deutsche Bahn, ja, die deutsche Wirtschaft insgesamt; und behindert brutal die Mobilitätswende. Denn wer steigt denn noch vom Auto auf die Bahn um, wenn er sich weder auf Pünktlichkeit noch darauf verlassen kann, ob demnächst überhaupt Züge fahren, falls unangekündigte Streiks mal wieder alles lahmlegen.
So Typen wie Weselsky passen nicht mehr in eine Zeit, die von Krisen durchgeschüttelt wird und mehr denn je Augenmaß und Weitblick und Kompromissfähigkeit erfordert. Auf das Management in ausgesprochen primitiver Weise los zu toben und sich dermaßen unbeherrscht aufzuspielen, das zeugt nicht eben von Führungsstärke, wie sie auch von Spitzengewerkschaftern erwartet werden darf.
Nur gut, dass es mit der Ära Weselsky bald zu Ende ist. Als hervorragend dotierter Pensionär wird er vielleicht ruhiger oder altersweise besonnener werden und allenfalls seiner Familie auf die Nerven gehen. Sowohl Bahn wie auch ihre Kunden können dann durchatmen.
Hoffentlich! ULRICH JUNG 5. 3. 2024
Regierung und die Schuldenbremse
Ende mit Schrecken
Strom- und Gaspreisbremsen laufen zum Jahresende heiß – will sagen: werden beendet, so verkündet es soeben FDP-Chef Lindner. Und Steuererhöhungen schließt die einstige Anti-Steuererhöhungs-Partei inzwischen laut FDP-Haushaltexperte Fricke auch nicht mehr aus. Die Schuldenbremse (im Grundgesetz verankert) wurde für 2023 bereits tags zuvor von Lindner ausgesetzt und zugleich ein Nachtragshaushalt – sprich: weitere Verschuldung – von 40 Milliarden avisiert. Zur rechtlichen Absicherung werde man eine „außergewöhnliche Notlage“ erklären.
Irgendwie ganz schön dreist: eine vor allem durch verfassungswidriges Herumlavieren der Regierung selbst herbeigeführte „außergewöhnliche Notlage“ soll nun auf Kosten der Steuerzahler geheilt werden. Und ausgerechnet die FDP, die sich einstmals als Garant seriösen wirtschaftlichen Handelns feierte, lässt es zu, dass u.a. ihre „Heilige Kuh“ Schuldenbremse geschlachtet wird. Der Tagesordnungspunkt „Steuererhöhung“ dürfte demnächst folgen.
FDP-Vize Kubicki sieht's realistisch: Die erneute Aussetzung der Schuldenbremse … schaffe „erhebliche Vertrauensprobleme“; wovon die FDP, aber auch die gesamte Regierung mit ihrer Bruch- und Murks-Truppe betroffen ist, an der Spitze neben Finanzminister Lindner, Bundeskanzler Scholz und Wirtschaftsminister Habeck.
Was für eine traurige Regierung! Was für Möchtegern-Staatslenker, die die Bundesrepublik an den Abgrund geführt haben!
Inzwischen bleibt einem ja kaum etwas anderes übrig, als lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende herbeizusehnen.
ULRICH JUNG, 24.11.2023
Wahlkampf in Hessen
Realitätsfern
Gut 82 000 Fachkräfte fehlen derzeit in Hessen; betroffen alle möglichen Berufsgruppen wie Lehrer, Ärzte, Handwerker oder Pfleger. Das sagte jetzt Bundesinnenministerin Nancy Faeser, hessische SPD-Spitzenkandidatin für die Landtagswahl im Oktober. Dieser Mangel gefährde „unseren Wirtschaftsstandort Hessen“, hieß es zu recht weiter. Und wohl nicht nur den; das Problem beschäftigt längst auch die Bundespolitik.
Und weil Wahlkampf ist, kommt Faeser - so macht man das, wenn es auf Stimmenfang geht - mit einem Zehn-Punkte-Aktionsprogramm um die Ecke. Aktion ist schließlich immer gut (falls es nicht nur bei verbalen Ausrufezeichen bleibt). Bemerken darf man, dass die Innenministerin bislang eher aufgefallen ist mit großen Worten und wenig Taten.
Eine Forderung aus dem Aktionsprogramm mag für den inhaltlichen Wert erwähnt werden: Ein zusätzlicher Feiertag, Vorschlag: 1. Dezember (Verfassungstag), soll her; denn Hessen habe weniger Feiertage als Bayern und Baden-Wüttemberg. Auch das sei ein Wettbewerbsnachteil. Sprich: Ein Tag im Jahr mehr zu Hause bleiben, und schon löst sich der Fachkräftemangel...
Naiver geht es kaum. Wer wirklich glaubt, so Probleme ernsthaft angehen und Wähler anlocken zu können, agiert schlicht und ergreifend an der Realität vorbei.
ULRICH JUNG, 5.9.2023
Halbzeit der Legislaturperiode
Desaströs
Die Hälfte der Legislaturperiode ist 'rum, das Halbzeitergebnis ist laut aktueller Umfragen desaströs: Nur noch 27 Prozent der Bürger vertrauen auf die Aufgabenerfüllung des Staates; das ist Rekord. 69 Prozent gar halten ihn für überfordert. Selbst Wähler der Ampelkoalition sind mehrheitlich dieser Meinung.
Es ist wohl nicht übertrieben zu behaupten, genau dieser Ansehensverlust ist letztendlich Ursprung für die zunehmende Abkehr von demokratischen Prozessen und die Hinwendung zur immer ungenierter frohlockenden AfD. Kein Wunder, denkt man an die zahlreich versemmelten und punktgenau am Interesse der Bevölkerung vorbei konstruierten Vorhaben der Regierung – angefangen bei der Asyl- und Flüchtlingspolitik übers Heizungschaos bis hin zur Finanz- und Wirtschaftspolitik und manigfachen Zweifeln am Sozial- und Rechtsstaat. „Es ist offenkundig, dass sich in der Bevölkerung etwas zusammenbraut“, urteilt denn auch Forsa-Geschäftsführer Manfred Güllner.
Man darf hinzufügen: Wen wundert's bei einer so dilettantisch und unprofessionell dahinregierenden Gurkentruppe?
Wie hatte doch Kanzler Scholz seinerzeit großmäulig angekündigt? „Wer Führung bestellt, der wird diese auch bekommen.“ War wohl nichts; denn nach zwei Jahren Hickhack halten satte 73 Prozent den Kanzler in wichtigen Fragen für nicht durchsetzungsfähig.
Dass er im ZDF-Sommerinterview auf diese Zahlen angesprochen antwortet, diese Diagnose sei falsch, passt zu einem, der immer wieder seiner Arroganz freien Lauf lässt und sich als den Allein-Seligmachenden präsentiert.
Nur gut, dass uns eine Prise Cannabis (wenigstens bei dieser Wohltat ist sich die Koalition einig) demnächst die Realität zumindest zweitweise vergessen lässt...
ULRICH JUNG, 16.8.2023
Neues fürs Blabla-Wörterbuch
Genau
Neuer Eintrag ins Blabla-Wörterbuch: Nach dem ziemlich sinnfreien „Am Ende des Tages“ und dem Aufmerksamkeit erheischenden „Und ja...“ quetscht der vermeintlich sprachgewandte Mensch heute an passender und gerne auch unpassender Stelle in seinen Sprach- oder auch Schreibfluss ein selbst banalste Behauptungen unterstreichendes „Tatsächlich“ oder, auch sehr beliebt, „Genau“.
Neben dem ach so fortschrittlichen Herumgendern ein weiteres dümmliches Getue, mit dem am Ende des Tages die eigentliche Schönheit und ja der Wert unserer deutschen Sprache tatsächlich nicht gerade befördert wird. Genau. ULRICH JUNG 1. 5. 2023
„Letzte Generation“ I
Extremistische Idioten
Jetzt müsste wohl jedem klar sein, dass diese Ansammlung selbsternannter Weltverbesserer nicht alle Tassen im Schrank hat: Mit einer schwarzen Flüssigkeit haben Aktivisten der so genannten "Letzten Generation" ein Grundgesetz-Denkmal in Berlin nahe dem Bundestag beschmiert. "Was für eine billige, würdelose Aktion", schrieb etwa der SPD-Außenpolitiker Michael Roth. "Ihr scheißt auf die Grundrechte, zerstört Kunst ähnlich wie die Taliban und fühlt Euch noch als Heldinnen und Helden", so Roth. "Diese abartige Aktion zeigt überdeutlich, was Ihr seid: Keine Aktivisten, sondern extremistische Idioten", schrieb der Bundestagsabgeordnete Detlef Müller (SPD).
Endlich mal Klartext!
Aber was lässt sich dieser Staat eigentlich noch alles gefallen?
Ob Straßen-„Kleber“ oder jüngst „Abseiler“ von Autobahnbrücken (letztere bekamen sogar amtliche Erlaubnis vom Gericht) - zunehmend gewinnt man den fatalen Eindruck, ein paar Spinner tanzen, trotz erheblicher Straftaten wenig bis gar nicht zur Rechenschaft gezogen, der Demokratie, dem Rechtsstaat auf der Nase herum; und brüsten sich noch mit ihrem irren Tun, nicht selten begleitet von willigen Medien.
Mit dem Recht auf Demonstration hat das Ganze wahrlich nichts zu tun. Im Gegenteil. Wer das Grundgesetz mit seinen Schmierereien offensichtlich missachtet und mit Füßen tritt, der kann sich ja kaum ernsthaft auf die ausgerechnet in der Verfassung verankerte Demonstrationsfreiheit berufen. ULRICH JUNG, 4.3.2023
"Letzte Generation" II
Dummdreist
Dreister geht’s wohl kaum: Erst kleben sich Luisa S. Und Yannick S. Gemeinsam mit anderen sog. Klima- Aktivisten der „Letzten Generation“ auf Stuttgarter Straßen und blockieren rücksichtslos den Verkehr. Was ihnen eine Anzeige wegen Nötigung und eine Vorladung vors Amtsgericht einbrachte. Dort erschienen sie allerdings erst gar nicht, sie seien in Urlaub auf Bali, so die Entschuldigung.
Mit dem Lastenfahrrad werden die selbsternannten Weltretter und -verbesserer freilich höchstens bis zum Flugplatz gekommen sein, von da ging es natürlich per Flieger ins ferne Ferienparadies.
Sauber: Uns mit permanenten Gesetzesverstößen leider meist auch medienwirksam lautstark Moral predigen, um die ach so dummen Mitmenschen zu folgsamen Umweltschützern zu erziehen, selbst aber dann nach getaner „Arbeit“ ausgerechnet einen angeblich so verhassten klimaschädlichen Umweltverschmutzer zu besteigen.
So bestätigen sie plakativ einmal mehr den Ruf, den sie sich längst mit ihren irren Aktionen geschaffen haben: nicht ernst zu nehmende Klugscheißer.
Genau so dummdreist ist die Erklärung der „Letzten Generation“, die die besonders klimaschädliche Fernreise der beiden Aktivisten mit deren Privatleben begründete. Ein Sprecher sagte, die beiden hätten „den Flug als Privatleute gebucht, nicht als Klimaschützer. Das muss man auseinanderhalten."
Ja, wenn das so ist.
Dann ist es doch logischerweise nicht klimaschädlich, wenn wir als Privatleute demnächst in Urlaub fliegen?
Merken die wirklich nicht, mit welch einer immer peinlicher werdenden Doppelmoral sie jegliche Glaubwürdigkeit verspielen?
Armselige „Letzte Generation“. ULRICH JUNG, 1. Februar 2023
Des Kanzlers „Doppel-Wumms“ gebiert inzwischen weitere Wortkreationen, die z. T. die Wahrheit verschleiern oder/und an Absurdität kaum mehr zu übertreffen sind.
Da schwadronieren sie mit aufgesetzter Wichtig-Wichtig-Miene zum Beispiel vom 200-Milliarden-„Sondervermögen“ . das bereitgehalten wird, um die Bürgerinnen und Bürger vor allzu hohen Gas- und Ölpreisen zu schützen. „Vermögen“ und dann noch „Sonder“ - toll, das hört sich ungemein seriös an, Gemeint sind freilich neue, am Bundeshaushalt vorbei geschleuste Schulden, wie sie die Republik noch nicht gesehen hat. Dass ausgerechnet die FDP da mittrickst, und ausgerechnet ihr oberster Boss Lindner (das ist der, der schon einmal lieber gar nicht als schlecht regieren wollte...) diesen verbalen Betrug oberlehrerhaft verkündet, ist schon ein starkes Stück; es würde nicht verwundern, wenn das ihm und seiner Partei demnächst endgültig den Hals bricht.
Oder „Übergewinne“. Sind wir mittlerweile so weit, dass die Politik festlegt, wie hoch Gewinne der Unternehmen sein dürfen? Denn dass im Endeffekt „nur“ die Energiewirtschaft gemeint ist, mag man nach all dem Ampel-Gewusel der letzten Monate nicht so recht glauben. Vielleicht wollen sie schon einmal testen, wie Gas- und Strompreisbremsen oder Preisdeckel und -Obergrenzen beim Volk ankommen. Wahrscheinlich insgesamt positiv. Wer will schon auf Entlastungen verzichten. Also wäre ein mögliches Testergebnis sicher auch auf andere Unternehmensbereiche übertragbar. Zumindest dort, wo steuerliche Einbußen überschaubar blieben.
Gegen Ende der Merkel-Regierung nannte jemand aus der Opposition das damalige Kabinett eine „Gurkentruppe“. Für die Scholz-Mann/-Frauschaft wäre dieser Ausdruck gewiss keine Übertreibung. ULRICH JUNG, 21.10.2022
Keine Impfpflicht
Reinste Parteipolitik
Also, eine allgemeine Impfpflicht gibt es nicht. So hat es das Parlament beschlossen. Im übrigen gegen die satte Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger. Unterm Strich kann man da nur noch den Kopf schütteln: nicht nur wegen des – wieder mal – missachteten Volkeswillens, sondern auch im Hinblick auf die täglich super hohen Zahlen für Neuinfizierte und Tote.
Warnungen aus der Experten-Ecke gab es in den letzten Monaten, in denen sich Politiker ständig dasselbe schwadronierend durch die Talkshows quälten, mehr als reichlich. Egal. Es ging im Endeffekt halt nicht um das Wohl der Menschen, sondern um reinste Parteipolitik – man kann auch Machtpolitik sagen. Die Opposition gönnte der Regierung nicht den Erfolg und spielte sich entsprechend auf, die „Ampel“ bekam derweil wegen innerparteilicher Querelen nicht einmal die eigene Mehrheit zusammen. Und das während einer gefährlichen Pandemie, in der man eigentlich erwartet hätte, dass sich die politisch Verantwortlichen zusammensetzen, um einen gemeinsamen Weg aus der mieslichen Lage zu finden. Aber dazu war man nicht im stande – wieder einmal nicht. Denn die Flickenteppiche, die die Ministerpräsidenten in ihren fast wöchentlichen Gipfeln in Sachen Corona übers Land legten, sprechen für sich. Jetzt sollen es die Bürger eigenverantwortlich richten. Wenn's allzu sehr aus dem Ruder läuft, stehen Länderchefs, Landräte und Bürgermeister bereit, einzugreifen (oder auch nicht).
Verkorkst das Ganze. Wie auch das Handeln bzw Nichthandeln im Putin-Krieg. Kein Wunder mit einer völlig deplazierten und haltlos überforderten Verteidigungsministerin und einem Kanzler, der Zeitenwende und Verantwortung propagiert, aber doch eher Schwächen präsentiert als Stärke.
Und so warten wir dann mal wieder, wie es weitergeht, mit Corona nach den Osterferien; wie sehen dann die Zahlen aus, und welche Varianten kommen im Herbst, und: dreht Putin bald völlig durch, mit Konsequenzen womöglich für die ganze Welt?
2022, ein Viertel ist 'rum. Es wird, so oder so, ein historisches Jahr – für Deutschland und Europa. ULRICH JUNG, 09. 04. 2022
Corona-Lockerungen
Hoch die Tassen
Hurra, wir dürfen wieder leben. Die hohen Damen und Herren der Politik haben gravierende Lockerungen beschlossen. Corona ade. Zwar weiß man nichts genaues, die Länder knüpfen, man kennt das ja, einen Flickenteppich, den die Landesregierungen mehr oder weniger nach gusto zusammenstoppeln. Egal. Hoch die Tassen, Party, wird schon werden...
Bei nüchternem Nachdenken freilich stutzt man irritiert. Nicht wegen des Flickenteppichs, da war nichts anderes zu erwarten. Aber wegen der stetig steil ansteigenden Neuinfektionen, Inzidenz und Totenzahlen.
Da werden Rekordhöhen erreicht, und trotzdem soll sozusagen eine Fast-Normalität unseres „alten“ Lebens wieder genehmigt werden. Wenn das mal gut geht. Immerhin, und das ist äußerst bemerkenswert, wäre ein Großteil der Deutschen doch lieber noch eine Weile bei den bisher festgelegten Regelungen geblieben: Maske, Abstand, 3 G usw. Warum will die Politik partout das Gegenteil?
Was aus einer fast totalen Lockerung folgt, zeigt uns das Nachbarland Österreich. Hier steigen die Inzidenzzahlen inzwischen auf mehr als das Doppelte wie bei uns, Prognose; weiter starker Anstieg zu erwarten. Auch viele Krankenhäuser sind inzwischen am Limit angekommen. Und dennoch plant man weitere Lockerungen u.a. im Bereich Arbeitsplatz. Das sieht kaum nach einer Lösung des Problems aus.
Natürlich hat Gesundheitsminister Karl Lauterbach recht, wenn er sagt, es kann nicht sein, das die Mehrheit der Geimpften und Geboosterten bestraft wird, um die Minderheit der Unbelehrbaren und sturen Impfgegner zu schützen. Die Wahrheit ist freilich, dass, wie man inzwischen weiß, leider auch die geimpfte Mehrheit Gefahr läuft, sich mit Corona anzustecken und daran zu erkranken.
Es bleibt dabei: Seit es Corona gibt, läuft hierzulande einiges schief. Aus Schaden klug geworden? Eher wohl nicht. Da sei die Frage gestattet: Wie hoch darf denn der Schaden noch werden, ehe man klug wird? ULRICH JUNG, 18.3.2022
Horrende Energiekosten
Preis der Freiheit?
Die Deutschen stöhnen über die horrenden, kaum noch zu kalkulierenden Energiepreise. Und wie reagiert unser Finanzminister? Das sei ein Preis für die Freiheit. Was vor allem in der Politik munter nachgeplappert wird.
Preis für die Freiheit. Das Gegenteil ist richtig. Heißen müsste es eigentlich „ein Preis für die Abhängigkeit“. Und Abhängigkeit hat nun einmal recht wenig – besser: gar nichts – mit Freiheit zu tun.
Ein weiterer Blödsinn aus dem Lindnerschen Instrumentenkästchen ist der angestrebte Rabatt für Sprit, den die Tankstellenpächter ihren Kunden einräumen sollen. Übers Finanzamt könnten die Pächter dann ihr Geld zurück einsammeln.
St. Bürokratius lässt grüßen.
Warum nicht einfach das Steuersammelsurium, das den Spritpreis zum größten Teil ausmacht und an dem der Staat kräftig und mit steigenden Preisen immer mehr verdient, ausdünnen oder absenken?
Krieg in Europa, weltweite Pandemie, der globale Klimawandel – da kommen teure Zeiten auf uns zu. Sprüche und Schnellschüsse a la Lindner bringen da kaum Lösungsansätze. ULRICH JUNG, 15.3.2022
Diskussion um Impfpflicht
Welche Freiheit?
2 G, 2 G plus, 3 G , eine mögliche Impfpflicht sowieso – das alles greift tief in unsere persönliche, vom Grundgesetz garantierte Freiheit ein. So tönt es tagaus, tagein in der Politik und nicht zuletzt bei den „Spaziergängern“ auf der Straße .
Das ist alles richtig, wenn auch die Tiefe sicherlich individuell zu bewerten wäre.
Aber es sei die Frage gestattet: Wie tief wäre denn wohl der Eingriff in unsrere Freiheit, liegt man erst Omikron geschädigt im Krankenhaus, womöglich sogar auf der Intensivstation oder auch „nur“ in Quarantäne?
Wie sieht eigentlich Freiheit aus für jemanden, der bewusstlos angeschlossen an Beatmungsgeräten um sein Leben kämpft oder vom Virus gequält im Bett oder „eingesperrt“ in seinen vier Wänden darauf hofft, dass der Kelch an ihm vorüber gehe und er ohne Spätschäden davon kommt?
Freiheit in Pandemiezeiten – wenn nicht jetzt, wann dann, darüber sollte man einmal mehr intensiv nachdenken.
Querdenken führt freilich zum falschen Ergebnis. U.J. 26.1.22
Staatsanwalt ermittelt gegen Grüne
Maßstäbe
Wer es nach den negativen Schlagzeilen während des Bundestagswahlkampfes (z.B. in Sachen Baerbock-Buch) noch nicht wahrhaben wollte, dürfte vielleicht jetzt zum Schluss kommen, dass auch die Grünen nicht die besseren Menschen sind.
Immerhin ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen den Parteivorstand wegen selbstverordneter Corona-Bonuszahlungen. Es gebe, so heißt es in Berlin, den Anfangsverdacht der Untreue.
Mag sein, dass am Ende, wie Bundesagrarminister Ödemir meint, nicht viel dabei herauskommt. Aber dennoch man darf wohl feststellen: Wer ständig mit erhobenem Zeigefinger durch die politische Landschaft schreitet und mit treuherzigem Augenaufschlag dem dummen Volk moralpredigend vorschreibt, was es gefälligst zu tun oder zu lassen hat, um die Welt zu retten, der muss erdulden, dass bei ihm dieselben Maßstäbe angelegt werden.
1500 Euro Bonus für den Vorstand? Ohne dem Staatsanwalt vorweggreifen zu wollen: Fragwürdig ist das allemal.
Angenommen, beispielsweise Friedrich Merz und CDU-Obere hätten sich den steuerfreien Schluck aus der Bonus-Pulle gegönnt, die Empörung nicht zuletzt aus der grünen Ecke dröhnte nachhaltig durch die Republik. ULRICH JUNG 21.1.22
Merz CDU-Chef
Hätte, hätte, Fahrradkette...
Zwei verschlissene Vorsitzende, einen abgehalfteten Kanzlerkandidaten und eine versemmelte Bundestagswahl (mit Verlust des „Titels“ Regierungspartei) hat's gebraucht, ehe die Parteiführung einlenkte und die Basis bestimmen ließ. Jetzt wird Friedrich Merz am Ende seines Marathonlaufs doch noch Parteichef.
Die CDU wäre zweifellos besser beraten gewesen, wenn man von vornherein auf die Stimmen und die Stimmungen im „Fußvolk“ gehört hätte. Auch außerhalb der Union war laut Umfragen immer Merz als Nachfolger Angela Merkels der eigentlich Favorit. Mit ihm an der Spitze wäre der Partei vielleicht manches Übel erspart geblieben. Womöglich gäbe es heute keine „Ampel“ und die Christdemokraten müssten nicht vergangenen Zeiten nachtrauern, sondern stünden weiter in der ersten Reihe der politischen Gestalter.
Hätte, hätte. Fahrradkette...
Nach den nächsten Landtagswahlen in 2022 wird man sehen, ob Friedrich Merz das Zeug dazu hat, die Union aus den dunklen Tiefen wieder ans Licht zu bringen, sie wieder zu vereinen. Bis dahin gibt es freilich manchen Stolperstein – zu Beginn etwa die bevorstehende Auseinandersetzung mit Fraktionschef Ralf Brinkhaus. Merz hat deutlich gesagt, dass Partei- und Fraktionsvorsitz zusammengehören; was strategisch gesehen absolut richtig ist und der Oppositionspartei mehr Schlagkraft und Handlungsspielräume eröffnete. Sollte Brinkhaus dabei nicht mitspielen und es zu einem Machtkampf kommen, würde das eben erst gezeichnete positive Bild der Mitgliederabstimmung schnell zerstört und die Partei wieder in einen zermürbenden Machtkampf gestürzt.
Merz und Brinkhaus haben es also in der Hand, der CDU diesen vergifteten Kelch zu ersparen. Davon gab es in der jüngsten Vergangenheit nun reichlich – mit entsprechenden, dramatischen Folgen.
Da freilich beide nicht gerade dafür bekannt sind, schnell klein beizugeben, dürfte sich schon an dieser Personalie beweisen, wie ernst es der Parteiführung ist, auf Erneuerung und Zukunft zu setzen.
Der erste Schritt ist mit Merz getan. Wenn die weiteren Schritte ebenso reibungslos über die Bühne gehen, wäre die Ära Merkel endgültig abgeschlossen und die Union könnte ihrem Wiedererstarken den Weg bereiten. UJ 18.12.2021
Angela Merkel
Vertrauen
Die Ära Merkel ist zu Ende. Von einigen gehasst, von vielen verehrt, auch von ihren politischen Gegnern akzeptiert – die erste Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland darf insgesamt zufrieden auf ihre lange Amtszeit zurückblicken. Dass nicht immer alles glatt lief, dass sie auch teilweise schwere politische Fehler und manch unglückliche Personalentscheidung zu verantworten hat, dürfte ihr letztendlich positives Ansehen besonders in der breiten Bevölkerung auch im Rückblick nicht schmälern. Zumal Umstände wie die Flüchtlingswelle 2015 oder die Pandemie keine Blaupausen fürs Regieren vorrätig hielten.
Ihr wichtigstes Kapital war das Vertrauen, das sie praktisch weltweit zur hochgeachteten Regierungschefin werden ließ. In ihre Fußstapfen zu treten düfte ihrem Nachfolger nebst rot-grün-gelber Regierung einiges an Anstrengungen abverlangen. Zweifel daran, dass sie das auch nur im Ansatz schaffen, sind sehr wohl angebracht, wie die ersten markanten Ausrutscher (s. Infektionsschutzgesetz) schon vor dem offiziellen Beginn der neuen Legislatur eindrucksvoll belegen. Auch die Regierungsprogramme lassen doch manches Ungemach befürchten. Von wegen Fröhlichkeit im Herzen, wie uns Merkel bei ihrem Abschied wünschte.
Sei's drum, Scholz und Co. haben selbstverständlich die Möglichkeit, ihr angekratztes Image zu polieren.
Dennoch und kurzum: Es mag vermessen klingen, aber es wird eine Zeit kommen, in der nicht wenige zunehmend der Ansicht sind: Ach, wäre sie doch noch da, die Kanzlerin, die Angela Merkel... ULRICH JUNG, 4.12.2021
Lockdown und Impfpflicht
Später als halb eins
„Mittelstand fordert Not-Ministerpräsidenten-Konferenz“. „Kreis in Thüringen sieht Corona-Lage als nicht mehr beherrschbar an“. „Wirtschaft ruft nach Impfpflicht“. „Saarland verhängt Lockdown für Ungeimpfte“. „Baden-Württemberg fährt Kultur und Sport runter“. „Omikron könnte in HIV-Patienten entstanden sein“. Und so weiter, und so fort.
Diese kleine Auswahl von ntv-Schlagzeilen beschreibt das Chaos, das inzwischen die Hilflosigkeit vor allem in der Politik kennzeichnet. Jedes Bundesland macht mehr oder weniger, was es will. Von Koordination keine Rede. Die abgewählte Regierung legt die Hände in den Schoß und schickt allenfalls den geschäftsführenden Gesundheitsminister auf die öffentlichen Bühnen. Ab und zu die Noch-Kanzlerin, der auch nicht viel mehr einfällt als salbungsvolle Sprüche; die Regierung in spe hält es mit Abwarten und Tee trinken, ihre erste Tat, das neue Infektionsschutzgesetz, richtet eher Schaden an als dass es den versprochenen großen Aufbruch einleitet. Und die Zahlen rund um die Pandemie schießen derweil in ungeahnte Höhen.
Ungeahnt? Eigentlich ja wohl nicht. Denn seit Monaten warnen wirkliche Experten vor dem, was mittlerweile als vierte Welle über uns hinweg rollt. Freilich ohne große Resonanz bei den politisch Verantwortlichen. Und jetzt, zu allem Übel, kommt auch noch „Omikron“ aus Südafrika herübergeweht. Wenn selbst dem ruhigen RKI-Chef Wieler während einer Pressekonferenz vorige Woche der Kragen platz und er, wie auch andere Wissenschaftler, dankenswert deutlich seine Meinung über die Entscheider in Berlin kundtut, dann müssten längst alle Alarmglocken schrillen. Es ist, da wäre Minister Spahn zu korrigieren, später als halb eins. Aber man wartet lieber das Urteil des höchsten Gerichts ab, statt zu handeln.
Wer regiert eigentlich Deutschland? Gerichte oder Politik?
Impfpflicht und Lockdown für alle. Das Grundgesetz lässt das zu. Und hört auf, von der Gefahr einer gespaltenen Gesellschaft zu reden, wenn Geimpfte, Genesene und Ungeimpfte allesamt eine zeitlang mit Einschränkungen leben müssen. Oder der Einwandt, Lockdown koste unzählige Arbeitsplätze – stimmt ja. Aber wieviel Tote ist uns am Ende denn der Erhalt der Arbeitsplätze wert?
Impfen, impfen, impfen; boostern, boostern, boostern. Natürlich richtig, die permanenten Rufe. Nicht zuletzt vom besorgten Bundespräsidenten. Schön wär's, wenn eine entsprechende Organisation den Willigen helfen würde: schnelle Terminfindung, kein Schlangestehen, und schließlich genügend Impfstoff, die übrigens in Hessen knapp werden. Andere Länder, auf die Deutschland meist gerne gnädig lächelnd herabblickt, machen uns vor, wie es geht. Mit Erfolg. Nun blicken die staunend auf den einstigen Organisations-Musterknaben Deutschland, der, anders kann man es nicht sehen, im Grunde selbstverschuldet in den Schlamassel hereingerauscht ist.
Diese Woche wollen sie sich wieder zusammensetzen und das weitere Vorgehen besprechen. Bleibt zu hoffen, dass dieses Mal mehr herauskommt als das bekannte einschläfernde Geschwafel. ULRICH JUNG, 29.11.2021
Corona-Pandemie
Versagt
Eins hat uns das deutsche Dilemma um die Corona-Pandemie gelehrt: Noch nie haben sich verantwortliche Politiker dermaßen als gerdezu hilflose Schwätzer entlarvt. Wenn nicht einmal der Kampf um Menschenleben parteipolitische Streitereien in den Hintergrund treten läßt, dann muss man wohl um künftige, „kleinere“ Problemlösungen, auf welchem Feld auch immer, füchten.
Seit Monaten sagen Wissenschaftler mehr oder weniger punktgenau die Entwicklung der entscheidenden Zahlen voraus, aber in der aufmerksamen Öffentlichkeit hat man den fatalen Eindruck, dass die politischen Entscheider entweder nichts verstehen oder nicht zuhören oder mit Wichtigerem wie dem Kampf und Macht und Pöstchen beschäftigt sind.
Da wird in Talkshows wichtigtuend dahergeschwafelt, von „winterfest“, „Werkzeugkasten“ und „Schutzwall“ ist die Rede. In Pressekonferenzen geht der Neuigkeitswert politischen Handelns meist gegen Null; und sowieso hat man doch schon immer darauf hingewiesen, dass es um Leben und Tod geht und die Gesundheit der Menschen selbstverständlich an erster Stelle steht.
Konsequenzen? Außer dem ewigen „AHA plus L“ und „impfen, impfen, impfen“ kommt nicht viel. Ob geschäftsführende Regierung, die Landesregierungen oder die Bundesegierung in spe – die „Schuld-den-anderen-in-die-Schuhe-schieben“ beherrschen beide perfekt. Und wenn nichts mehr nützt, da haben sie ja noch als Superzange im Werkzeugkasten den Lockdown.
Hätten sie wenigstens den Mut aufgebracht, letzteres den Menschen zuzumuten – die meisten sind Umfragen zufolge eh dafür – wäre vielen Tod und Leid erspart geblieben.
Was sie jetzt nach der jüngsten Entscheidung im Bundestag und -rat beschlossen haben, hätten sie längst tun können; die „Werkzeuge“ lagen alle im „Kasten“ bereit. Jetzt so zu tun, als ob endlich der Stein der Weisen gegen dieses mörderische Virus gefunden sei, ist reine Verhohnepiepelung des Volkes.
Kurzum: Die Politik hat versagt. Die Impfverweigerer und Pandemieleugner feiern derweil fröhliche Parties. Sie werden ja kaum gestoppt. Unterdessen laufen die Intensivstationen voll. Wer jetzt einen Schlaganfall oder Herzinfarkt erleidet, dem Gnade Gott. Ärzte werden ihnen immer weniger helfen können. ULRICH JUNG, 19.11.2021
Corona und Karneval
Na dann Prost...
Alaaf und Helau – man glaubt es kaum. Trotz horrender Neuinfektionszahlen und überlasteter Intensivstationen tummeln sich zu Tausenden die (im wahrsten Wortsinn) Narren in den Karnevals-Hochburgen. Masken? Fehlanzeige. Abstand? Beim Schunkeln eh nicht möglich. Und immer dieselben Sprüche: Man sei ja getestet oder geimpft, da werde schon nichts passieren. Außerdem würden strenge Polizeikontrollen dafür sorgen, dass die Vorschriften eingehalten werden. Karneval sei schließlich Kultur, und man kann die Menschen doch nicht einfach einsperren...
Fernsehbilder, die schockieren; zumindest diejenigen, die mittlerweile kapiert haben, dass das Virus keine Pause macht und sich besonders gerne seine Opfer in feiernden, alkoholisierten Menschenmassen sucht. Geimpft hin, getestet und kontrolliert her. Die jüngsten Analysen zeigen doch, dass es auch die vermeindlich Sichern treffen kann.
Dass Unvernunft keine Grenzen kennt, kann man auch bei Bundesliga-Übertragungen betrachten. Zig Tausende, meist ohne Maske, lautstark brüllend und auf den Rängen hüpfend. Feste feiern, Fußball und „Einer geht noch, einer geht noch 'rein“ - ist das die Freiheit, die wegen Corona ach so gestresste Menschen meinen?
Na dann, Prost, Alaaf und Helau. Nicht wundern, wenn demnächst Dank Schwellköpfen und anderer Narren wieder alles dicht gemacht wird – von Toten und Schwerstkranken ganz zu schweigen - und nach der vierten die fünfte Welle heranrollt. ULRICH JUNG, 11.11.2021
Impfpflicht - was denn sonst? Was denn sonst sollte endlich die Pandemie wirkungsvoller bekämpfen als das seit bald 2 Jahren ritualisierte Geschwafel der Politik und die Maßnahmen nach dem Motto „rin in die Kartoffeln, raus aus den Kartoffeln“? Alles mehr oder weniger verpufft, nimmt man nur die jüngsten Zahlen zur Kenntnis. Die steigen weiter in nie dagewesene, beängstigende Höhen.
Wieviel Schwerstkranke, Todesfälle oder Spätfolgen wären verhindert worden, wenn gleich zu Beginn der Pandemie und nach den ständigen Appellen und Voraussagen der Wissenschaft Politiker mutig eine Impfpflicht wenigstens für Berufsgruppen wie Pfleger, Krankenschwestern, Ärzte eingeführt hätten? Alle Argumente dagegen kann man nicht mehr hören.
Wie verständlich in diesem Zusammenhang ist der Frust etwa des Klinikpersonals, das langsam daran verzweifelt, Impfunwillige bei Erkrankung versorgen zu müssen und sich dabei selbst in Gefahr begibt, sich das Virus einzufangen.
Oder was bezweckt ein Datenschutz, der es z.B. Arbeitgebern verbietet, seine Angestellten zu fragen, ob sie geimpft sind? Jeder Gastwirt wird verdonnert, seine Kundschaft zu kontrollieren und sie gegebenenfalls nicht einzulassen. Solch blödsinnige Vorschriften ließen sich unendlich fortsetzen.
Dass einzig die Impfung einigermaßen sicher einen selbst zumindest vor Schwersterkrankungen schützt, sollte mittlerweile bekannt sein; wer's nicht kapiert und sich weigert, weil irgendwelche durchgeknallten Coronaleugner hanebüchenden Unsinn in die Welt der so genannten „sozialen“ Medien posaunen, dem ist nicht zu helfen, der sollte genau so bestraft werden wie der nachlässige Gestronom. Schlimm nur, dass andere, Unschuldige, sich dann auf Intensivstationen mit den Folgen quälen müssen oder auf dem Friedhof landen. Die Opfer dann kollektiv zu betrauern ist scheinheilig.
Nicht wieder lange palavern, bis es zu spät ist, Impfpflicht für alle, die in Frage kommen, und zwar sofort. Was denn sonst?
ULRICH JUNG, 10.11.2021
Annalena Baerbock
Blamabel
Die Kanzlerkandidatin der Grünen, Annalena Baerbock, scheint's mit ihren persönlichen Angaben nicht allzu genau zu nehmen. Nach Ungenauigkeiten zu ihrem Studium finden sich nun auch im Lebenslauf auf ihrer Homepage zweifelhafte Angaben zu diversen Mitgliedschaften . Das berichteten zunächst ein Journalist der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" und die "Bild"-Zeitung. Ein Sprecher der Grünen bestätigte die Ungenauigkeiten im Lebenslauf von Baerbock. Im Lebenslauf auf der Website der Kanzlerkandidatin sind die Korrekturen nun bereits vorgenommen.
Das dürfte dem Hype Baerbock einen ziemlichen Dämpfer versetzen und viele Mit- und Überläufer irritieren. Ob die wirklich Kanzlerin kann?
Wer wie die Grünen seit jeher moralpredigend durch die politische Landschaft läuft, wer uns vorschreiben will, wie wir gefälligst zu leben haben, und wer am Ende meint, allwissend und besserwissend einen Staat lenken, Europa, ja der Welt den einzig richtigen Weg aus Problemen weisen zu können, der sollte wenigstens zum Start in die große Politik mit seinem eigenen Handeln im Reinen sein und sich nicht mit Tarnen und Täuschen in die erste Reihe mogeln. Mit Sachkenntnis glänzte die Grüne auch nicht allzu sehr. Beispiel: Sie verkündete in einer Talkshow, dass die SPD die Soziale Marktwirtschaft geschaffen habe. Dass es Ludwig Erhard (CDU) war, schien ihr nicht bekannt oder schlüssig zu sein. Ein CDU-Mann und sozial?
Für eine Top-Politikerin in spe, die Kanzlerin aller Deutschen sein will, ein Armutszeugnis.
Sie nimmt es halt nicht so genau.
Als künftige Nachfolgerin für Angela Merkel würde sie, Stand heute, Deutschland in der Welt blamieren. ULRICH JUNG, 5.6.2021
Pflegereform
Gerechtigkeitshalber
Jetzt basteln sie an einer Pflegereform, die einiges an Brisanz birgt. Finanziert werden soll das Vorhaben ab 2022 nämlich durch eine Anhebung des Beitragssatzes zur Pflegeversicherung für Kinderlose um 0,1 Punkte auf 3,4 Prozent des Bruttolohns und einen Zuschuss des Bundes von jährlich einer Milliarde Euro. Spahn hatte zuletzt einen Zuschuss von 2,6 Milliarden Euro gefordert.
Die Idee, kinderlose Paare zur Kasse zu bitten, ist nicht neu. Auf den ersten Blick mag sie sogar als gerecht empfunden werden. Auf den zweiten Blick müssten aber doch Bedenken kommen. Zum einen: Werden nicht die Paare, die sich sehnlichst Kinder wünschen, aber aus welchen Gründen auch immer keine zeugen können, nicht doppelt bestraft? Einmal biologisch, und dann auch noch staatlicherseits. Selbst die selbsternannten Gerechtigkeitsfanatiker müssten da eigentlich ins Grübeln kommen – der Gerechtigkeit willen.
Und fragen wird man ja auch einmal dürfen: Pflegen denn alle Kinder ihre Eltern, wenn es denn soweit ist, und ersparen dem Staat dadurch einiges an Kosten? In der Verwandtschaft oder bei Bekannten hört man in dieser Beziehung nicht immer sehr Positives. Im Gegenteil. Da wäre es also gerecht, dass der Staat eingreift?
Auf die Diskussion darf man gespannt sein, wenn die GroKo sich an die Pflegereform macht. ULRICH JUNG, 30.5.2021
Giffey tritt zurück
Konsequent inkonsequent
Jetzt hat's auch Franziska Giffey erwischt; besser: auch sie hat sich erwischen lassen. Und sie ist konsequent, was viele zuerst einmal mit Respekt quittierten, und gleichzeitig inkonsequent. Denn einerseits tritt sie als Familienministerin zurück, wie sie es vor einiger Zeit angekündigt hatte, sollte die Freie Universität ihren Doktortitel aberkennen. Andererseits will sie Spitzenkandidatin der SPD für die Wahl zum Berliner Angeodnetenhaus bleiben. Ihr Blick geht auf das Amt der Regierenden Bürgermeisterin als Nachfolgerin des nicht mehr kandidierenden Parteifreundes Müller.
Taugt eine belastete, abgetretene Bundesministerin wirklich für die herausragende Stellung einer Chefin der Berliner Landesregierung? Da sind schon Zweifel angebracht, auch wenn Giffey als (in der Hauptstadt einzige) Hoffungsträgerin der SPD gilt – beliebt bei der Bevölkerung, geachtet von politischen Begleitern. Und mit Hoffnungsträgern ist die SPD auch bundesweit wahrlich nicht gesegnet.
Eine sonderbare Entscheidung allemal, und das ausgerechnet in Zeiten nicht zuletzt des inzwischen lauter werdeneden Bundestagswahlkampfes, in dem sich die dahindümpelnden Sozialdemokraten solche Fehler schon gar nicht erlauben dürften.
Fragen darf man wohl auch: Warum tut Giffey sich das an? Ihre Chancen, Regierende zu werden, dürften jetzt gegen Null sinken. Vom Status der SPD gar nicht zu reden.
Und so hat wieder diesmal eine Politikerin dafür gesorgt, dass sich die Wähler einmal mehr verdutzt die Augen reiben und den Kopf schütteln. Denn wie schön tönt es von allen Seiten im Wahlkampf nach den vielen Unzulänglichkeiten der jüngsten Vergangenheit? In erster Linie gilt es, das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger wieder herzustellen.
So jedenfalls geht das eher nicht. ULRICH JUNG, 19.5.2021
Sprachpolizei
Geht auf die Nerven
Langsam geht’s einem auf die Nerven. Vor allem, wie das Öffentlich-Rechtliche (Staatsfernsehen darf man ja wohl nicht sagen (schreiben) seine Hörer(innen) und Seher(innen) auf den „richtigen“ Weg führt.
Täter – innen,Hacker-innen, Polizist-innen, Schauspieler-innen, Sportler-innen - und so weiter und so fort. (jeder Bindestrich ist eine Pause beim Sprechen). Dass das lustig wirkt, darf man wahrscheinlich auch nicht sgen (oder schreiben).
Ticken wir eigentlich noch richtig?
Nein, irgendwie nein.
Und niemand tut was, um diese Sprachvergewaltigung abzuwürgen. Wir sind alle so dolle modern und folgen gerne dem Zeitgeist.
Ob der sie noch Alle hat, ist offensichtlich egal, sofern viele munter mitmachen.
Davon abgesehen, dass Deutschland (und die Welt) wirklich andere Probleme hat, als irgendwelchen Sprachpolizisten, die lustig ihre Ideologie unters Volk streuen, hinterher zu laufen, sollte man sich mal sich die Logik hinter dem „...innen „ vors ungeblendete Auge führen. Man hat immer schon Schauspieler und Schauspielerinnen gesagt, Polizistinnen und Polizisten. Da brauchte niemand einen Pausensprechraum zum „innen“. Was jetzt herausposaunt wird, ist reine Ideologie – unter dem Mäntelchen der Gleichbehandlung lässt sich offensichtlich mittlerweile jeder Unfug verkaufen. Und viele spielen mit.Und so wird ein - uns eingeredetes- „Volksempfinden“ draus.
Liebe Ideolog-innen, lasst und einfach in Ruhe mit eurem Geschwafel. Niemand braucht geifernde Sprachpolizist – innen.
Ulrich Jung, 09.05.2021
Kanzlerkandidat der Union
CDU stürzt ab
Ein Tag nach Annalena Baerbocks Triumph, wenige Stunden nur nach Armin Laschets gequältem Sieg gegen Markus Söder – und eine jüngste Umfrage schlug ein wie der Blitz: Die CDU stürzt auf 21 Prozent ab, die Grünen steigen auf 28 Prozent, die SPD verschwindet bei 13 Prozent. Wie aus dem RTL/ntv-Trendbarometer hervorgeht, hat die Union damit seit Anfang April ein Drittel an Stimmen eingebüßt, während die Grünen mehr als 50 Prozent zulegten.
Weitere Umfrageergebnisse: So hält nur knapp jeder dritte Befragte (32 Prozent) das Votum für den NRW-Regierungschef für eine gute Entscheidung. Fast zwei Drittel (63 Prozent) sind dagegen der Meinung, dass sich die Wahlchancen für die Union verschlechtert haben. In der CDU meinen dies sogar 67 und in der CSU, deren Vorsitzender Markus Söder am Ende gegen Laschet das Nachsehen hatte, 90 Prozent.
Erschreckende Zahlen (für die Union), aus denen klar hervorgeht, dass die brutal erkämpfte Entscheidung für Armin Laschet eine falsche war, eine, die voll an der Basis der Union aber auch an der öffentlichen Meinung vorbei ging. Und eine, die einmal mehr beweist, dass es den handelnden Personen um nichts weiter geht als um Macht.
Keine gute Voraussetzung für das angeblich so beschworene Vertrauen in die Politik, das jetzt schnell wieder herzustellen sei.
Natürlich ist die Umfrage eine Momentaufnahme. Freilich auch eine, die so kurz nach der beantworteten K-Frage der Union sämtliche Alarmglocken schrillen lassen müsste. Die von einigen inoffiziell geäußerte Erkenntnis, dass die Lösung mit Söder eventuell die bessere gewesen wäre, zieht nicht. Denn auch und gerade der Bayer hat – trotz seiner bundesweiten Beliebtheit - in den letzten zehn Tagen einmal mehr gezeigt, dass er charakterlich als Kanzler wenig geeignet wäre. Krankhafter Ehrgeiz und ein gewisses Maß an Hinterhältigkeit mag ja in Bayern fröhliches Juchzen hervorrufen. Aber auf globaler Ebene ziehen diese polternden Eigenschaften nicht.
Zum Politikerdasein gehören selbstverständlich Ehrgeiz und Hinterhältigkeit, aber wohldosiert, so, wie das in den vergangenen 16 Jahren Angela Merkel elegant vorführte.
Nun gut, die Würfel sind gefallen.
Die Behauptung sei erlaupt: Mit Friedrich Merz, auch einer, der trotz hoher allgemeiner Anerkennung nicht vorgelassen wurde, wäre das alles nicht passiert.
ULRICH JUNG, 21.4.2021
Annalena Baerbock
Chance nicht schlecht
Das kannte man bei den Grünen bisher weniger: Geräuschlos, ohne öffentliches Tamm-Tamm und offensichtlich ohne hässliche Streitereien entscheiden sie die wichtigste Personalfrage: Annalena Baerbock soll Angela Merkel nachfolgen – wenn es denn die entsprechenden Mehrheiten im September erlauben. Die 40Jährige ist damit die jüngste Kanzlerkandidatin der Geschichte.
Von der soliden Vorgehensweise, die vor dem Führungsduo Habeck/Baerbock irgendwie undenkbar erschien, könnten sich die sog. etablierten Parteien, allen voran CDU/CSU, ein großes Stück abschneiden. Während sich die Union mit der K-Frage langsam und erstaunlich schmerzfrei zerbröselt und sich der geneigte Wähler, je länger der quälende Prozess dauert, zunehmend angewidert abwendet, feiern die Grünen in Umfragen Höchststände. Es wäre nicht verwunderlich, hielte dieser Trend weiter an.
Natürlich kann man kritisieren, dass Baerbock keinerlei Regierungserfahrung hat und man sich im Augenblick nicht so recht vorstellen kann, wie so jemand die nicht zuletzt globalen Probleme dieser Zeit lösen will. Auch das Programm der Grünen, soeben vorgestellt, enthält viele nett formulierte Wünsche und Ansätze, aber recht wenig Ideen, wie das denn alles zu finanzieren wäre.
Andererseits gibt es ja auch Minister(innen), die von ihrem Fachgebiet, als sie antraten, wenig bis gar keine Ahnung hatten, ja, einige nicht einmal eine Berufsausbildung absolvierten. Und doch sind sie z.T. Recht erfolgreich; letztlich mit Hilfe ihres Apparates.
Warum sollte also Annalena Baerbock, vorausgesetzt sie wird in einer wie auch immer zusammengesetzten Regierung Kanzlerin, nicht auch unser Land erfolgreich führen? Immerhin hat sie ihren regierungserfahrenen Kompagnon Robert Habeck, an Bord der sie, wie in den vergangenen Jahren schon, treu begleiten und durch manchen Sturm manövrieren wird.
Ihre Chancen stehen gar nicht einmal schlecht. Und sollten die Grünen tatsächlich bis September die Union überholen, wäre Grün/Schwarz sehr wohl eine denkbare Option; mit Baerbock als Kanzlerin... ULRICH JUNG, 19.4.2021
Laschet und Söder
Beide ungeeignet
Die SPD hätte es nicht besser machen können. Wie CDU/CSU sich derzeit zerlegen, das erinnert fatal an den Anfang vom Niedergang der Sozialdemokraten, an den damaligen Kanzlerkandidaten Schulz, an seinen tiefen Fall auf einen Platz in den hinteren Reihen. Am Ende blieb (bislang) eine 15-Prozent-Partei, die sich trotz (oder besser: wegen) seiner Nachfolger nicht erholen will.
In der Christen-Union führen jetzt die Möchtegern-Kanzler Armin Laschet (gerade erst unter quälenden Zuckungen zum CDU-Vorsitzenden gewählt) und Markus Söder dem geneigten Publikum vor, wie man auf die Schnelle eine fast 40-Prozent-Partei und nebenbei den eigenen Ruf munter ruiniert. Und das vor einer Bundestagswahl; schlimmer noch: während einer Pandemie, in der endlich Führungskraft, Souveränität und Gemeinsamkeit ersehnt werden.
Zumindest im Rennen um die Nachfolge Merkels, das inzwischen zum offenen Schlagabtausch geworden ist, beweisen beide Parteichefs , dass sie nicht annähernd über diese Eigenschaften verfügen. Im Gegenteil. Was uns derzeit geboten wird, ist nur noch peinlich, erbärmlich, unwürdig. Egal, wie die Schlacht letztendlich ausgeht, CDU/CSU sind schwer beschädigt. Kaum zu glauben, dass dieser Schaden bis zu den Bundestagswahlen repariert werden kann.
Beschädigt ist ebenfalls das Vertrauen in die Politik; in diesem Fall: einmal mehr das Vertrauen zur Union. Hatte jüngst erst der Masken-Skandal die Öffentlichkeit erschüttert, stehen nun zwei im Fokus, die bislang als untadelig galten und von ihren Parteien aufs Höchste für höhere Weihen empfohlen wurden. Ihr wahrer Charakter ist jetzt zum Vorschein gekommen, womit sie sich selbst und unterm Strich ihre Parteien nachhaltig ins Abseits geschoben haben.
Kanzler wollen sie werden? Nach dem, was sie uns in den letzten Tagen vorgeführt haben, bleibt der Schluss: Eigentlich sind beide nicht geeignet. Ende offen... Vielleicht kommt ja doch noch Friedrich Merz? ULRICH JUNG, 14.4.2021
Ruf aus der CDU
Söder soll's machen
Ist das der Ruf aus der CDU, auf den Markus Söder angeblich wartet, um als Kanzlerkandidat der Union anzutreten?
Die jäh fallenden Umfragewerte der Union sorgen für Unruhe bei der CDU, und es mehren sich Stimmen, die sich öffentlich für eine Kanzlerkandidatur von CSU-Chef Markus Söder anstelle des eigenen Vorsitzenden, Armin Laschet, aussprechen. "Wenn wir bei der Bundestagswahl noch eine Chance haben wollen, müssen wir mit dem stärksten Kandidaten antreten, den wir haben. Das ist ganz klar Markus Söder", werden mehrere CDU-Abgeordnete zitiert. Zudem wird der Ruf nach einer schnellen Entscheidung lauter.
In Umfragen liegt Söder seit Monaten vorne bei der Frage nach möglichen Nachfolgern Merkels im Kanzleramt. Laschet dagegen war zuletzt sogar hinter die Grünen-Co-Vorsitzenden Annalena Baerbock und Robert Habeck zurückgefallen. Die Union lag laut RTL/ntv-Trendbarometer vergangene Woche bei nur noch 26 Prozent, nur noch vier Prozentpunkte vor den Grünen.
„Mein Platz ist in Bayern“, Söders Evangelium auf die Frage nach der Kanzlerkandidatur, ist Geschichte. Lange nicht mehr gehört, längst unglaubwürdig. Jemand wie Söder, machtbesessen, eitel und politikerfahren, lässt sich nicht von einem wie Laschet in die zweite Reihe drängen. Dass er auch Kanzler kann, hat er im Gegensatz zu seinem Widersacher längst bewiesen; zuletzt und am anschaulichsten während der Pandemiekrise. Während Laschet wegen seiner Hü- und Hot-Strategie, soweit man das überhaupt Strategie nennen kann – wohl eher Hilflosigkeit – gerade erst von der Kanzlerin abgewatscht wurde, glänzte Söder mit strengen Vorgaben und klaren Aussagen; nicht weit von der Kanzlerin entfernt, und doch, im Gegensatz zu manchen seiner Ministerpräsidenten-Kollegen, konstruktiv, ja, auch vertrauenerweckend.
Letzteres vor allem braucht Deutschlands Politik: Vertrauen, das verspielt wurde durch ein verkorkstes Krisenmanagement, an dem besonders einige Ministerpräsidenten und letztlich auch die Kanzlerin nicht ganz schuldlos sind. Söder als Kanzlerkandidat für die Union? Warten wir's ab...
Nebenbei: Im Hintergrund lauern die Grünen mit Habeck und Baerbock . ULRICH JUNG, Ende März 2021
Die dritte Welle
Das geht nicht gut
Heute, 27.März 2021. Die Sieben-Tage-Inzidenz stieg auf 124,9. Der wissenschaftliche Leiter des Divi-Intensivregisters, Christian Karagiannidis, hat deshalb in der "Rheinischen Post" einen 14-tägigen harten Lockdown im ganzen Bundesgebiet gefordert, um eine historische Spitzenbelastung der Intensivstationen zu verhindern. Auch der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach dringt angesichts stark steigender Neuinfektionszahlen auf schärfere Maßnahmen. "Wir müssen rasch nochmal neu verhandeln", sagte Lauterbach dem "Tagesspiegel", ohne einen scharfen Lockdown werde es nicht gehen. Als Ergänzung zu den bisherigen Maßnahmen schlägt er bundesweite Ausgangsbeschränkungen vor: "Ausgangsbeschränkungen ab 20 Uhr für zwei Wochen würden wirken - wir haben es in Frankreich, Großbritannien und Portugal gesehen."
Und was macht Deutschland, zumindest einige Länder, die wieder einmal trotz Notbremse aus der Reihe tanzen? Sie wollen entgegen jüngster angeblich einstimmiger Beschlüsse, langsam öffnen; Modellprojekte. Nach Testungen die Leute in Geschäfte und Außengastronomie lassen. Motto: Mal sehen, was passiert. Kann ja gutgehen...
Da fragt man sich: Was ist denn nun? Haben wir, wie die Wissenschaftler vom Robert Koch Institut sagen, eine zunehmend gefährlicher werdende dritte Welle? Soll der Lockdown schnellstens wieder aktualisiert werden in der Härte des vorigen Jahres um Ostern herum? Harter Lockdown ja, vielleicht nach Ostern, verhandelbar? Hört man. Wieso erst nach Ostern, wenn es denn laut wissenschaftlicher Analyse derzeit bereits akut gefährlich ist, wenn die Intensivbetten jetzt schon knapp werden, wenn sich besonders junge Menschen in beängstigenden Zahlen anstecken?
Warum nicht sofort?
Nach Ostern werden die Zahlen mit Sicherheit wieder ansteigen; noch mehr, als der eine oder andere Modell-Befürworter erwarten mag. Modellrechnungen (bis 100 000 Neuinfizierte oro Tag!) müssten auch dem eifrigsten Wahlkämpfer den Angstschweiß auf die Stirn treiben. Und so bleibt es wie die vergangenen Monate zuvor: Politisches Herumlavieren, während inzwischen die dritte Welle über Deutschland hinwegrollt. Wahlen im Hinterkopf. Verzweifelte Warnungen entsetzter Wissenschaftler.
So, wie es ist, stand heute, geht das nicht gut. ULRICH JUNG, 27.3.2021
Nach dem Pandemie-Gipfel
Planlos, mutlos, ratlos
Planlos, ratlos, mutlos. Auch nach zwölf Stunden Intensivstation im Kanzleramt – die X-te Ministerpräsidentenkonferenz mit der Kanzlerin – ist das Ergebnis blamabel; und zeigt einmal mehr, dass diese Regierung offensichtlich nicht in der Lage ist, die Pandemie effektiv einzudämmen. Auch der medienwirksam in früher Morgenstunde verordnete harte Lockdown über Ostern wird wahrscheinlich daran genauso wenig ändern wie das Hickhack vor Weihnachten. Kurzum: Weiter keine Perspektiven – weder für Otto und Ottilie Normalverbraucher noch für die vor dem Abgrund stehenden Branchen; ein Armutszeugnis für einen Staat, der einst als Organisationstalent und in Krisenzeiten als Macher mit an erster Stelle in der Welt genannt wurde. Vorbei!
Das Häuflein der Merkel-Crew präsentiert uns seit gut einem (Pandemie-)Jahr Zauderer und Versager. Die Chefin an erster Stelle.
Nur ein Beispiel, in jüngster Zeit immer wieder zu recht genannt: Nach Mallorca dürfen wir problemlos jetten (Malle für alle , wie die Bild treffend titelte), aber die eigenen Inseln oder Berge sind Tabu. Mit Irrsinn ist das nur unzulänglich umschrieben.
Wer denkt sich so einen Blödsinn aus?
Jetzt kann man nur hoffen, dass nicht auch dem letzten, bislang folgsamen Untertan der Kragen platzt und das passiert, was inzwischen täglich auf den Straßen in einigen europäischen Ländern um uns herum passiert: rücksichtslose Gewalt bis zum Terror.
Und so haben „die da oben“ nicht nur die Hoffnung vieler auf Perspektiven aus dieser Pandemie zerstört, sondern sie haben auch (wieder einmal) die Axt an die Wurzeln der Demokratie niederprasseln lassen.
Und dabei hieß es immer: Gerade mit Hilfe der Demokratie und dem entsprechend rechtsstaatlichen Handeln können wir der Pandemie am wirkungsvollsten begegnen. ULRICH JUNG, 23.3.21
Lockdown – rein, raus
Verstört – genervt
Das Wort Lockdown ist mittlerweile im deutschen Sprachschatz etabliert. Vor jeder Kanzlerin/Ministerpräsidenten-Konferenz zum Thema Corona werden ebenso gespannt wie dann letztlich enttäuschend Ergebnisse erwartet. Lokdown hin, Lockdown her, rin in die Kartoffeln, raus aus die Kartoffeln – so geht das schon ein Jahr lang. Und was hat's gebracht? Unterm Strich eigentlich wenig bis nichts.
Die Infektionsfälle steigen mal, mal sinken sie, derzeit steigen sie wieder stark. Und dann der ständig durch alle Medien geisternde Inzidenzwert. Mal 100, mal 50, am besten unter 10. Das Volk ist verstört und genervt. Es hat, wie unlängst der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier so deutlich aussprach: Die Schnauze voll. Und da wird’s gefährlich. Die Demos gegen die Corona-Maßnahmen nehmen zu, sie werden, wie jetzt aktuell in Kassel, immer gewalttätiger – man kennt das aus anderen Ländern in Europa.
In einer Meldung des Nachrichtensenders N-TV heißt es: „Bei einer der größten Kundgebungen in Deutschland seit Jahresbeginn haben sich Anhänger der "Querdenken"-Gruppierung und Polizisten in Kassel zum Teil gewaltsame Auseinandersetzungen geliefert. Die Polizei setzte nach eigenen Angaben Wasserwerfer, Pfefferspray und Schlagstöcke ein, nachdem Einsatzkräfte von Demonstranten angegriffen wurden. Nach Polizeiangaben waren insgesamt mehr als 20.000 Menschen dem Protestaufruf gefolgt. Nur wenige trugen Masken und hielten sich an die Abstandsregeln. Dabei waren die Teilnehmer der "Querdenken"-Demonstration bunt gemischt: Regenbogen-Fahnen wehten neben Flaggen verschiedenster Länder, "Merkel muss weg"-Transparente standen neben "Gegen-Rassismus"-Schildern.“
Natürlich muss die sog. Notbremse gezogen werden, die derzeitigen Zahlen lassen kaum etwas anderes übrig. Obwohl: Schaut man nach Tübingen wo nach Testungen die Bürger shoppen, ins Cafe können usw, dann wäre das ja vielleicht eine Alternative, um langsam ins normale Leben zurückzukehren. Also: Testen, testen, testen, und impfen, impfen, impfen... Genau da aber liegt das Problem: Wir haben weder genügend Testmaterial, noch genug Impfdosen.
Und so kann man den ganzen Schlamassel nur zusammenfassen: Wieder ist es der Staat, der seinen Aufgaben nicht gut genug nachgekommen ist: bei der Beschaffung und Verteilung von Impfstoffen und Tests, beim Schutz der Altenheime, bei der Digitalisierung von Schulen und Gesundheitsämtern, bei der Entwicklung einer funktionierenden Corona-App, bei den Hilfen für die Wirtschaft.
Und es ist zu befürchten, dass sich da in naher Zukunft nichts ändern wird. Jedes Bundesland macht, was es will, die Kanzlerin steht beiseite und hat das Heft nicht in der Hand, die Parteien sind mehr mit dem Bundestagswahlkampf und der Kanzlerkandidatenfrage beschäftigt als mit dem leidigen Corona-Thema. Wenn das mal kein böses Ende nimmt. Krawalle, Gewaltdemonstrationen, Demokratieversagen. ULRICH JUNG, 20.3.2021
Nach den Wahlen
K-Frage aktualisiert
Die Landtagswahlen in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg vom Sonntag und die Kommunalwahlen in Hessen haben in der K-Frage einige Erkenntnisse gebracht. Zwar will niemand der bislang ins Auge Gefassten aus Union und den Grünen die Katze aus dem Sack lassen. Deshalb seien aktuell angepasste Spekulationen gestattet.
Für die SPD soll Olaf Scholz ins Rennen um die Nachfolge von Angela Merkel geschickt werden. Das ist schon vor einiger Zeit beschlossen worden.
In der Union zieren sich noch Armin Laschet (CDU) und Markus Söder (CSU), wer denn nun antreten soll. Zwischen Ostern und Pfingsten wollen sie eine Entscheidung treffen. Laschet, erfolgreicher NRW-Ministerpräsident und seit kurzem eher glückloser CDU-Chef, mag zwar (noch) als potenzieller Kandidat vor allem im mitgliederstärksten westfälischen Landesverband als Favorit gehandelt werden. Er muss aber langsam einmal liefern, wenn ihn nicht ein ähnliches Schicksal wie Martin Schulz (SPD) ereilen soll. Der stürzte bekanntlich nach einer 100-Prozent-Wahl nach kurzer Zeit vom Kanzlerkandidaten-Thron („Ich will Kanzler der Bundesrepublik Deutschland werden“) in die Versenkung.
Selbst in Unionskreisen wäre man dagegen einem Markus Söder nicht abgeneigt. Sein bislang gebetsmühlenartig vorgetragenes „Mein Platz ist in Bayern“ hat man lange nicht mehr gehört.
Interessante Spekulationen lassen die Grünen zu. Nicht erst seit den jüngsten Sonntags-Wahlen steigern sie ihre Werte unaufhaltsam in eigentlich nicht erwartete Höhen. Aber auch sie wollen erst nach Ostern ihren Kandidaten benennen. Ob Annalena Baerbock antritt oder Robert Habeck – beide halten sich für kanzler(in) fähig.
Aber da ist noch jemand, dem nicht nur Grüne das Amt zutrauen: Winfried Kretschmann, Ministerpräsident von Baden-Würrtemberg; zum zweiten Mal soeben grandios wiedergewählt und allseits beliebt; nicht nur im Ländle. Der 72jährige strahlt Seriosität aus, spricht bedächtig, das heißt überlegt, verkörpert mit seinem ganzen Wesen einen Politiker, dem man vertraut, dem man glaubt, was er sagt. Und was er in der letzten Amtsperiode geleistet hat – und seine Zukunftsgedanken – überzeugen nicht nur Alt, sondern auch Jung.
Zusammengefasst: Die Grünen können stolz sein: Sie haben drei in ihren Reihen, die Kanzler könnten. Wer hätte das gedacht...
Übrigens: Kretschmann wäre auch ein hervorragender Bundespräsident. Die Amtszeit von Frank-Walter Steinmeier läuft auch bald ab, und er hat sich noch nicht geäußert, ob er noch einmal antreten will. ULRICH JUNG, 16.3.2021
Maskenskandal
Paukenschlag für die Union
Nach dem Spahn-Hickhack rund ums Impfen jetzt der Paukenschlag: In der Union tummeln sich hemmungslose Geschäftemacher, die an der Lancierung von Aufträgen zur Herstellung und Lieferung von Corona-Schutzmasken zig-Tausende Provision kassierten. Ob nach den bisher bekannten Fällen weitere ans Licht der Öffentlichkeit kommen, ist wohl nicht auszuschließen; zumal die Unionsfraktion alle Unions-Abgeordneten ultimativ auffordert sich zu erklären – ob sie die Hand aufgehalten haben oder nicht.
So etwas hat es in diesem Ausmaß und unter diesen Umständen seit der Kohl'schen Spendenaffäre vor 20 Jahren nicht gegeben. Und das ausgerechnet nur wenige Tage vor wichtigen Landtagswahlen.
CDU/CSU sacken inzwischen in Umfragen bedenklich ab, so dass für den kommenden Sonntag und womöglich darüber hinaus bis zu den Bundestagswahlen im September Schlimmstes zu befürchten ist.
Zuerst reihte sich seit Beginn der Pandemie Peinlichkeit an Peinlichkeit, Versagen an Versagen der Regierungspolitik, ganz besonders durch das Handeln bzw Nichthandeln der Großkopferten aus der Union. Und als ob das noch nicht reichte, setzten ein paar nimmersatte Raffkes noch eins oben drauf. Wie dumm, wie gierig, ja wie blöd muss man eigentlich sein, um zu glauben, dass so ein schändliches Tun nicht öffentlich (gemacht) wird? Die Menschen sorgen sich zunehmend um ihre Gesundheit, ihre Jobs, ihre Familien; und aus der Politik kriechen Gestalten, die ihre Stunde gekommen sehen, kräftig an dem Leid zu verdienen.
Abscheulich!
Am gefährlichsten ist jetzt das geschändete Vertrauen – nicht nur in die Union, sondern in die gesamte Politik. Motto: Die stecken sich doch sowieso alle nur die Taschen voll und tun mit treuem Augenaufschlag gerade in einer Pandemie medienwirksam so, als ob sie sich um nichts anderes kümmerten und sich für nichts anderes rund um die Uhr abrackerten als um das Wohl der Menschen da draußen im Lande.
Im Super-Wahljahr 2021 und wahrscheinlich in den nächsten Monaten, in denen sich entscheiden wird, wie es in der Pandemie weiter gehen soll, geradezu tödlich.
Jetzt ist zu befürchten, dass das Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht ist. Dann freilich erhält, unabhängig von aktuellen Wahlen und Pandemie, die Demokratie heftigste Tiefschläge. Und das ließe Arges befürchten. ULRICH JUNG, 10.3.2021
Pandemie und Perspektiven
Wir haben die Haare schön
Hauptsache, wir haben die Haare schön...
Gastronomen oder Einzelhändler, die es in Sachen Hygiene sich sehr wohl nicht hinter Friseuren verstecken müssen, gucken derweil in die Röhre. Die Wirtschaft geht den Bach 'runter, das Volk steht, immerhin frisch frisiert, staunend, verzweifelt, zunehmend wütend am Rande und wundert sich über die Sprüche neunmal kluger Landespolitiker, die ihr eigenes, mit ein paar Spritzern Wahlkampftunke abgeschmecktes Süppchen kochen (bestes Beispiel: NRW-Ministerpräsident Laschet, der unbedingt Kanzler werden will) und uns das, alle Wochen wieder, als gemeinsames Vorgehen gegen die Pandemie verkaufen.
Vorweg eine Kanzlerin, die offenbar längst Abschied genommen hat und die Ministerpräsidenten machen lässt.
Nach Weihnachten und Neujahr stehen jetzt Ostern und Osterurlaub zur Debatte; mal eben den Inzidenzwert von 50 auf 35 gesenkt, dann wird’s schon klappen mit weiteren Be- und Einschränkungen, mit dem Ewig-Lockdown. Und 35 muss ja nicht das Ende der Fahnenstange sein. Manch einer faselt bereits von Inzidenz 10 oder gleich Null.
Bleibt nur zu hoffen, dass die zunehmend bemerkbare Wut der Leute nicht in Gewalt umschlägt. Einige Nachbarländer haben das schon zu spüren bekommen. Und die Fernsehsender zeigen uns bald täglich, was auch hierzulande blüht.
Ohne Perspektiven auf Erleichterungen, auf ein normales Leben, vor allem auf die Wiederherstellung der Grundrechte wird das Vertrauen in die Politik, in die Entscheider ins Bodenlose sinken.
Mit entsprechenden Folgen letztendlich auch für die Demokratie. UJ 16.2.2021
Gendergerechte Sprache
Bis zum Blödsinn
Gendergerechte Sprache erfreut sich neuerdings vor allem bei öffentlich-rechtlichen Nachrichten-AufsagerInnen (Aufsager...kurze Pause...Innen) zunehmender Beliebtheit. Davon abgesehen, dass es unsere Sprache verhunzt, ergeben sich nicht selten lustige Wendungen; Mitarbeitende, Studierende u.ä. Sind da noch harmlos.
Die FAZ schrieb dieser Tage in einem Bericht übers Gendern von Schauspielenden. Irgendwie grenzwertig.
Wie man es aber auch ins Lächerliche treiben kann, zeigte uns jetzt der ZDF-Wettermann Voß, als er über Spaziergänge im Schnee mit balgenden Hunden meinte, auch die Zweibeiner und Zweibeinerinnen hätten ihren Spaß dabei.
Ist dieser Blödsinn eigentlich bloß Dummheit oder ein doch tiefer Bückling im vorauseilenden Gehorsam gegenüber der sich auch in Deutschland etablierenden „Sprachpolizei“?
Wir dürfen gespannt sein, was beim munteren Gendern noch so alles zum Besten gegeben wird. ULRICH JUNG, 9.2.2021
Privileg für Geimpfte?
Debatte voll entbrannt
Sollten gegen Corona Geimpfte eher wieder ohne Einschränkungen leben dürfen als Nicht-Geimpfte oder Impfverweigerer? Also mit Impfnachweis eher ins Restaurant, ins Fußballstadion oder ins Konzert oder Kino? Oder wäre das Diskriminierung? Gar eine Impfpflicht durch die Hintertür?
Die Diskussion darüber ist jedenfalls voll entbrannt.
Zum einen sind Restaurants, Fußballarenen oder Konzert- und Theatersäle weiterhin gesperrt wie etwa auch große Teile des Einzelhandels; für alle. Und ob ab 15. Februar wieder geöffnet werden darf, steht in den Sternen.
Zum anderen gibt es nach wie vor (und auf Wochen hinaus) zu wenig Impfstoff - somit unterm Strich relativ wenig Geimpfte. Und käme man wirklich auf die Idee, für diejenigen mit Impfnachweis Einschränkungen abzuschaffen, wäre zu allererst ja für jeden, der will, eine Impfmöglichkeit zu schaffen. Außerdem sagen Juristen ganz klar: Wenn genug Impfstoff da ist und jeder sich impfen lassen kann, können privatwirtschaftliche Veranstalter oder Restaurantbesitzer eine Impfung als Voraussetzung für einen Zugang fordern. Der Jurist Steffen Augsberg, Professor für Öffentliches Recht an der Universität Gießen und Mitglied im Deutschen Ethikrat, sieht Veranstalter im Recht, wenn sie bestimmte Gruppen ausschließen. Denn schließlich könne sich eine private Gesellschaft aussuchen, mit wem sie Verträge schließt, wie er dem Justizportal Legal Tribune Online sagte.
Eine andere Frage ist und bleibt in diesem Zusammenhang freilich: Wer darf die jeweiligen Besucher eigentlich kontrollieren? Schlecht vorstellbar, dass in jeder Kneipe, in jedem Restaurant usw. Demnächst Polizeibeamte (nur die hätten ja das Recht zum Kontrollieren) bereit stehen, um sich Impfnachweise zeigen zu lassen.
Wie widersprüchlich auch diese Debatte geführt wird, zeigen zwei Wortmeldungen aus der jüngsten Vergangenheit.
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte sich im Dezember klar gegen ein Sonderrecht für geimpfte Personen ausgesprochen. „Viele warten solidarisch, damit einige als Erste geimpft werden können. Und die noch nicht Geimpften erwarten umgekehrt, dass sich die Geimpften solidarisch gedulden“, sagte Spahn damals. Keiner sollte Sonderrechte einfordern, bis die gesamte Bevölkerung eine Chance zur Impfung hat. „Diese gegenseitige Rücksicht hält uns als Nation zusammen“, so Spahn. Bundessinnenminister Horst Seehofer (CSU) schloss sich Spahn an und warnte vor einer Zwei-Klassen-Gesellschaft zwischen Geimpften und Nicht-Geimpften.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hingegen betonte in einem ARD-Interview, wer eine Impfung ablehne, „kann vielleicht bestimmte Dinge nicht machen“. Es gehe nicht um „Privilegien“, wenn man geimpften Menschen womöglich künftig Zugang zu Kinos oder Restaurants gewähre. „Daran dürfen wir uns nicht gewöhnen, dass das normale Leben, wie wir es kennen mit unseren Freiheiten, das Leben ist, das nicht mehr normal ist.“ Woran die Kanzlerin erinnert: Es ist ein Grundrecht, ohne Corona-Regelungen zu leben – doch muss es aufgrund der Pandemie derzeit massiv eingeschränkt werden.“
Solange Deutschland weiter mit dem Impfstoffproblem zu kämpfen hat, solange wird sich die Diskussion um Impfnachweise und Bevorzugung womöglich gefährlich verschärfen. Auch hier wird Corona am Ende Schäden hinterlassen.
ULRICH JUNG, 3.2.2021
Nach dem CDU-Parteitag
Der Kampf ist eröffnet
Treffender kann man den CDU-Parteitag nicht zusammenfassen: „Laschet siegt. Söder lacht. Spahn patzt. Merz bockt“, dichtete die Bild am Sonntag ihre Schlagzeile auf Seite eins.
Söder lacht - kann er auch, in der Tat. Immerhin sind zwei potentielle Kanzlerkandidaten, vorerst zumindest, abgeschossen. Einer, Spahn, hat das selbst erledigt, indem er in der Fragestunde einen „Werbeblock“ für sich und Kumpel Armin einbaute; die meisten der 1001 Delegierten schüttelten verärgert mit dem Kopf und straften Spahns Dreistigkeit mit dem schlechtesten Ergebnis für die fünf Vorstand-Stellvertreter ab.
Merz verlor, wie damals schon gegen Annegret Kramp-Karrenbauer, krachend die Wahl zum Parteivorsitzenden. Dass er anschließend forderte, doch, bitteschön sofort, als Wirtschaftsminister ins aktuelle Merkel-Kabinett einzusteigen, war nicht nur an Lächerlichkeit kaum noch zu überbieten, sondern zeigte einmal mehr den wahren Charakter des Sauerländers, der sich für höchste Ämter, incl. Kanzler, hervorragend geeignet sieht.
Armin Laschet hat es also, wenn es wahrscheinlich im März um die K-Frage geht, nur noch mit einem Gegner zu tun. Und ob sich der neue CDU-Chef und der bayerische Ministerpräsident wirklich, wie beide verkündeten, freundschaftlich auf den chancenreichsten Kandidaten einigen werden, bleibt erst einmal abzuwarten. Laschet wird man das Versprechen abnehmen. Ob aber der ehrgeizige Bayer im Fall des Falles zurücksteckt, bleibt erst einmal abzuwarten.
Der Kampf um die Merkel-Nachfolge ist jedenfalls eröffnet. ULRICH JUNG, 7.1.2021
Laschet CDU-Chef
Noch mancher Zündstoff
Die Wahl Laschets zum CDU-Parteichef hat nicht überrascht, obwohl sich der nordrhein-westfälische Ministerpräsident in jüngster Zeit z.B. in der Corona-Krise nicht gerade mit Ruhm bekleckert hat. Auch sonst ist der etwas behäbige, von jeglicher Hektik weit entfernte und eher onkelhaft wirkende Laschet nicht eben das Abbild eines dynamischen, an Ideen für die Zukunft sprudelnden Parteimanagers, wie er gerade in Zeiten wie diese gebraucht würde. Aber die Mehrheit der Delegierten hat (vorbehaltlich der jetzt folgenden Briefwahl) nun einmal so entschieden; manche sagen: entgegen dem Willen der Parteibasis. Umfragen bestätigen das.
Nun wird man sehen, ob er seiner teilweise recht schwülstigen, sehr emotionalen Bewerbungsrede Taten folgen lässt. In NRW hat er immerhin gezeigt, wie man gut regiert. Das und auch seine die Menschen umarmende Art dürften wohl letztendlich auch den Ausschlag für seinen Wahlsieg gegeben haben.
Wer allerdings glaubt, ab jetzt gäbe es in der Union wieder Friede, Freude, Eierkuchen, dürfte wahrscheinlich irren. Denn der nächste Schritt, die Antwort auf die K-Frage, birgt so manchen Zündstoff. Der CDU-Fraktionsvorsitzende Brinkhaus fasste es kürzlich so zusammen: Der CDU-Chef sei nicht automatisch Kanzlerkandidat der Union.
Da steht Laschet die erste Bewährungsprobe bevor. Berlin und die CDU in der Hauptstadt sind ein heißeres Pflaster als in Düsseldorf.
Der Spekulation sind in den nächsten Monaten, imSuper-Wahljahr, jedenfalls Tür und Tor weit geöffnet. Ginge es nach den Bürgerinnen und Bürgern, führt Bayerns Ministerpräsident Söder mit Abstand ganz oben die mögliche Kandidatenliste an. Und dass er es mit seinem gebetsmühlenartig vorgetragenen Spruch, „mein Platz ist in Bayern“, nicht ganz so ernst meint, davon darf man ausgehen. Spätestens, wenn er seine Chance erkennt oder die CDU ihn vielleicht sogar ruft, wird er den Schritt aus Bayern nach Berlin wagen.
Die CDU hat also einen neuen Vorsitzenden. Das Problem immerhin ist gelöst. Aber 2021 hat, auch politisch gesehen, gerade erst begonnen.
ULRICH JUNG 16.1.2021
Impfpflicht fürs Pflegepersonal?
Sie waren Helden
Wir erinnern uns: Beim ersten Lockdown wurden sie als Helden beklatscht und gelobt, die Pfleger und Pflegerinnen in Krankenhäusern, Alten- und Pflegeheimen. Von höchster Stelle incl. Kanzlerin tönte ihnen immer wieder Dank und Anerkennung entgegen. Nicht zuletzt das Fernsehen brachte bald täglich Szenen von sich für Kranke aufopfernden Frauen und Männern, die immer und immer wieder mit dem Tod auf Intensivstationen konfrontiert wurden. Die öffentliche Dankbarkeit kannte keine Grenzen. Wer so verantwortungsvoll, selbstlos und ohne auf die Uhr zu gucken bis zur Erschöpfung höchste Solidarität praktizierte, der durfte sich als außergewöhnlich feiern lassen.
Das war auch gut so und rührte völlig zu recht die Menschen, die hoff(t)en, der Pandemie zu entkommen.
Und jetzt?
Mancher wird sich fragen, wo Verantwortung und Solidarität geblieben sind. Seit berichtet wird, dass sich viele, zu viele der Pflegerinnen und Pfleger weigern, sich impfen zu lassen, ist diese Frage berechtigt. Ausgerechnet das Personal, dem unsere Alten und Kranken, mithin die Hilflosen anvertraut sind, gehen sehenden Auges das Risiko ein, Menschen zu gefährden, ja, in Todesgefahr zu bringen.
Helden?
Und in Deutschland wird wieder mal heftig diskutiert: Soll für diese Berufsgruppe eine Impfpflicht eingeführt werden oder nicht?
Vor Angst, dass sich das eh aufs Minimum dezimierte Personal wegen „Zwangmaßnahmen“ noch mehr verringert, wird die Politik sich wohl nicht trauen. Dass es eigentlich überhaupt eine Impfpflicht braucht, um unsere Alten und Kranken zu schützen, lässt einen irritiert zurück.
ULRICH JUNG 13.1.2021
Außenminister Maas
Nachhilfe für USA
Wie peinlich. „Wir sind bereit, mit den USA an einem gemeinsamen Marshallplan für die Demokratie zu arbeiten.“ O-Ton Außenminister Heiko Maas nach dem Sturm aufs Kapitol in Washington.
Ausgerechnet ein quasi Erste-Hilfe-Angebot an die USA, an die auch mit und trotz Trump immerhin größte Demokratie der Welt. Und das von einem deutschen Außenminister. Am deutschen Wesen soll die Welt genesen...
Zur Erinnerung: Der Marshallplan war ein wirtschaftliches Wiederaufbauprogramm der USA für Staaten Europas nach dem Zweiten Weltkrieg. Die Bundesrepublik Deutschland hatte davon besonders profitiert.
Kein Wunder, dass es reichlich Spott für den Vorschlag hagelte. Ein Ausdruck von „Größenwahn“, hieß es u.a. im Netz, „ausgerechnet Deutschland will den USA Demokratie beibringen“, schrieb eine Twitter-Nutzerin. Andere verwiesen darauf, dass der Vorstoß anmaßend sei und Deutschland sich doch lieber um die Demokratie und Meinungsfreiheit im eigenen Lande kümmern solle.
Das dürfte einem deutschen Außenminister eigentlich nicht passieren.
Aber nicht nur in Sachen Demokratie meint Deutschland, Ratschläge verteilen zu müssen. Ob Flüchtlingspolitik oder das Rundrum-Wohlsein in Europa - Deutschland vorn. Nur, wenn’s wirklich drauf ankommt, liegt Deutschland hinten. Zum Beispiel in der augenblicklichen Corona-Impf-Situation. Wie immer: Laute Töne, wenig bis nichts dahinter...
Etwas leiser, dafür überlegter und effektiver handeln, wirklich zum Wohle des Landes - und nicht immer nur an die nächsten Wahlen denken, das wünschte man sich für 2021.
Wahrscheinlich, nein sicher: vergeblich! U.J. 11.1. 2021
Sturm aufs Kapitol
Brandstifter Trump
Leichen pflastern seinen Weg aus dem Weißen Haus. Seine Hinterlassenschaft: Eine beschädigte amerikanische Demokratie, ein tief gespaltenes Land.
Ein blindwütiger, vom Präsidenten selbst aufgewiegelter und von Sicherheitskräften nicht aufgehaltener Mob stürmt das Kapitol; unglaubliche Bilder, die die Welt erschüttern. Wahrlich der schrecklichste Höhepunkt der Trumpschen Regentschaft und ein trauriger Tag für Amerika, ein trauriger von so vielen, seit der Möchtegern-Präsident den mächtigsten Staat der Welt geradezu besessen ins Unheil lenkte.
Wer stoppt endlich diesen Brandstifter?
Vier lange Jahre brachte er Unheil übers Land und schockte nicht nur die Verbündeten; allen voran die Bundesrepublik Deutschland. Europas Feinde der Demokratie frohlockten, sahen sie doch in Trump eine Art Heilsbringer. Dass sein ganzes Handeln auf dreisten Lügen, krankhaftem Egoismus und gnadenloser Ignoranz aufgebaut war, mochte man nicht erkennen - bzw. all’ das passte perfekt ins eigene Bild von „Demokratie“. Russland und China lachten und lachen sich ins Fäustchen.
Jetzt - endlich möchte man ausrufen - suchen Abgeordnete und Kabinettsmitglieder nach einem Weg, Trump für unzurechnungsfähig erklären zu lassen und aus dem Amt zu jagen. Was theoretisch machbar wäre, aber praktisch wohl nicht durchgezogen wird.
Die paar Tage bis zum Regierungswechsel, so mag man meinen, wird das Land noch durchhalten. Wohl wahr. Aber nach den Erlebnissen der vergangenen vier Jahre bleibt abzuwarten, was Trump bis dahin noch alles einfällt, um sich unvergesslich zu machen.
Dennoch: Der Blick geht in die Zukunft. Die Hoffnung liegt jetzt auf Jo Biden, auf dass er Amerika „heilt“, die Trump-Trümmer beiseite räumt und wieder zusammenführt, was innenpolitisch auseinandergedriftet ist. Eine Mamutaufgabe, für die man dem Neuen nur alles Gute wünscht - im Sinne Amerikas aber auch zum Wohl der ganzen Welt. ULRICH JUNG 8.1.2021
Weihnachten und Corona
War gar nicht so schlimm
Und, war es wirklich so schlimm, wie uns die Vorhersager*innen in den Medien wochenlang zu jeder Tages- und Abendzeit ankündigten? Weihnachten ohne den üblichen Rummel, am besten ohne Opa und Oma, ohne Freunde und *innen (ohne den Familienkrach, wie ihn viele ja nun einmal kennen, wenn’s Christkind gekommen ist)?
Oder war die stille Nacht eine wirklich stille, eine wirklich besinnliche, nachdenkliche?
Wenn man sich nach den Weihnachtstagen umhört, ist wenig die Rede von Pandemie bedingter Enthaltsamkeit die Rede, sondern eher ein erleichtertes Aufatmen so unter dem Motto: War doch auch so schön. Kein Stress, kein Stau, kein Gehetze. Kein Virus. Wer konnte, machte es wie die Politiker neuerdings und kontaktierte die Familie per Computer und Skype. Erstaunlich, was diese Technik heutzutage alles kann. Mit der kommen auch Opa und Oma problemlos zurecht, wenn man es ihnen zeigt.
Dieses Weihnachten war in der Tat ein anderes, als wir es kennen. Natürlich werden auch viele das Zusammensein, die Umarmung, das Wiedersehen nach langer Zeit usw vermisst haben. Aber ein ruhiges Gewissen, eben nicht dazu beigetragen zu haben, dass ein Familienmitglied womöglich das nächste, hoffentlich coronafreie Weihnachten nicht mehr, oder nicht mehr gesund erlebt, erleichterte die Entscheidung, zu Hause zu bleiben und im engsten Familienkreis zu feiern.
Es ging, werden auch Skeptiker zugeben, erstaunlich gut.
Wenn es jetzt noch zu Silvester klappt ohne Böllern und Ballern und Partymachen, dann können wir auf 2021 hoffen. Immerhin gab es ja pünktlich zum Jahresende 2020 die gute, ersehnte Nachricht: Der Impfstoff ist da. Gott und den Forschern sei Dank.
Sommersonne, Strand und Reisen, vielleicht klappt’s ja. Vorsichtig drauf freuen dürfen wir uns. U.J. 27.12.2020
Impfverweigerer
Mutige Aussage
Eine ebenso mutige wie beachtenswerte Aussage, vor allem, weil sie von einem Mitglied des Ethikrats der Bundesregierung kommt: Der Humangenetiker Wolfram Henn, Professor an der Universität des Saarlandes, fordert in einem Brandbrief Verweigerer einer Corona-Impfung dazu auf, auch auf Notfallmaßnahmen im Krankheitsfall zu verzichten. „Wer partout das Impfen verweigern will, der sollte, bitte schön, auch ständig ein Dokument bei sich tragen mit der Aufschrift: Ich will nicht geimpft werden! Ich will den Schutz vor der Krankheit anderen überlassen! Ich will, wenn ich krank werde, mein Intensivbett und mein Beatmungsgerät anderen überlassen“, zitiert die „Bild-Zeitung“ den 59-Jährigen.
Bravo!
Beobachtet man das Geschehen etwa in Leipzig, wo trotz der stetig steigenden Horrorzahlen Impfgegner, „Querdenker“ und Coronaleugner weiter Zoff machen und damit Menschen gefährden, dann kann man wohl Henn nur dankbar applaudieren. Viele werden im Innersten längst ebenso denken wie er.
Ähnlich sieht es auch der Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft, Michael Hüther, der im Handelsblatt klar Konsequenzen für Gegner einer Corona-Impfung fordert. „Zu prüfen wäre daher, ob Impfverweigerer wegen der aus ihrem Verhalten resultierenden externen Effekte dadurch sanktioniert werden können, dass bei ihnen kein Versicherungsschutz im Falle einer Covid-19-Erkrankung besteht“. Das sei zwar eine teilweise Abkehr des Solidarprinzips. Dem stehe aber das Schutzinteresse der Solidargemeinschaft vor übergebührlicher Inanspruchnahme entgegen.
So ist es. Aber es ist zu befürchten, dass Appelle und Rufe zumindest so lange an den Unbelehrbaren und Spinnern abprallen, wie sie nicht nach Luft schnappend ein Beatmungsgerät benötigen. Und es werden wahrscheinlich auch schnell in der Politik die üblich Verdächtigen mit irgendwelchen Gesetzen wedeln, die Sanktionen so wie gefordert nicht zulassen. ULRICH JUNG, 19.12.2020
„Querdenker“ erwischt
Jetzt besser nachdenken
Jetzt soll das Corona-Virus auch einen sog. „Querdenker“ erwischt haben. Einer ihrer bekannten Köpfe musste acht Tage nach einer Demonstration der Corona-Leugner in Leipzig wegen eines schweren Verlaufs von Covid-19 künstlich beatmet werden, so Prof. Christoph Josten, Medizinischer Vorstand des Uniklinikums Leipzig. „Das Virus nimmt keine Rücksicht auf die Menschen, egal wer sie sind“, kommentierte der Mediziner auf der Sächsischen Landespressekonferenz.
Natürlich ist Schadenfreude nicht angebracht, schließlich geht es um Menschenleben. Zu hoffen bleibt, dass auch er den Corona-Angriff übersteht und keine schlimmen Folgeerkrankungen zurückbleiben.
Zu hoffen ist freilich auch, dass er und seine Mitläufer vielleicht nach dieser Erfahrung künftig weniger quer- und dafür mehr nachdenken. Dann hätte zumindest dieser Covid-19-Fall etwas Positives.
ULRICH JUNG, 11.12.2020
Harter Lockdown - Ja, aber wann?
Mitschuld
Harter Lockdown - vor oder nach Weihnachten; oder erst nach Silvester? Dass er kommen wird, ist nach den jüngsten Aussagen der Landespolitiker sicher. Nur über das Wann wird verhandelt uns spekuliert - mit unterschiedlichen Argumenten. Also geht alles wieder in Richtung Flickenteppich?
Dabei sprechen die Horrorzahlen eigentlich für sich. Und man sitzt derweil vor dem Fernseher und verzweifelt geradezu daran, wie im Angesicht der trotz „halbem Lockdown“ immer mehr Toten und Intensivpatienten erneut offensichtlich Zeit verschwendet wird mit endlosem Palaver.
Nein! Nicht nach Weihnachten oder noch schlimmer nach Neujahr, sondern sofort gehört das öffentliche Leben herunter gefahren. Oder wollen die Politiker ernsthaft gegen besseres Wissen Tod und schwere Krankheiten riskieren, um, bei wem auch immer, Pluspunkte einzusammeln oder schlicht aus Feigheit die kippende Stimmung in der Bevölkerung zu beschwichtigen? Da sollten sie sich einmal die neusten Umfragewerte anschauen, die glasklar verdeutlichen, dass die Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger (die ja letztlich auch Wähler und Wählerinnen sind) für eine harte Verschärfung der Einschränkungen plädieren.
Wenn jetzt nicht sofort gehandelt wird, macht sich die Politik mitschuldig an womöglich zig Toten und unsagbar Leidenden in Intensivbetten.
Richtig ist: Wir alle haben es in der Hand, so hört man es ja tagtäglich besonders laut aus den politischen Lautsprechern, mit den bekannten Regeln (Stichwort Kontakt-Reduktionen) Corona paroli zu bieten und somit auch unsere Mitmenschen zu schützen.
Wir alle - dazu zählen natürlich auch und ganz besonders die Politiker, die an den Schalthebeln in Berlin und in den Ländern sitzen.
ULRICH JUNG, 10.12.2020
Corona und Weihnachten
Vor allem Glühwein?
Die Kanzlerin hat völlig recht: „Es wird zu viel über Glühweinstände gesprochen und zu wenig über die Krankenschwestern in den Intensivstationen,“ das sagte Angela Merkel jetzt in einer Sitzung der Unionsfraktion. Wenn man sich die jüngsten Argumentationen aus verschiedenen Bundesländern anhört, gibt es offensichtlich tatsächlich nichts Wichtigeres als die Rettung deutscher Weihnachtsseligkeit - insbesondere Weihnachtsmärkte (mit den unendlichen seichten Gesangsschleifen) und lecker Glühwein. Und natürlich Oma und Opa und Enkelchen.
Alles gut, alles unter bestimmten Voraussetzungen nachvollziehbar. Aber sieht Weihnachten und die Adventszeit zuvor nicht doch ein wenig anders aus? Der Weihnachtsstress, der uns alle Jahre wieder quält, von dem so getan und medienwirksam erzählt wird, dass es ohne ihn nicht mehr geht, dass er quasi weihnachtsbedingt alternativlos auf die gute deutsche Weihnacht zuzukommen hat. Und nach dem Fest die alljährlichen Berichte von heftigsten Streitigkeiten in vielen Familien, Meckereien übers misslungene Gansessen, giftige Anwürfe ja auch gegen Oma und Opa, Mord und Totschlag inklusive?
Machen wir uns also nichts vor. Lassen wir uns auch nichts vormachen. Ein wirklich ruhiges und stressloses, im allerengsten Familiekreis gefeiertes Weihnachten kann natürlich auch fröhlich sein, zumutbar ist es allemal; zumal vor dem Gedanken, dass Oma und Opa im nächsten Jahr hoffentlich gesund wieder dabei sein können, dass Freunde und Nachbarn und alle anderen Kontakte gefahrlos ebenfalls unbeschädigt vom verdammten Virus durch die Feiertage kommen. Und außerdem: Mit den heutigen Techniken kann man die gesamte Familie am Computer zusammenrufen; zumindest ein kleiner Trost. Oma und Opa schaffen das in sehr vielen Fällen problemlos und kommunizieren längst so mit ihren Familien.
Ist das nicht wichtiger, ein dem Sinn des Weihnachtsfestes mehr entsprechendes Verhalten als Glühwein trinken auf Weihnachtsmärkten, die, bei genauem Hinschauen, meist eh nicht sehr viel mehr bieten als Glühwein, Bratwurst und Zuckerwatte? Und quälende Weihnachtslied-Schleifen?
Dieses Jahr können wir mit ein bisschen guten Willen und Rücksichtnahme Weihnachten „lernen“, wie es früher, ganz früher, wie „die Alten sungen“ einmal war. Mit Sicherheit nicht der schlechteste Weg.
Nebenbei. Warum nicht sofort auf den harten Lockdown umschwenken, nicht erst nach Weihnachten. So könnte man doch vielleicht etliche Tote verhindern. ULRICH JUNG 09.12.2020
Die Grünen und die Bundeswehr
Überraschende Töne
Überraschende Töne: Die Chefin der einstigen Pazifisten-Partei Annalena Baerbock prescht vor und fordert mehr Geld für die deutsche Armee. Das lässt aufhorchen, denn die Grünen gaben sich beim Thema Verteidigung traditionell sehr zurückhaltend.
Die Grünen- Vorsitzende hat sich nun offen dafür gezeigt, über höhere Ausgaben für Verteidigung und Bundeswehr nachzudenken: „Es fehlen Nachtsichtgeräte zum Üben, von Flugstunden ganz zu schweigen. Wir müssen uns da ehrlich machen. Ja, in manchen Bereichen muss man mehr investieren, damit Gewehre schießen und Nachtsichtgeräte funktionieren“, sagte Baerbock der „Süddeutschen Zeitung“ (SZ).
Will sie so schon einmal in Richtung CDU/CSU Signale setzen für eine mögliche Koalition im nächsten Jahr?
Wohl nicht unwahrscheinlich. Denn für den Fall einer grünen Regierungsbeteiligung kündigte Baerbock Gespräche mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron an, auch über robuste europäische Militäreinsätze. „Einfach wird das nicht. Aber wir dürfen uns nicht wegducken“, sagte sie der SZ.
Recht hat sie ja allemal. Ob freilich die Basis mitspielt, sei einmal dahingestellt. Andererseits könnte Baerbocks Schritt in die Realität auch den einen oder anderen bislang an den Grünen zweifelnden Unions- oder SPD-Wähler zumindest ins Nachdenken bringen, ob denn schwarz/grün nicht doch die bessere Alternative wäre zu anderen Konstellationen; falls überhaupt nach der Bundeswahl andere Mehrheiten zusammenkämen. ULRICH JUNG 30.11.2020
Weihnachtsstress
Stille Zeiten?
J etzt wird uns wieder gesagt, dass wir (gefälligst) Weihnachtsstress haben; hektisches Einkaufen, Jagd auf Geschenke für die Lieben, Stöhnen und Jammern allenthalben. Adventszeit ist, und damit gilt selbst auch in den eigentlich stillen Corona-Zeiten der Startschuss zum alljährlichen, sorgfältig von der Geschäftswelt mit dankbarer Hilfe der Medien hochgeblasenen Konsumterror. Und, sind wir ehrlich, die meisten fallen drauf ‘rein. Wie immer, alle Jahre wieder.
Stille Coronazeiten? Nicht doch. Gerade jetzt, so erzählt man uns eindringlich, müssen wir doch in Familie machen, wenigstens auf Basis der z.T. immer unverständlicher, unlogischer werdenden Corona-Vorschriften.
Also: Erst einmal in der Kälte Schlange stehen, weil ja nur ein paar durchgezählte Käufer eingelassen werden, dann schnell kaufen und ab ins warme Heim.
Weihnachten kann kommen; vielleicht sollte man überlegen - den Zahlen-Vorschriften genügend - Familie und/oder Freundeskreis aufgeteilt in maximal Zehnergruppen, je nach Bundesland auch in Fünferpaketen, unterm Weihnachtsbaum zu empfangen und zu beschenken. Eine nach dem Weihnachtseinkauf- und Kochstress neue Denkvariante, die zusätzlich stresst und womöglich Feindschaften gebiert. Ach ja: Hat man uns in den vergangenen Jahrzehnten nicht immer erzählt, dass gerade zu Weihnachten Familienstreitigkeiten mehr oder weniger an der Tagesordnung waren?
Warum also die schreckliche Coronazeit nicht einfach nutzen, und in Ruhe das Fest feiern? Vielleicht auch mit modernen Techniken wie Videoschalten u.ä. Oma und Opa beispielesweise können damit besser umgehen als manche glauben. Und die Geschenkorgie (die plötzlich mehr denn je als die Weihnacht im ursprünglichen Sinn bejubelt wird; klar, es geht ja hauptsächlich um Umsätze...) aufs nächste Frühjahr verschieben, oder auf den Sommer. Da spricht eigentlich nichts dagegen. Geschenke nimmt man doch immer gerne... ULRICH JUNG 28.11.2020
Das war 2020
Jahr fürs Geschichtsbuch
Was für ein Jahr. Mit Sicherheit eins, das in die Geschichtsbücher der nächsten Generationen eingehen wird. Nicht, weil es so besonders schön, toll, lebenswert war, sondern weil es seines gleichen sucht. Wobei eigentlich nur zwei Themen – und das waren (und sie sind es teilweise noch) geschichtsbuchträchtige: Trump, der irre US-Präsident und seine verstörenden Eskapaden, die einen gewissen Lauf der Welt bestimmten, irritierten und gefährdeten. Und Corona, eine Apokalypse, wie wir sie uns nicht einmal in Alpträumen vorstellen konnten, die unser ach so freies Leben an manchen Stellen arg demolierte.
Und immer noch, wahrscheinlich etwas länger als befürchtet, demoliert. Die Klopapier knapp werden ließ; die volle Stadien beim Fußball verhinderte (und verhindert), die Urlaube ins Wasser fallen ließ (und lässt); die Partys verbot (und verbietet).
Zeigen die vier Punkte wirklich, was uns Deutschen wichtig ist? Das wäre wohl armselig!
Seit dem 2. Weltkrieg, so sagt man, durchleben wir eine unvergleichbare Herausforderung, auch eine brisant politische, weil tief in Grundrechte z.T. ohne Zustimmung des Parlaments eingegriffen wurde. Proteste gegen die strengen Maßnahmen wurden immer lauter, Rechtsradikale, Coronaleugner und andere Spinner nutz(t)en die Situation aus und trampelten demokratische Grundwerte nieder. Die viel beschworene Rücksicht und Solidarität fand dann immer wieder Grenzen – mit letztendlich verheerenden Auswirkungen.
Die Pandemie legte allerdings auch manche Hilflosigkeit offen, mit der unsere politische Elite durch die Krise lavierte. Die Uneinigkeit zwischen den Länderregierungen, der Flickenteppich von Vorschriften und Empfehlungen, wie sich denn die Bürger zu verhalten haben, schufen nicht unbedingt Vertrauen in Merkel und Co. Im Gegenteil.
Immerhin gab und gibt auch Positives Hoffnung auf eine wieder angenehmere Zukunft: Wir haben die besten Wissenschaftler der Welt, die uns in einer wohl nie dagewesenen Geschwindigkeit einen Impfstoff liefern. Also vielleicht doch bald ein Ende mit Schrecken…
Trump und Corona – manchmal bekamen wir gar nicht mehr mit, was auch noch um uns herum, was auch noch in der Welt geschah. Die Krankheit Trump und die Krankheit Corona bestimmten die Schlagzeilen und die Diskussionen überall – zu Hause, unter Freunden, so sie man noch treffen konnte, am Arbeitsplatz, in Rundfunk und Fernsehen. Wer freilich etwas genauer hinschaute oder aufmerksamer die Presse verfolgte, der konnte zur Kenntnis nehmen, dass überall auf dem Globus Kriege, Revolutionen, brutale Demonstrationen viele Länder mehr beschäftigten als Trump und Corona. Die Flüchtlinge, ihr Sterben auf hoher See oder ihr Hinvegetieren in sog. Auffangslagern nicht zu vergessen. Die Themen werden nach Corona noch die Menschheit beschäftigen – falls nicht ein neues Virus, wie manche ja vorhersehen, uns niederkämpft.
Aber das alles beschäftigte die öffentliche und veröffentliche Meinung weniger als das Virus, das Wirtschaft, Menschenleben natürlich, Traditionen – die Gesellschaft mithin – bedrohte und beschädigte.
Großes Interesse fand dann gegen Jahresende der Tod Diego Maradonas, Fußballgott, der die Hand Gottes „benutzte“, um Weltmeister zu werden. Nun gut, nun ist er in er Hand Gottes – wie viele Promis und die in diesen Status Erhobene mit ihm.
Weg vom Negativen, das Positive – wenn vielleicht im nächsten Sommer wieder der Strand wo auch immer lockt, die Berge, der Wald -, darauf sollten wir uns freuen. Wie sagte doch so richtig einstmals ein Trainer der Frankfurter Fußballmannschaft: Lebbe geht weider…Man kann hinnzufügen: Es kann nur besser werden. Hoffentlich! 27.11.2020 ULRICH JUNG
Lockdown zwei
Nichts gelernt
Der neuerliche Lockdown bringt manchen Krampf zu Tage. Zum Beispiel: Kinder dürfen nicht zu Ehren von St. Martin ihren traditionellen Umzug starten. Pandemie, Ansteckungsgefahr – nichts da mit Laternen und Gesang. Verboten.
Nebenbei: Tagsüber sitzen sie in Kitas und Schulen eng beieinander oder drängeln sich in Schulbussen. Erlaubt.
Eine Massendemo von "Querdenkern", wie die jetzt in Leipzig, wo zig Tausende meist ohne Maske und schon gar nicht mit Abstand auf die Straße zogen, wird höchstrichterlich genehmigt. Am Ende wird, wieder einmal, die Polizei vor allem in den so genannten sozialen Medien angegangen, weil sie nicht konsequent eingegriffen habe. Hätte sie strikt durchgegriffen, wäre es zu einem noch größeren Chaos gekommen; mit entsprechenden Reaktionen.
Muss man das verstehen?
Muss man solche Entscheidungen, die in der auch kritischen Öffentlichkeit Kopfschütteln hervorrufen verstehen?
Am Ende stellt man sich die Frage: Ist das Hilflosigkeit der politischen und juristischen Entscheider? Ist das Feigheit vor aufgebrachten Corona-Leugnern oder ähnlich gelagerten Spinnern?
Es heißt seit Beginn der Pandemie richtigerweise immer wieder: Den Menschen muss erklärt werden, warum welche Maßnahme ergriffen wird, um die Folgen einzudämmen. Die meisten sind ja auch bereit, selbst harte Einschränkungen zu akzeptieren, wie Umfragen immer wieder bestätigen.
Wenn freilich hanebüchene Entscheidungen wie oben erwähnt auch den letzten Gutwilligen ins Zweifeln bringen, bröckelt irgendwann die Einsicht. Mit „Dumm-gelaufen“ ist es dann nicht mehr getan.
Eigentlich hätte man davon ausgehen können, dass nicht nur die Wissenschaft, sondern auch die Politik aus dem Lockdown Nr. 1 gelernt hat.
Leider sieht es nicht immer danach aus. U.J. 11.11.2020
US-Wahlk(r)ampf
Hoffnung liegt auf Joe Biden
Der US-Wahl(r)ampf war ja schon – aus deutscher Sicht zumindest – unerträglich, grenzwertig, einer Weltmacht und einer einstmals hochgeschätzten Vorzeigedemokratie absolut unwürdig. Geschuldet einem einzigen Mann, und das war (und ist noch) der amerikanische Präsident Donald Trump.
Und was in den letzten Tagen bald stündlich noch an Steigerungen geboten wurde; fast möchte man sarkastisch formulieren: eben, ein Land der unbegrenzten Möglichkeiten. In Worte zu fassen sind die Trump’schen Auftritte längst nicht mehr. Das könnten allenfalls Psychiater.
Spannung in einem Wahlkampf sieht auch anders aus. Jetzt wird es jede Stunde mehr höchstens peinlich, höflich ausgedrückt.
Dass so ein Mensch seine Legislaturperiode tatsächlich überstanden hat und immer noch von großen Teilen der amerikanischen Bevölkerung nicht nur geduldet, sondern geradezu verehrt wird, sagt viel über das Land nach den Trump-Jahren.
Er hat es geschafft, die Vereinigten Staaten tiefer zu spalten, als sie vorher schon gespalten waren. Er hat die Demokratie massiv beschädigt, indem er sie als oberster Repräsentant schlichtweg verachtet(e). Er hat die Weltgemeinschaft, gelinde gesagt, verunsichert. Er steht, und das ist das Schlimmste, auf der selben Stufe mit den anderen Demokratie-Verächtern wie vor allem Putin und Erdogan.
Das alles wieder zu richten, hat der nächste Präsident Joe Biden viel, sehr viel zu tun. Die Beschädigungen, die sein Vorgänger angerichtet hat, erfordern innen- wie außenpolitisches Fingerspitzengefühl. Ob er das hat, werden die nächsten Monate zeigen.
Immerhin: Die demokratische Welt darf wieder hoffen. ULRICH JUNG
7. 11. 2020Lockdown zwei
Sinnvoll oder realitätsfern?
„Lockdown zwei“. Sinnvoll oder realitätsfern?
Haben diejenigen recht, die Zu- und Absperrungen, ein Quasi-Stilllegen des gesellschaftlichen Lebens in Zeiten wieder stark ansteigender Ansteckungszahlen als einzige (alternativlose) Maßnahme erachten; oder doch vielleicht jene, u.a. anerkannte Virologen und Fachärzte, die die jüngsten „Wellenbrecher“-Entscheidungen für übertrieben und nicht zielführend halten?
Man weiß es nicht; niemand weiß das. Niemand weiß letztendlich, wie dieses Virus reagiert, oder was es davon abhalten kann, zu reagieren.
Sicher ist nachvollziehbar, dass „Lockdown eins“ die Infektionszahlen heruntergebracht hat. Viele, zu viele glaubten dann allerdings nach quälenden Monaten im Sommer: Das war’s. Leben geht weiter. Party, Urlaub, Fußball – die drei Säulen offenbar typischen Lebens hierzulande, schienen wieder machbar.
Waren sie aber nicht. Im Gegenteil.
Und eh wenigstens die meisten begriffen, dass es eben nicht machbar war und ist, schlug das Virus brutal zu.
Heute rückt wieder, salopp gesagt, Klopapier in den Focus (hatten wir auch schon).
Und nun steh’n wir da, wo wir im März schon standen. Und machen wieder dicht, z.B. die Kneipen, Hotels. Schulen und Kitas aber nicht (noch nicht). Das traut man sich nicht, oder hat wenigstens hier eingesehen, dass es wenig bis nichts bringt.
Nun darf man auf Gerichtsentscheidungen gespannt sein, ob letztendlich Beherbergungsverbote oder Kneipen- und Restaurant-Schließungen bestand haben.
Der Corona-Herbst und –Winter werden spannend – politisch und gesellschaftlich. Man wird sehen, wo und wie sich die Geister scheiden und was am Ende dabei herauskommt. UJ 29.10.2020
CDU-Bundesparteitag verschoben
Merz tobt
Friedrich Merz ist sauer. Kann man irgendwie verstehen. In den Umfragewerten sowohl in seiner Partei wie auch beim „Volk“ derzeit mit riesigem Abstand Nummer 1 vor Laschet und Röttgen, und dann wird der Parteitag abgesagt und aufs nächste Jahr verschoben. Bis dahin kann noch viel passieren – z.B. in Sachen Corona und anderen Entscheidungen, für die Merz, weil quasi ohne öffentliches Amt, im geneigten Wahl-Publikum, sprich: bei den Delegierten nicht so auffällig agieren kann wie etwa Laschet, der als NRW-Ministerpräsident an wichtigen politischen Schalthebeln sitzt. (Röttgen mal außen vorgelassen; über den redet eh keiner mehr). Im Endeffekt kann das Merz wichtige Stimmen kosten – aus dem Fernsehen, aus dem Sinn…
Mag ja sein, dass vorstandswahlstrategische Machtspielchen hinter der Parteitagsentscheidung stecken, mit denen Merz seit Tagen durch die Medien tobt. Unlogisch ist seine Argumentation in der Tat nicht; dafür reicht allein ein Blick auf die Umfragewerte für Laschet, der, wie man munkelt, unbedingt auf die Verschiebung des Parteitags drängte, um sich weiter als Krisenmanager profilieren zu können, um endlich wieder in die erste Reihe der Bewerber vor zu rücken.
Und doch hat sich Merz mit seinen emotionalen, ja, auch arroganten Auftritten keinen Gefallen getan. Jemand, der die Partei einen und dann noch Kanzler werden will, geht nicht so undiplomatisch mit der verbalen Brechstange vor und präsentiert für alle sichtbar seine verletzte Eitelkeit. Souverän ist das nicht. Eher peinlich. Und es passt eigentlich überhaupt nicht in das Bild des scharfsinnigen Redners, des hervorragenden Wirtschaftsexperten, des Politprofis, wie man ihn bislang kannte. ULRICH JUNG 27.10.2020
Messerstecher mordet in Dresden
Geschwafel aus der Politik
Wieder einmal: Ein polizeibekannter Gefährder, Syrer mit Aufenthaltsgenehmigung, der hier angeblich Schutz vorm Krieg in seinem Heimatland suchte, trägt den Terror zu uns. Nach Dresden diesmal. Zwei Touristen niedergestochen, einer stirbt.
Und wieder einmal das Geschwafel aus der Politik. Mitleid mit den Angehörigen (des Erstochenen), "Der islamistische Terror ist eine andauernde große Bedrohung für unsere Gesellschaft, gegen die wir mit aller Konsequenz vorgehen müssen", erklärte Bundesjustizministerin Christine Lambrecht. "Wir brauchen höchste Wachsamkeit und entschiedenes Vorgehen von Polizei, Sicherheitsbehörden und Justiz." Dass der Generalbundesanwalt die Ermittlungen übernommen habe, zeige, "dass die Verfolgung islamistischer Gewalttaten höchste Priorität hat".
Ach was. Der seit 2015 in Deutschland geduldete Verdächtige ist nach Angaben der Behörden erheblich vorbestraft. Er war erst Ende September aus der Jugendstrafvollzugsanstalt Regis-Breitingen entlassen worden. Das Oberlandesgericht Dresden hatte ihn im November 2018 unter anderem wegen Werbens um Mitglieder oder Unterstützer einer terroristischen Vereinigung im Ausland zu einer Jugendstrafe verurteilt, so berichtet N-TV.
Höchste Wachsamkeit, entschiedenes Vorgehen der Polizei, der Sicherheitsbehörden und der Justiz. Hört sich ja gut an, Aber glauben mag man es nicht. Wenn einer mit solch einem Vorstrafenregister und Knastaufenthalt geduldet hier herumlaufen darf, muss man sich fragen: Was läuft schief? Ist es nicht eher so, dass zuständiger Behörden, auch Gerichte (politisch „auf Vordermann“ gebracht, wenn es um Tatverdächtige aus dem Bereich Flüchtlinge/Asylbewerber geht), aus lauter politischer Korrektheit zurückzucken und großzügig abwarten? Dass immer wieder Gewalttäter aus dem o.g. Bereich zuschlagen und die Behörden bekennen müssen, dass der Täter bereits durch andere Taten bekannt war, lässt diese Vermutung wohl zu.
Entschiedenes Vorgehen sieht anders aus, wenn islamistische Gewalttäter hier brutal ihr Unwesen treiben und nicht gleich nach der ersten Tat abgeschoben werden.
Sie kommen angeblich hier hin, um dem Krieg in ihrem Land zu entfliehen und u.a. in Deutschland Schutz zu suchen – und bringen uns Mord und Totschlag.
ULRICH JUNG
22.10.20
Zweite Coronawelle
Aggressivität macht Angst
Gepöbelt, bespuckt, angehustet. Die zweite Corona-Welle spült eine drastisch zunehmende Aggressivität ins Land, die Angst macht.
Jüngste, schockierende Beispiele, über die der Nachrichtensender N-TV berichtet : In einem Supermarkt im sächsischen Zwickau schlug ein Mann kürzlich mit einer Axt um sich, als er an die Maskenpflicht erinnert wurde. In Mülheim in NRW erfasste eine 66-Jährige nach einem Supermarkt-Einkauf mit ihrem Auto einen 55-Jährigen und verletzte ihn leicht. Dieser hatte die Frau zuvor zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes und zum Abstandhalten aufgefordert. Im bayrischen Kaufbeuren wurden fünf Polizisten bei einer Kontrolle in einer Bar leicht verletzt. Und auch im Bahnverkehr, wo die Maskenpflicht gilt, eskalierten Kontrollen.
Der Chef der Polizeigewerkschaft Wendt sucht Erklärungen. Ein Grund für die dramatische Gewalteskalation seien unklare Regelungen. Die Akzeptanz politischer Entscheidungen nehme rapide ab, weil es der Politik nicht gelinge, die Sinnhaftigkeit getroffener Entscheidungen zu erläutern, sagte Wendt auch mit Blick auf die Beherbergungsverbote. Aus Sicht seines Stellvertreters Radek seien es hingegen weniger die widersprüchlichen Regelungen, die für Streit sorgen. "Viele Menschen fühlen sich von den Regeln einfach genervt. Wenn dann noch Alkohol dazukommt oder gruppendynamische Prozesse damit verbunden werden, kann das zu weiteren Eskalationen beitragen".
Für die Polizei ist die Durchsetzung der Corona-Regeln in doppelter Hinsicht eine zusätzliche Belastung. Zum einen erhöhe die Gefahr von Ansteckungen das ohnehin schon vorhandene Berufsrisiko. Zum anderen steige auch die Arbeitsbelastung, wenn die Polizei bei der Durchsetzung des Gesundheitsschutzes von den Ordnungsämtern vermehrt um Amtshilfe gebeten werde. "Die Kräfte, die dann für den Gesundheitsschutz eingesetzt werden, die fehlen dann an einer anderen Stelle", sagte Radek. Auch Wendt sieht diese Belastung: "Aber im Moment gibt es keine Alternativen zu den polizeilichen Kontrollen, wenn Deutschland auch weiterhin gut durch die Krise kommen will."
Doch. Natürlich gäbe es Alternativen, vielleicht ein wenig zu optimistische. Etwa die, dass sich endlich alle an die Vorgaben halten, sprich: Maske auf, Abstand halten, Partys und Feste erst einmal verschieben. Haben wir zum großen Teil schon ein halbes Jahr lang geübt. Und wenn man ehrlich ist (und sich mal im Freundes- und Bekanntenkreis umhört): So schlimm war’ ja nun wirklich nicht. Die Einschränkungen nerven, klar, sind aber bitteschön nicht dermaßen heftig, dass man gleich einen Nervenzusammenbruch provozieren muss.
Den jungen Leuten, die sich derzeit gerne in Krawall und Regeln-Missachten üben, sollte klar gemacht werden, dass nicht zuletzt durch ihr z.T. absolut unverantwortliches, ja dämliches Verhalten jetzt und künftig Steuergelder (Schulden in Billionenhöhe) aufgebracht werden müssen, die eben sie, die nächsten Generationen, „abarbeiten“ dürfen.
Voraussetzung für die weitestgehende Akzeptanz politischer Vorgaben ist selbstverständlich, dass sie für jeden verständlich rübergebracht werden. Spinner, Corona-Leugner und sonstige Hysteriker wird es immer geben. Sie sind Gott sei Dank die Minderheit.
„Unheil“ (ein schockierendes Wort der Kanzlerin) können wir vielleicht verdrängen. Aber nur WIR alle zusammen. ULRICH JUNG 18.10.20
Corona-Pandemie
Scheiß' auf morgen
Party, Fußball, Saufen in Parks oder fröhliches Urlauben in fernen Landen – sind das die Highlights menschlichen Beisammenseins im Zeitalter von Pandemie? Sind das Merkmale eines schönen, genussreichen Lebens?
Fast scheint es so, wenn man sich die täglichen Corona-Meldungen anguckt. Leben jetzt, Trallala, scheiß’ auf morgen, man lebt nur einmal… Leben ist Party.
Kann ja nicht sein, mögen Maskenträger und Hygiene-Freaks denken. So blöd ist doch niemand, dass er seine Gesundheit, womöglich gar sein Leben aufs Spiel setzt.
Doch! Blödmänner und –frauen gibt es offensichtlich genug, um die Infektionsherde kräftig anzuheizen und Nicht-Partygänger und Vernünftige, Vorsichtige, in Gefahr bringen..
Vorschriften festzulegen, mit großem politischen Getöse medienwirksam unter das Volk streuen, Großtaten beruhigend anzukündigen –das ist das Eine. Sie dann durchzudrücken, zu erklären, damit alle es verstehen, selbstverständlich auch zu kontrollieren, bei Nichteinhalten zu bestrafen – das ist die andere Seite der Medaille.
Und wenn man da genau hinguckt, kann es einem kalt den Rücken hinunterlaufen. Vor allem beim Kontrollieren scheint man es nicht allzu ernst zu nehmen. Filmaufnahmen vom Partyvolk in den Großstädten , das hemmungslos das Ego pflegt und meint, nur so leben zu können, zu müssen, zeigt das anschaulich. Ausgerechnet zum großen Teil ist das die Generation, die uns großspurig erzählen will, wie nachhaltiges, friedliches Leben geht…
Die sogenannte Corona-Pandemie wird auch diese Lebensunklugen irgendwann in Fesseln legen. Hoffentlich auch die anderen, die glauben, uns wird schon nichts passieren.
Prost, zum Wohl -jawohl… ULRICH JUNG 11.10.2020
TV-Duell Trump/Biden
Unverschämtheit
Peinlich, diese Bewertung wäre wohl allzu zu schwach, wenn man den TV Auftritt Trump/Biden analysiert. Wie sich der mächtigste Mann der Welt live vor Millionen Menschen aufgeführt hat, war schlicht und ergreifend eine Unverschämtheit – seinem Kontrahenten gegenüber (der freilich nach dem abgewandelten Motto: Wie man in den Wald hinein schreit, so schreit’s zurück, auch nicht gerade vorbildlich agierte) -, aber auch vor allem den Amerikanern, den Wählern gegenüber.
Bleiben wir bei Trump. So ein wildgewordener Trampel, so ein Clown, wie Biden richtig sagte, will weitere vier Jahre Amerika, ja, die Welt drangsalieren mit seinen hanebüchenen Sprüchen, seinen exzessiven Lügereien und seiner täglich präsentierten Unfähigkeit? Kaum zu glauben, dass er das schafft.
Und doch. Betrachtet man sich die Vielzahl der Kommentare nach dem TV-Duell – weltweit - dann stehen seine Chancen wahrscheinlich nicht einmal schlecht. Dann könnte der fürchterlichste US-Präsident seit Generationen tatsächlich im November weiter das Weiße Haus besetzt halten.
Grauenhafte Vorstellung; nicht nur mit Blick auf die USA, die freilich demokratisch selbst entscheiden müssen, sondern auch mit Blick auf die ganze Welt. Denn was denkt sich das Trump’sche Hirn noch alles aus, um womöglich sogar den Weltfrieden auch noch zu zerstören?
Dieses erste TV-Duell vor den US-Wahlen war erhellend und (nicht unerwartet) enttäuschend. Erhellend, weil jedem eigentlich klar werden musste, dass da ein armseliger Möchte-gern-Präsident seine primitive Schau abzog, um Wähler einzufangen. Enttäuschend, weil sich ernsthafte Beobachter, Wähler allemal, um politische Zukunftsprogramme geprellt sehen. ULRICH JUNG
Jetzt gucken wir mal...“
Sprachblähungen
Irgendeiner fängt damit an, und plötzlich hört man es überall – besonders im Fernsehen und Rundfunk. Sprachblähungen, die, ihrer ständigen Präsenz wegen, richtig an die Nerven gehen.
Jüngste Beispiele, die neuerdings auffallen: „Wir blicken jetzt nach Australien..., Wir gucken auf die A3 (oder: auf die Straßen)... Jetzt gucken wir auf die Royals..., Wir gucken auf die Prominenz..., „Wir gucken auf den eskalierenden Konflikt im Iran“... Zum Schluss ein Blick aufs Wetter.“
Und so weiter, und so fort. Die Moderatoren und -innen gucken und blicken für uns in die Welt, ins Weltgeschehen, in die Schlafzimmer, in Promitempel und in den Nebel - und lassen uns mitgucken und mitblicken.
Frühere gequälte Sprachblähungen, wie sie häufig auch heute noch das Publikum quälen, gerne aus den politischen Kreisen: „Ein Stück weit...“, „Am Ende des Tages...“.
Sagt alles nichts, aber heiße Luft in der vergewaltigten Sprache scheint sich wie die Erwärmung der Erde quasi als Schneeballsystem zu verbreiten – mit Hilfe von Lautsprecherinnen und Lautsprechern, die sich gerne reden hören. Und die anderen, die Nachplapperer, wollen mitreden. Auch das Internet hilft da jedem Schwätzer, die jeweils angesagte Sprachblähung zu finden und weiter zu verbreiten.
ULRICH JUNG
Kostenlose Kitas und ÖPNV
Geschenkt gibt’s nichts
Hört sich gut an, der aus vielen meist politischen Kehlen immer lauter werdende Ruf nach kostenlosem Öffentlichen Personen-Nahverkehr (ÖPNV). Nur: Leider ist das Ganze eine ziemlich dreiste Volksverdummung.
Wer zahlt denn die Löhne und Gehälter des Personals – vom Busfahrer bis zur Putzkolonne? Wer den Sprit, die Fahrzeuge und, und, und? Doch nicht die Lautsprecher in den Parteien und Verbraucherverbänden. Sondern wir alle; auch diejenigen, die den ÖPNV nicht benutzen. Das steht zwar nicht auf den (Frei)Fahrscheinen, sondern ist eingepreist in den Bundes- oder kommunalen Haushalt.
Dasselbe gilt übrigens für „kostenlose“ Kitas. Auch hier will das Personal bezahlt und die Gebäude und das Interieur gewartet werden.
Geschenkt gibt es gar nichts, vor allem nicht, wenn die Öffentliche Hand wieder mal besonders gern vor Wahlen großzügig ihr Füllhorn ausschüttet (in das die Untertanen kräftig einzuzahlen haben). ULRICH JUNG
Terroranschläge
Fensterreden
Wieder einmal!
Wieder einmal hat ein Terrorist zugeschlagen, der als „Gefährder“ und Schwerverbrecher der Polizei bekannt war; der am selben Tag des Anschlags sogar verhaftet werden sollte wegen einiger brutaler Straftaten (vorbestraft war er eh), sich aber nicht zu Hause aufhielt. Wahrscheinlich auf dem Weg zum Anschlag am Weihnachtsmarkt in Straßburg.
Und dann nahm das Grauen seinen Lauf.
Denkt man zurück, handelte es sich bei fast allen Anschlägen der letzten Zeit um Täter, die polizeilich registriert, schon im Gefängnis gesessen haben und als gefährlich eingestuft waren. Die liefen frei herum, planten den nächsten Coup – und der Staat, der seine Bürger schützen sollte, guckte machtlos in die Röhre.
Als die Schüsse Menschen getötet hatten, war der politische Aufschrei wie immer auch wie gehabt: Trauer mit den Angehörigen, haltlose Aufklärung versprochen, Verurteilung des Terrorismus. Fensterreden mit düsterem Tremolo in der Stimme – bis zum nächsten Mal, wenn’s kracht und Menschen sterben.
Das ist unser Rechtsstaat. So sind Politiker. Große Sprüche, aber zielführend agieren tun sie freilich weniger.
Stichwörter: Abschiebung von Schwerverbrechern, die Wahrheit sagen über das, was in Deutschland (übrigens nicht nur da) vor sich geht in Sachen Migration, Integration und Vernebelung beider Probleme.
Es kann doch in einem Rechtsstaat nicht sein, dass diejenigen, die ihn akzeptieren und Gesetze einhalten mehr oder weniger folgenlos drangsaliert und zu Opfern werden, während eine täglich in Polizeiberichten erwähnte Minderheit, die sich hier (Schutz suchend!) einfindet, um dann eigene „Gesetze“ durchzusetzen.
Ein Beispiel: Die „Clans“ in deutschen Großstädten machen ja inzwischen so ziemlich das, was sie wollen. Und der „Rechtsstaat“ guckt mehr oder weniger machtlos zu, während sich Araber und Co. In hochkriminell erworbenem Reichtum tummeln.
Und unsere (demokratischen!) Politiker wundern sich über Wähler, die die Nase voll haben von Geduld, die den Gangstern entgegengebracht wird, und die auch die Nase voll haben von dem Geschwafel, das uns zu diesen Themen jeden Tag geboten wird.
Die Stimmen für die AfD halbieren? Gut gebrüllt Löwe Merz (mit e)
Wie es im Augenblick (und darüber hinaus aussieht) wird das kaum gelingen. Eher das Gegenteil.
ULRICH JUNG
Diskussion um CDU-Chef
Neid in Deutschland
Das ist Deutschland: Wer Top-Leistungen bringt im Beruf und unverschämterweise auch noch viel Geld verdient, der hat grundsätzlich einen miesen Charakter. Es sei denn, er ist Tennisspieler, Fußballstar, Rennfahrer, Schlagersänger…
Friedrich Merz, der CDU-Chef werden will, hat es „nur“ in der Wirtschaft weit gebracht (nebenbei: er verdiente nur einen Bruchteil der oben genannten Klientel) und wird derzeit von Politik und Medien nieder gemacht. Einer, der Politiker werden will und eine Million im Jahr verdient – auf die er übrigens als CDU-Chef verzichten würde -, echte Verantwortung trägt, zwei Privatflugzeuge besitzt: igitt, der hat doch Dreck am Stecken. Muss, nach deutscher Definition, Dreck am Stecken haben.
In Deutschland spielt der Neid-Faktor eine Riesenrolle. Vor allem, wenn irgendwo, oder irgendwofür Wahlen sind. Verantwortung übernehmen Politiker lautstark in Wahlkämpfen nach ihrer Definition, sagen es aber nicht: politische Verantwortung bleibt im Fall des Falles folgenlos. Und Leistung? Na ja…
Echte Hochleister in diesem Land sind: Wer Verantwortung hauptsächlich für sich und dafür trägt, dass er Sponsorengelder einsacken kann, dass er auch diesen Gönnern die Taschen füllt fürs irrsinnig flott im Kreis herumfahren, fürs Tennisbälle schlagen oder geschickt vor den Fußball tritt. Der zählt was bei uns; wird bejubelt und gefeiert, bekommt Preise. Die Unternehmer, diejenigen, die die Wirtschaft am Laufen halten, Manager, die Verantwortung tragen für Millionen Menschen, die die Marke Made in Germany geschaffen haben und erhalten wollen, werden mehr oder weniger verachtet und in den Dreck gezogen – von Neidern, die meist selbst nicht viel in ihrem Leben auf die Reihe bekommen. Deren Erfolg ist, dass sie erfahren und geschult sind nach dem Motto: Wie kriege ich die Großen klein und die Kleinen groß. Und wie kriege ich in die Politik diejenigen, die nach meiner Pfeife tanzen.
Schwarze Schafe gibt es überall, auch bei den Guten. Bei ALLEN Guten, wie man fast tagtäglich nachlesen kann. Aber wer mit angestachelten Neiddiskussionen auftritt und sich (leider, aber eben typisch deutsch) Gehör in willigen Medien verschafft, ist mehr als ein Schwarzes Schaf. Er ist einer, der an den Säulen der Demokratie sägt.
ULRICH JUNG
Merkel und Diesel
Mund voll genommen
Da hat sie den Mund wohl ganz schön voll genommen: Per Gesetz Dieselfahrverbote verhindern, wo die EU-Grenzwerte nur leicht überschritten werden. Wie z.B. in Frankfurt.
Problem Nr.1: In Frankfurt sind die Überschreitungen in Wahrheit erheblich höher, als das die Bundeskanzlerin bei ihren Sprüchen entweder nicht wusste, oder nicht wahrhaben wollte; beides wäre für eine politisch höchst Verantwortliche untragbar.
Problem Nr. 2: Kann Deutschland willkürlich die von der EU (also auch von Deutschland) festgesetzten Grenzwerte für Dieselfahrzeuge einfach mal mir nichts, dir nichts, im Alleingang nach oben schrauben, damit es der Autoindustrie wenigstens etwas entgegenkommt?
Wohl kaum. Nur das endgültige Urteil darüber wird wohl erst später, viel später z.B. nach den Hessenwahlen fallen.
Und Problem Nr. 3: Mit ihrem Alleingang – wobei sich doch Merkel all überall für „europäische Lösungen“ stark macht -, zeigt sie einmal mehr: Die Gesundheit der Menschen da draußen im Lande interessiert sie weniger als die Kassen der Autofritzen, die den ganzen Schlamassel herbeigeführt haben – und am liebsten ungeschoren davonkämen.
Und gibt es da eventuell noch Eigeninteressen?
Wahlkampf ist ja in Hessen, und da inzwischen, neben dem hessischen Ministerpräsidenten, auch Merkel auf der Abschussliste steht, tut man sich zusammen und kreiert neues Recht. Auf dass die Tausende von Dieselpendlern in Frankfurt CDU wählen, nämlich die Partei, die ihnen das Weiterstinken und sich selbst die Regierungsmacht ermöglichen will. Mit dem Hinweis für andere Städte, Länder, dass, falls die Merkelsche Gesetzesinitiative Erfolg hat, auch hier oder da Fahrverbote verhindert werden.
Soll so der Dieselskandal gelöst werden?
Warum werden nicht diejenigen, die diesen ganzen Mist verzapft haben, nicht zur vollen Rechenschaft gezogen? Diejenigen, die gutgläubige Kunden hinters Licht geführt, auf Deutsch: beschissen und Milliarden daran verdient haben? Jede Klitsche, die mangelhafte Ware – womöglich auch noch wissentlich - verkauft, muss den Schaden ersetzen.
Nur die Automobilbrache nicht? Weil sie jeden 7. Arbeitsplatz in Deutschland stellt?
Wenn die Täter davonkommen, werden sich Merkel und die politische Kaste nicht wundern dürfen, dass es in Deutschland politisch und extrem gesehen, weiter den Bach runter geht.
Mit dem Totschlagargument „Arbeitsplatz“ sind hierzulande schon einige Argumente abgewürgt und Gesetze wie ein Gummiband gedehnt worden.
Wer Arbeitsplätze garantiert, der kann machen, was er will? Der Eindruck drängt sich manchmal auf. Aber das kann es ja nicht sein. Obwohl man manchmal den Eindruck hat, dass genau das im globalisierten Deutschland das Credo 4.0 ist.
Wie war das noch nach der Bundestagswahl und dem schrecklichen Lavieren danach? Neuanfang – haben alle verkündet. Auf die Menschen hören, ihre Sorgen ernst nehmen.
Was ist daraus geworden? Nichts! ULRICH JUNG
Nach dem Erdogan-Besuch
Stolz? Worauf?
Muss man, darf man eigentlich noch stolz sein auf Deutschland? Auf unseren Rechtsstaat? Auf unsere Demokratie?
Nach dem Besuch des Türken Erdogan sind Zweifel angebracht.
Zwar halten sich Kanzlerin und Bundespräsident zu gute, dass sie die kritischen Themen deutlich angesprochen haben. Und dass Erdogan beim Staatsbankett fast wütend verbal um sich schlug, könnte ja tatsächlich den Eindruck verstärken, dass „wir“ es ihm, der Deutschland als Nazi-Staat verunglimpfte, endlich mal gezeigt haben.
Der opulente Empfang, das Getue rundherum, das (sorry) teilweise kriecherische Gehabe unserer obersten Repräsentanten, sprechen freilich eine andere Sprache. Eine, die Erdogan am Schluss sagen ließ, dass sein Besuch ein voller Erfolg war.
So ist es. Recht hat er. Und was erreichte Deutschland?
Unterm Strich wenig bis nichts. Was am Ende heißen wird: massig viel Euro überweisen, damit unser Wirtschafts- und Nato-Partner nicht vor die Hunde geht. Allein das war das Ziel des Erdogan-Besuchs. Und das hat er erreicht.
Die Weltgemeinschaft wird es mit Argusaugen beobachtet haben, wie Deutschland mit tiefem Kotau einem Antidemokraten und Diktator die höchste Ehre erwies. Und die Kasse weit geöffnet hält.
Darauf kann man nicht stolz sein. ULRICH JUNG
Groko. Keine Mehrheit
Wer wundert sich?
Wirklich wundern dürfte sich kaum jemand, der zumindest ein Ohr am politischen Geschehen hat: Union und SPD haben nach jüngster Umfrage keine Mehrheit mehr bei den Wählern.
CDU/CSU bekommen gerade mal 28 Prozent bei der Sonntagsfrage – das mieseste Ergebnis, seit dem es das ZDF-Politbarometer gibt. Die SPD erreicht schlappe 17 Prozent – schlecht wäre noch eine positive Umschreibung für die einstmals so stolze Volkspartei.Aprops: Volkspartei dürften beide Regierungspartner wohl kaum noch genannt werden.
Da kommt einiges zusammen, was die Stimmungslage in den Abgrund führte. Alles aufzuzählen seit dem quälenden Hick-Hack der Regierungsbildung nach der September-Wahl voriges Jahr, würde jeden Rahmen sprengen. Ausschlaggebend, letztendlich das i-Tüpfelchen für den Absturz, war mit Sicherheit das äußerst peinliche Handeln in der Causa Maaßen. So etwas dürfen sich verantwortungsvolle, Verantwortung für die „Menschen da draußen“ heuchelnde Regierungspolitiker, nicht erlauben.
Dann das Gerangel um eventuelle Neuwahlen. Abgelehnt aus Angst vor Erfolgen der AfD. Geht’s noch? Die ach so demokratischen Parteien lassen sich quasi vorschreiben (von Antidemokraten), wie sie zu handeln haben? Dabei wäre es ein mutiges Zeichen der Demokraten, wenn die Kanzlerin die Misstrauensfrage stellte und es danach Neuwahlen geben könnte.
Die „Menschen da draußen im Land“ sind nicht so blöd, als dass sie „Heil der AfD“ riefen und alles den Bach runtergehen ließen. Man muss ihnen “ nur“ sagen, wie es weitergehen soll in unserem Land ohne die dramatischen Vorgänge z.B. in Sachen Asylpolitik: Zugeben, dass da einiges schief gelaufen ist, dass man es angeht und anders machen kann. Die Themen Bildung, bezahlbarer Wohnraum u.a. sind immens wichtig. Aber: Umfragen hin und her, egal, wo man sich bewegt, die Themen Asyl, Asylanten, Messermorde usw. begleitet einen überall. Überall sprechen „die Menschen das draußen im Land“ über diese Themen. Begleitmusik bald Tag für Tag die Schlagzeilen in den Medien. Nicht nur in den mit den vier Großbuchstaben. Von der Politik schön gequasselt. Was geschieht? Gefühlt nichts!
Und jetzt noch der pompöse Empfang des Diktators Erdogan. Roter Teppich, Militärparade, Tiefer Bückling des Bundespräsidenten, der Bundeskanzlerin, Staatsbankett. Man hat den Eindruck, als ginge es mehr um Wirtschaft als um Menschenrechte – trotz einiger, kritischer Sätze, die aber weggelächelt wurden vom türkischen Möchte-gern-Sultan. Die Kanzlerin stand lächelnd daneben. Das wird sich in der nächsten Umfrage niederschlagen.
Deutschland braucht eine politische Erneuerung. Von Grund auf. Das Problem: Wie soll das gehandelt werden? Mit dem derzeitigen Regierungspersonal wird das kaum gelingen. Und Alternativen sind nie hoch gekommen. Sie wurden weggebissen und erstickt. Der Wechsel von Kauder zu Brinkhaus könnte ein erstes Zeichen sein, dass sich zumindest die Union Gedanken macht, wie sie wieder näher an die Menschen kommen könnte. Ohne Merkel.
Ein Anfang? Mehr aber erstmal nicht. ULRICH JUNG
Nach dem Maaßen-Deal
„Haben uns geirrt“
Haben Merkel, Seehofer und Nahles nicht vor ihrem Maaßen-Deal erkannt – erkennen müssen -, was dann auf sie zukommt? Einen hohen Beamten, der schwere Fehler gemacht hat, zu befördern anstatt ihn zu entlassen, das war doch keinem einigermaßen im realen Leben Stehenden zu vermitteln. Man muss wohl Politiker sein, und dann noch jemand, den allein Machterhalt als Charakterzug „qualifiziert“ und bestimmt nicht die so gerne zitierte Fürsorge für die „Menschen da draußen im Lande“, um dermaßen schwerwiegende Fehlentscheidungen zu treffen.
Und von wegen Gesichtswahrung. Ihr Gesicht haben alle drei verloren, und, schlimmer noch, auf Kosten des Vertrauens in die Politik im Allgemeinen. Die jüngsten Umfragen geben ein erschreckendes Bild.
Großmäuligkeit (Nahles), Hinterhältigkeit (Seehofer), der Glaube an Unfehlbarkeit (Merkel) – das ist der Stoff, aus dem in Deutschland offenbar Regierungspolitik gemacht ist.
Ganz peinlich wird’s nun, da die SPD-Vorsitzende Andrea Nahles eine Neuverhandlung der Beförderung von Verfassungsschutz-Präsident Hans-Georg Maaßen fordert. Das geht aus einem Brief hervor, den sie an Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bundesinnenminister Horst Seehofer geschrieben hat und über den mehrere Medien übereinstimmend berichten. Nahles ruft um Hilfe, könnte man das überschreiben.
Weiter heißt es, dass die "durchweg negativen Reaktionen aus der Bevölkerung zeigen, dass wir uns geirrt haben. Wir haben Vertrauen verloren, statt es wiederherzustellen. Das sollte Anlass für uns gemeinsam sein, innezuhalten und die Verabredung zu überdenken."
Ja, hätten sie bloß vorher nachgedacht und nicht vorlaut aus der Hüfte geschossen. Jetzt haben sie den Salat. Maaßen und die AFD klopfen sich auf die Schenkel. Diese Regierung hat einmal mehr bewiesen, dass sie nichts zustande bringt, dass die ewigen Streitereien untereinander den Ruf der Politiker-Kaste einmal mehr schwer beschädigen, dass es, zu Ende gedacht, wahrscheinlich das Beste wäre, diese Koalition flöge so schnell wie möglich auseinander und nach Neuwahlen ein ernsthafter Versuch gestartet würde, bei entsprechendem Ergebnis erfolgreich „Jamaika“ auf den Weg zu bringen. Ein quälendes Weiter-so beschädigte die Demokratie gefährlich und nachhaltig. ULRICH JUNG
Gleiches Recht (für alle?)
In einem Rechtsstaat sind alle gleich, haben alle die gleichen Rechte; ob Mörder, Vergewaltiger, Kinderschänder – ja, und auch sog. Gefährder und Hassprediger. Das sei unbestritten. Ein Rechtsstaat, seine Richter haben nicht Stammtische als Beratungsgremien anzuhören. Auch im Fall Sami A. nicht, der abgeschobene Islamist, Hassprdiger und angebliche Leibwächter Osama Bin Ladens, der jetzt auf Staatskosten aus Tunesien zurückgeholt und mit Steuergeldern alimentiert wieder hier leben soll. Der Rechtsstaat hat das so entschieden.
Alle haben also die gleichen Rechte. Ja, alle!
Auch wir, die Bürger dieses Rechtsstaates. Wir haben das Recht, vom Staat geschützt zu werden – auch vor Mord und Todschlag, vor Vergewaltigung und Terror.
Was aber ist mit den zahlreichen Gefährdern und Kriminellen, die 2015 als Flüchtlinge, oder Schutzsuchende, wie es heute heißt, hierher kamen? Ohne Papiere, ohne Registrierung, einfach abgetaucht, und niemand weiß, wohin und wie viele. Dass zuständige Dienste seit Jahren immer wieder klar und deutlich vor den Folgen warnen, dass laut Rechtsstaat und entsprechender Abkommen Gefährder und Kriminelle ausgewiesen werden müssen, scheint den Rechtsstaat, die politisch Verantwortlichen und große Teile der veröffentlichen Meinung, die derzeit gleiches Recht für alle predigen, nicht sonderlich zu beschäftigen.
In Deutschland ist prächtig Leben – für Alle…
Bis auf diejenigen, die die Folgen zu spüren bekommen. ULRICH JUNG
Spinner und Bekloppte
Was sind das für Menschen, die derzeit in der Welt Politik bestimmen? Politik nicht in irgendwelchen Operettenstaaten, sondern in den wichtigsten und mächtigsten Ländern auf diesem mittlerweile geschundenen Erdball?
Demagogen, Despoten, Großkotze – Spinner und Bekloppte würde man im Klartext sagen.
Putin, Erdogan, Trump, Assad, Kim Jong Un, um nur die aktuellsten und gefährlichsten zu nennen. Sie zündeln (noch) verbal am Sprengstoff, der gezielt kaputtmacht, was z.T. in Jahrzehnten in West und Ost – auch mit West und Ost - aufgebaut wurde. Verträge interessieren nicht mehr, einzig Macht zählt, Wirtschaft kann ruhig zerbröseln (man staunt: auch vor der eigenen machen sie nicht halt); es ist, als hätten sie aus der Vergangenheit nichts gelernt. Amerika first, Russland first, Türkei first. Korea: will Atommacht sein. Nach uns die Sintflut. Und die jeweiligen Völker scheinen mitzuspielen.
Der Rest der Welt schüttelt mit dem Kopf und hofft, dass der Spuk bald vorbei gehen möge. Bitte ohne Kollateralschäden.
Mit freundlichen Worten, Dienstreisen und langen Gesprächen (so sie denn überhaupt zustande kommen), mit Sanktionen und sonstigen Drohungen ist es offensichtlich nicht getan. Das perlt ab bei „Führern“, die als Egomanen ihre Herrschaft bestimmen. Freundlich in die Kameras blicken, Händeschütteln, unverbindliche Statements. Nicht das Land „first“, sondern ich und ich und nochmals ich…
Also: Wer oder was stoppt diese Typen? Ein Putsch? Die Geheimdienste? Oder, mit Verlaub, ein Scharfschütze? Das Volk?
Letzteres wäre das Beste, aber das ist schwierig ohne demokratische Wahlen. Die allerdings könnten immerhin einen Trump demokratisch „abschießen“. Was im Endeffekt womöglich wenig bringt, so lange die anderen Spinner weiter ihre Völker und die Welt drangsalieren.
Was bleibt?
Wahrscheinlich zur Zeit fast nichts. Europa, von Einigkeit und Einheit weit entfernt, hat andere Sorgen (und ebenfalls genug Spinner); Stichwort Flüchtlinge. Die Russen, Türken, Koreaner sind geknebelt und froh, wenn sie einigermaßen unbeschadet den nächsten Tag erleben. Aufstand gegen die Demagogen, Despoten Großkotze: nicht in Sicht. Und Assad bombt weiter gegen sein Volk.
Und so darf man wohl mit Recht zusammenfassen: Die so genannte freie Welt lebt am Abgrund. Freiheit, Demokratie, Menschenrechte werden in weiten, auch und gerade wichtigen Teilen der Welt, in denen vor nicht allzu langer Zeit Hoffnung keimte auf Besserung, inzwischen mit Füßen getreten.
Und in der schönen „freien Welt“, wie u.a. im einstmals als Vorbild hoch gelobten Deutschland, sind Kräfte heftig dabei, unsere hart erkämpfte Demokratie nach und nach zu demolieren. Und man nicht den Eindruck, dass unsere Regierung da heftig gegensteuert.
ULRICH JUNG
Seehofer macht den Trump
Jetzt macht Seehofer auch noch den Trump. Weil er sich von Kritikern (vor allem in den Medien) verfolgt fühlt, eine Kampagne gegen seine Person wittert, will er jetzt twittern, wie der amerikanische Präsident; um „seine Wahrheiten“, die angeblich nicht berücksichtigt würden, dem Volke mitzuteilen. Motto: Schluss mit den fake-news über ihn und die Partei und das Land…
Das wird lustig. Oder vielleicht doch eher traurig, womöglich sogar gefährlich für ihn und seine CSU? Denn wie der Bayer tickt, hat er hinreichend in seinen Reden und Eskapaden gegen die Kanzlerin auch ohne Twitter gezeigt. Jetzt noch gegen die Medien zu schießen macht den politischen Charakter Seehofers weder besser noch glaubwürdiger. Im Gegenteil! Und er zieht seine Partei mit in den Abgrund, wie jüngste Umfrageergebnisse zur Bayern-Wahl im Herbst belegen.
„Als Bundesinnenminister wäre es aber vielmehr seine Aufgabe, den Rechtsstaat einschließlich unabhängiger und kritischer Medien zu verteidigen und nicht pauschal zu verunglimpfen“, sagte FDP-Fraktionsvize Theurer. „Seehofer sollte sich umgehend für diesen Fehltritt entschuldigen, um weiteren Schaden für den Rechtsstaat abzuwenden.“ Es werde immer klarer, dass Seehofer ein Parteivorsitzender und Minister auf Abruf sei. „Nach der Landtagswahl in Bayern wird er noch als Sündenbock für ein historisch schlechtes CSU-Ergebnis gebraucht. Danach heißt es dann „Servus“.“
Der Mann hat recht.
Das Auslaufmodell Seehofer kämpft seinen letzten Kampf – wie ein angeschlagener Boxer: um sich schlagend, ohne Rücksicht auf Verluste, unkontrolliert. Wie Trump. ULRICH JUNG
Mahnwache für "Chico"
Mahnwache für "Chico", für den eingeschläferten Kampfhund, der seine Besitzer - eine 52jährige im Rollstuhl und deren Sohn totgebissen hat. Tierfreunde rufen auf, am Sonntag vor dem Veterinäramt in Hannover Kerzen und Plakate mitzubringen und zu demonstrieren. Überall in den Medien war es gut platziert zu lesen.
Das wird den einen oder anderen sicherlich zu Tränen rühren und zu strammen Protestbekundungen hinreißen.
Gut so.
Gut so?
Immerhin darf man wohl , ohne den Tierfreunden auf den Schlips zu treten, die Festellung treffen: Hat man irgendwo von einer Mahnwache für die Totgebissenen gelesen?
Tierfreunde - Menschenfreunde: passt nicht zusammen... UJ
Seehofer: Islam gehört nicht zu Deutschland
Übliche Reflexe
Gerade ein paar Stunden im Amt, und schon hat der neue Innen- und Heimatminister für die üblichen Reflexe auf bestimmte Äußerungen gesorgt. "Der Islam gehört nicht zu Deutschland", so Horst Seehofer in einem Interview. Fette Schlagzeilen, Rumoren nicht nur in der Opposition, so, wie es halt immer läuft, wenn nur das Wort Islam auftaucht und von iteressierter Seite in einen zu allen (gerne negativen) Richtungen interpretierbaren Zusammenhang gestellt wird. Da reicht meist nur ein Satz (s.o.), der Rest fällt dem Eifer und den Eiferern zum Opfer und wird gleich unter den Teppich gefegt. Motto: Wir lassen uns unser Vorurteil nicht kaputtmachen...
Denn Seehofer sagt auch: "Deutschland ist durch das Christentum geprägt. Dazu gehören der freie Sonntag, kirchliche Feiertage und Rituale wie Ostern, Pfingsten und Weihnachten." Und weiter: "Die bei uns lebenden Muslime gehören aber selbstverständlich zu Deutschland. Das bedeutet natürlich nicht, dass wir deswegen aus falscher Rücksichtnahme unsere landestypischen Traditionen und Gebräuche aufgeben." Dann - ein ganz entscheidender Passus, der bei den Interpretationskünsten seiner Kritiker natürlich keine Erwähnung findet: Gleich in der darauf folgenden Antwort nämlich kündigt der CSU-Chef an, die Islamkonferenz wieder einzuberufen. "Meine Botschaft lautet: Muslime müssen mit uns leben, nicht neben oder gegen uns. Um das zu erreichen, brauchen wir gegenseitiges Verständnis und Rücksichtnahme, und das erreicht man eben nur, wenn man miteinander spricht."
In diesen Sätzen Fremdenfeindlichkeit zu vermuten, Rassismus gar, ist ziemlich an den Haaren herbeigezogen, ja, böswillig; auch wenn die Kanzlerin wie weiland Bundespräsident Wulff bei ihrer Bewertung bleibt, der Islam gehöre zu Deutschland. Seehofers Aussage, dass Muslime und Christen (nämlich "wir" alle in Deutschland) miteinander reden müssen, dass nur so Verständnis und Rücksichtnahme entstehen können, dagegen wird ja wohl niemand sein, der ernst genommen werden will.
Es ist traurig - und das zeigt die jüngste Debatte, die leider wieder mit den alten, untauglichen Argumenten daherkommt - dass über ein immens wichtiges Thema hierzulande offensichtlich nicht vernünftig und nicht mit Augenmaß diskutiert werden kann. Von vernünftigem Handeln, von weiterbringenden Entscheidungen ganz zu schweigen. ULRICH JUNG
VORSICHT MEINUNG
TV-Duell Trump/Biden
Unverschämtheit
Peinlich, diese Bewertung wäre wohl allzu zu schwach, wenn man den TV Auftritt Trump/Biden analysiert. Wie sich der mächtigste Mann der Welt live vor Millionen Menschen aufgeführt hat, war schlicht und ergreifend eine Unverschämtheit – seinem Kontrahenten gegenüber (der freilich nach dem abgewandelten Motto: Wie man in den Wald hinein schreit, so schreit’s zurück, auch nicht gerade vorbildlich agierte) -, aber auch vor allem den Amerikanern, den Wählern gegenüber.
Bleiben wir bei Trump. So ein wildgewordener Trampel, so ein Clown, wie Biden richtig sagte, will weitere vier Jahre Amerika, ja, die Welt drangsalieren mit seinen hanebüchenen Sprüchen, seinen exzessiven Lügereien und seiner täglich präsentierten Unfähigkeit? Kaum zu glauben, dass er das schafft.
Und doch. Betrachtet man sich die Vielzahl der Kommentare nach dem TV-Duell – weltweit - dann stehen seine Chancen wahrscheinlich nicht einmal schlecht. Dann könnte der fürchterlichste US-Präsident seit Generationen tatsächlich im November weiter das Weiße Haus besetzt halten.
Grauenhafte Vorstellung; nicht nur mit Blick auf die USA, die freilich demokratisch selbst entscheiden müssen, sondern auch mit Blick auf die ganze Welt. Denn was denkt sich das Trump’sche Hirn noch alles aus, um womöglich sogar den Weltfrieden auch noch zu zerstören?
Dieses erste TV-Duell vor den US-Wahlen war erhellend und (nicht unerwartet) enttäuschend. Erhellend, weil jedem eigentlich klar werden musste, dass da ein armseliger Möchte-gern-Präsident seine primitive Schau abzog, um Wähler einzufangen. Enttäuschend, weil sich ernsthafte Beobachter, Wähler allemal, um politische Zukunftsprogramme geprellt sehen. ULRICH JUNG
Jetzt gucken wir mal...“
Sprachblähungen
Irgendeiner fängt damit an, und plötzlich hört man es überall – besonders im Fernsehen und Rundfunk. Sprachblähungen, die, ihrer ständigen Präsenz wegen, richtig an die Nerven gehen.
Jüngste Beispiele, die neuerdings auffallen: „Wir blicken jetzt nach Australien..., Wir gucken auf die A3 (oder: auf die Straßen)... Jetzt gucken wir auf die Royals..., Wir gucken auf die Prominenz..., „Wir gucken auf den eskalierenden Konflikt im Iran“... Zum Schluss ein Blick aufs Wetter.“
Und so weiter, und so fort. Die Moderatoren und -innen gucken und blicken für uns in die Welt, ins Weltgeschehen, in die Schlafzimmer, in Promitempel und in den Nebel - und lassen uns mitgucken und mitblicken.
Frühere gequälte Sprachblähungen, wie sie häufig auch heute noch das Publikum quälen, gerne aus den politischen Kreisen: „Ein Stück weit...“, „Am Ende des Tages...“.
Sagt alles nichts, aber heiße Luft in der vergewaltigten Sprache scheint sich wie die Erwärmung der Erde quasi als Schneeballsystem zu verbreiten – mit Hilfe von Lautsprecherinnen und Lautsprechern, die sich gerne reden hören. Und die anderen, die Nachplapperer, wollen mitreden. Auch das Internet hilft da jedem Schwätzer, die jeweils angesagte Sprachblähung zu finden und weiter zu verbreiten.
ULRICH JUNG
Kostenlose Kitas und ÖPNV
Geschenkt gibt’s nichts
Hört sich gut an, der aus vielen meist politischen Kehlen immer lauter werdende Ruf nach kostenlosem Öffentlichen Personen-Nahverkehr (ÖPNV). Nur: Leider ist das Ganze eine ziemlich dreiste Volksverdummung.
Wer zahlt denn die Löhne und Gehälter des Personals – vom Busfahrer bis zur Putzkolonne? Wer den Sprit, die Fahrzeuge und, und, und? Doch nicht die Lautsprecher in den Parteien und Verbraucherverbänden. Sondern wir alle; auch diejenigen, die den ÖPNV nicht benutzen. Das steht zwar nicht auf den (Frei)Fahrscheinen, sondern ist eingepreist in den Bundes- oder kommunalen Haushalt.
Dasselbe gilt übrigens für „kostenlose“ Kitas. Auch hier will das Personal bezahlt und die Gebäude und das Interieur gewartet werden.
Geschenkt gibt es gar nichts, vor allem nicht, wenn die Öffentliche Hand wieder mal besonders gern vor Wahlen großzügig ihr Füllhorn ausschüttet (in das die Untertanen kräftig einzuzahlen haben). ULRICH JUNG
Terroranschläge
Fensterreden
Wieder einmal!
Wieder einmal hat ein Terrorist zugeschlagen, der als „Gefährder“ und Schwerverbrecher der Polizei bekannt war; der am selben Tag des Anschlags sogar verhaftet werden sollte wegen einiger brutaler Straftaten (vorbestraft war er eh), sich aber nicht zu Hause aufhielt. Wahrscheinlich auf dem Weg zum Anschlag am Weihnachtsmarkt in Straßburg.
Und dann nahm das Grauen seinen Lauf.
Denkt man zurück, handelte es sich bei fast allen Anschlägen der letzten Zeit um Täter, die polizeilich registriert, schon im Gefängnis gesessen haben und als gefährlich eingestuft waren. Die liefen frei herum, planten den nächsten Coup – und der Staat, der seine Bürger schützen sollte, guckte machtlos in die Röhre.
Als die Schüsse Menschen getötet hatten, war der politische Aufschrei wie immer auch wie gehabt: Trauer mit den Angehörigen, haltlose Aufklärung versprochen, Verurteilung des Terrorismus. Fensterreden mit düsterem Tremolo in der Stimme – bis zum nächsten Mal, wenn’s kracht und Menschen sterben.
Das ist unser Rechtsstaat. So sind Politiker. Große Sprüche, aber zielführend agieren tun sie freilich weniger.
Stichwörter: Abschiebung von Schwerverbrechern, die Wahrheit sagen über das, was in Deutschland (übrigens nicht nur da) vor sich geht in Sachen Migration, Integration und Vernebelung beider Probleme.
Es kann doch in einem Rechtsstaat nicht sein, dass diejenigen, die ihn akzeptieren und Gesetze einhalten mehr oder weniger folgenlos drangsaliert und zu Opfern werden, während eine täglich in Polizeiberichten erwähnte Minderheit, die sich hier (Schutz suchend!) einfindet, um dann eigene „Gesetze“ durchzusetzen.
Ein Beispiel: Die „Clans“ in deutschen Großstädten machen ja inzwischen so ziemlich das, was sie wollen. Und der „Rechtsstaat“ guckt mehr oder weniger machtlos zu, während sich Araber und Co. In hochkriminell erworbenem Reichtum tummeln.
Und unsere (demokratischen!) Politiker wundern sich über Wähler, die die Nase voll haben von Geduld, die den Gangstern entgegengebracht wird, und die auch die Nase voll haben von dem Geschwafel, das uns zu diesen Themen jeden Tag geboten wird.
Die Stimmen für die AfD halbieren? Gut gebrüllt Löwe Merz (mit e)
Wie es im Augenblick (und darüber hinaus aussieht) wird das kaum gelingen. Eher das Gegenteil.
ULRICH JUNG
Diskussion um CDU-Chef
Neid in Deutschland
Das ist Deutschland: Wer Top-Leistungen bringt im Beruf und unverschämterweise auch noch viel Geld verdient, der hat grundsätzlich einen miesen Charakter. Es sei denn, er ist Tennisspieler, Fußballstar, Rennfahrer, Schlagersänger…
Friedrich Merz, der CDU-Chef werden will, hat es „nur“ in der Wirtschaft weit gebracht (nebenbei: er verdiente nur einen Bruchteil der oben genannten Klientel) und wird derzeit von Politik und Medien nieder gemacht. Einer, der Politiker werden will und eine Million im Jahr verdient – auf die er übrigens als CDU-Chef verzichten würde -, echte Verantwortung trägt, zwei Privatflugzeuge besitzt: igitt, der hat doch Dreck am Stecken. Muss, nach deutscher Definition, Dreck am Stecken haben.
In Deutschland spielt der Neid-Faktor eine Riesenrolle. Vor allem, wenn irgendwo, oder irgendwofür Wahlen sind. Verantwortung übernehmen Politiker lautstark in Wahlkämpfen nach ihrer Definition, sagen es aber nicht: politische Verantwortung bleibt im Fall des Falles folgenlos. Und Leistung? Na ja…
Echte Hochleister in diesem Land sind: Wer Verantwortung hauptsächlich für sich und dafür trägt, dass er Sponsorengelder einsacken kann, dass er auch diesen Gönnern die Taschen füllt fürs irrsinnig flott im Kreis herumfahren, fürs Tennisbälle schlagen oder geschickt vor den Fußball tritt. Der zählt was bei uns; wird bejubelt und gefeiert, bekommt Preise. Die Unternehmer, diejenigen, die die Wirtschaft am Laufen halten, Manager, die Verantwortung tragen für Millionen Menschen, die die Marke Made in Germany geschaffen haben und erhalten wollen, werden mehr oder weniger verachtet und in den Dreck gezogen – von Neidern, die meist selbst nicht viel in ihrem Leben auf die Reihe bekommen. Deren Erfolg ist, dass sie erfahren und geschult sind nach dem Motto: Wie kriege ich die Großen klein und die Kleinen groß. Und wie kriege ich in die Politik diejenigen, die nach meiner Pfeife tanzen.
Schwarze Schafe gibt es überall, auch bei den Guten. Bei ALLEN Guten, wie man fast tagtäglich nachlesen kann. Aber wer mit angestachelten Neiddiskussionen auftritt und sich (leider, aber eben typisch deutsch) Gehör in willigen Medien verschafft, ist mehr als ein Schwarzes Schaf. Er ist einer, der an den Säulen der Demokratie sägt.
ULRICH JUNG
Merkel und Diesel
Mund voll genommen
Da hat sie den Mund wohl ganz schön voll genommen: Per Gesetz Dieselfahrverbote verhindern, wo die EU-Grenzwerte nur leicht überschritten werden. Wie z.B. in Frankfurt.
Problem Nr.1: In Frankfurt sind die Überschreitungen in Wahrheit erheblich höher, als das die Bundeskanzlerin bei ihren Sprüchen entweder nicht wusste, oder nicht wahrhaben wollte; beides wäre für eine politisch höchst Verantwortliche untragbar.
Problem Nr. 2: Kann Deutschland willkürlich die von der EU (also auch von Deutschland) festgesetzten Grenzwerte für Dieselfahrzeuge einfach mal mir nichts, dir nichts, im Alleingang nach oben schrauben, damit es der Autoindustrie wenigstens etwas entgegenkommt?
Wohl kaum. Nur das endgültige Urteil darüber wird wohl erst später, viel später z.B. nach den Hessenwahlen fallen.
Und Problem Nr. 3: Mit ihrem Alleingang – wobei sich doch Merkel all überall für „europäische Lösungen“ stark macht -, zeigt sie einmal mehr: Die Gesundheit der Menschen da draußen im Lande interessiert sie weniger als die Kassen der Autofritzen, die den ganzen Schlamassel herbeigeführt haben – und am liebsten ungeschoren davonkämen.
Und gibt es da eventuell noch Eigeninteressen?
Wahlkampf ist ja in Hessen, und da inzwischen, neben dem hessischen Ministerpräsidenten, auch Merkel auf der Abschussliste steht, tut man sich zusammen und kreiert neues Recht. Auf dass die Tausende von Dieselpendlern in Frankfurt CDU wählen, nämlich die Partei, die ihnen das Weiterstinken und sich selbst die Regierungsmacht ermöglichen will. Mit dem Hinweis für andere Städte, Länder, dass, falls die Merkelsche Gesetzesinitiative Erfolg hat, auch hier oder da Fahrverbote verhindert werden.
Soll so der Dieselskandal gelöst werden?
Warum werden nicht diejenigen, die diesen ganzen Mist verzapft haben, nicht zur vollen Rechenschaft gezogen? Diejenigen, die gutgläubige Kunden hinters Licht geführt, auf Deutsch: beschissen und Milliarden daran verdient haben? Jede Klitsche, die mangelhafte Ware – womöglich auch noch wissentlich - verkauft, muss den Schaden ersetzen.
Nur die Automobilbrache nicht? Weil sie jeden 7. Arbeitsplatz in Deutschland stellt?
Wenn die Täter davonkommen, werden sich Merkel und die politische Kaste nicht wundern dürfen, dass es in Deutschland politisch und extrem gesehen, weiter den Bach runter geht.
Mit dem Totschlagargument „Arbeitsplatz“ sind hierzulande schon einige Argumente abgewürgt und Gesetze wie ein Gummiband gedehnt worden.
Wer Arbeitsplätze garantiert, der kann machen, was er will? Der Eindruck drängt sich manchmal auf. Aber das kann es ja nicht sein. Obwohl man manchmal den Eindruck hat, dass genau das im globalisierten Deutschland das Credo 4.0 ist.
Wie war das noch nach der Bundestagswahl und dem schrecklichen Lavieren danach? Neuanfang – haben alle verkündet. Auf die Menschen hören, ihre Sorgen ernst nehmen.
Was ist daraus geworden? Nichts! ULRICH JUNG
Nach dem Erdogan-Besuch
Stolz? Worauf?
Muss man, darf man eigentlich noch stolz sein auf Deutschland? Auf unseren Rechtsstaat? Auf unsere Demokratie?
Nach dem Besuch des Türken Erdogan sind Zweifel angebracht.
Zwar halten sich Kanzlerin und Bundespräsident zu gute, dass sie die kritischen Themen deutlich angesprochen haben. Und dass Erdogan beim Staatsbankett fast wütend verbal um sich schlug, könnte ja tatsächlich den Eindruck verstärken, dass „wir“ es ihm, der Deutschland als Nazi-Staat verunglimpfte, endlich mal gezeigt haben.
Der opulente Empfang, das Getue rundherum, das (sorry) teilweise kriecherische Gehabe unserer obersten Repräsentanten, sprechen freilich eine andere Sprache. Eine, die Erdogan am Schluss sagen ließ, dass sein Besuch ein voller Erfolg war.
So ist es. Recht hat er. Und was erreichte Deutschland?
Unterm Strich wenig bis nichts. Was am Ende heißen wird: massig viel Euro überweisen, damit unser Wirtschafts- und Nato-Partner nicht vor die Hunde geht. Allein das war das Ziel des Erdogan-Besuchs. Und das hat er erreicht.
Die Weltgemeinschaft wird es mit Argusaugen beobachtet haben, wie Deutschland mit tiefem Kotau einem Antidemokraten und Diktator die höchste Ehre erwies. Und die Kasse weit geöffnet hält.
Darauf kann man nicht stolz sein. ULRICH JUNG
Groko. Keine Mehheit
Wer wundert sich?
Wirklich wundern dürfte sich kaum jemand, der zumindest ein Ohr am politischen Geschehen hat: Union und SPD haben nach jüngster Umfrage keine Mehrheit mehr bei den Wählern.
CDU/CSU bekommen gerade mal 28 Prozent bei der Sonntagsfrage – das mieseste Ergebnis, seit dem es das ZDF-Politbarometer gibt. Die SPD erreicht schlappe 17 Prozent – schlecht wäre noch eine positive Umschreibung für die einstmals so stolze Volkspartei.
Aprops: Volkspartei dürften beide Regierungspartner wohl kaum noch genannt werden.
Da kommt einiges zusammen, was die Stimmungslage in den Abgrund führte. Alles aufzuzählen seit dem quälenden Hick-Hack der Regierungsbildung nach der September-Wahl voriges Jahr, würde jeden Rahmen sprengen. Ausschlaggebend, letztendlich das i-Tüpfelchen für den Absturz, war mit Sicherheit das äußerst peinliche Handeln in der Causa Maaßen. So etwas dürfen sich verantwortungsvolle, Verantwortung für die „Menschen da draußen“ heuchelnde Regierungspolitiker, nicht erlauben.
Dann das Gerangel um eventuelle Neuwahlen. Abgelehnt aus Angst vor Erfolgen der AfD. Geht’s noch? Die ach so demokratischen Parteien lassen sich quasi vorschreiben (von Antidemokraten), wie sie zu handeln haben? Dabei wäre es ein mutiges Zeichen der Demokraten, wenn die Kanzlerin die Misstrauensfrage stellte und es danach Neuwahlen geben könnte.
Die „Menschen da draußen im Land“ sind nicht so blöd, als dass sie „Heil der AfD“ riefen und alles den Bach runtergehen ließen. Man muss ihnen “ nur“ sagen, wie es weitergehen soll in unserem Land ohne die dramatischen Vorgänge z.B. in Sachen Asylpolitik: Zugeben, dass da einiges schief gelaufen ist, dass man es angeht und anders machen kann. Die Themen Bildung, bezahlbarer Wohnraum u.a. sind immens wichtig. Aber: Umfragen hin und her, egal, wo man sich bewegt, die Themen Asyl, Asylanten, Messermorde usw. begleitet einen überall. Überall sprechen „die Menschen das draußen im Land“ über diese Themen. Begleitmusik bald Tag für Tag die Schlagzeilen in den Medien. Nicht nur in den mit den vier Großbuchstaben. Von der Politik schön gequasselt. Was geschieht? Gefühlt nichts!
Und jetzt noch der pompöse Empfang des Diktators Erdogan. Roter Teppich, Militärparade, Tiefer Bückling des Bundespräsidenten, der Bundeskanzlerin, Staatsbankett. Man hat den Eindruck, als ginge es mehr um Wirtschaft als um Menschenrechte – trotz einiger, kritischer Sätze, die aber weggelächelt wurden vom türkischen Möchte-gern-Sultan. Die Kanzlerin stand lächelnd daneben. Das wird sich in der nächsten Umfrage niederschlagen.
Deutschland braucht eine politische Erneuerung. Von Grund auf. Das Problem: Wie soll das gehandelt werden? Mit dem derzeitigen Regierungspersonal wird das kaum gelingen. Und Alternativen sind nie hoch gekommen. Sie wurden weggebissen und erstickt. Der Wechsel von Kauder zu Brinkhaus könnte ein erstes Zeichen sein, dass sich zumindest die Union Gedanken macht, wie sie wieder näher an die Menschen kommen könnte. Ohne Merkel.
Ein Anfang? Mehr aber erstmal nicht. ULRICH JUNG
Nach dem Maaßen-Deal
„Haben uns geirrt“
Haben Merkel, Seehofer und Nahles nicht vor ihrem Maaßen-Deal erkannt – erkennen müssen -, was dann auf sie zukommt? Einen hohen Beamten, der schwere Fehler gemacht hat, zu befördern anstatt ihn zu entlassen, das war doch keinem einigermaßen im realen Leben Stehenden zu vermitteln. Man muss wohl Politiker sein, und dann noch jemand, den allein Machterhalt als Charakterzug „qualifiziert“ und bestimmt nicht die so gerne zitierte Fürsorge für die „Menschen da draußen im Lande“, um dermaßen schwerwiegende Fehlentscheidungen zu treffen.
Und von wegen Gesichtswahrung. Ihr Gesicht haben alle drei verloren, und, schlimmer noch, auf Kosten des Vertrauens in die Politik im Allgemeinen. Die jüngsten Umfragen geben ein erschreckendes Bild.
Großmäuligkeit (Nahles), Hinterhältigkeit (Seehofer), der Glaube an Unfehlbarkeit (Merkel) – das ist der Stoff, aus dem in Deutschland offenbar Regierungspolitik gemacht ist.
Ganz peinlich wird’s nun, da die SPD-Vorsitzende Andrea Nahles eine Neuverhandlung der Beförderung von Verfassungsschutz-Präsident Hans-Georg Maaßen fordert. Das geht aus einem Brief hervor, den sie an Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bundesinnenminister Horst Seehofer geschrieben hat und über den mehrere Medien übereinstimmend berichten. Nahles ruft um Hilfe, könnte man das überschreiben.
Weiter heißt es, dass die "durchweg negativen Reaktionen aus der Bevölkerung zeigen, dass wir uns geirrt haben. Wir haben Vertrauen verloren, statt es wiederherzustellen. Das sollte Anlass für uns gemeinsam sein, innezuhalten und die Verabredung zu überdenken."
Ja, hätten sie bloß vorher nachgedacht und nicht vorlaut aus der Hüfte geschossen. Jetzt haben sie den Salat. Maaßen und die AFD klopfen sich auf die Schenkel. Diese Regierung hat einmal mehr bewiesen, dass sie nichts zustande bringt, dass die ewigen Streitereien untereinander den Ruf der Politiker-Kaste einmal mehr schwer beschädigen, dass es, zu Ende gedacht, wahrscheinlich das Beste wäre, diese Koalition flöge so schnell wie möglich auseinander und nach Neuwahlen ein ernsthafter Versuch gestartet würde, bei entsprechendem Ergebnis erfolgreich „Jamaika“ auf den Weg zu bringen. Ein quälendes Weiter-so beschädigte die Demokratie gefährlich und nachhaltig. ULRICH JUNG
Gleiches Recht (für alle?)
In einem Rechtsstaat sind alle gleich, haben alle die gleichen Rechte; ob Mörder, Vergewaltiger, Kinderschänder – ja, und auch sog. Gefährder und Hassprediger. Das sei unbestritten. Ein Rechtsstaat, seine Richter haben nicht Stammtische als Beratungsgremien anzuhören. Auch im Fall Sami A. nicht, der abgeschobene Islamist, Hassprdiger und angebliche Leibwächter Osama Bin Ladens, der jetzt auf Staatskosten aus Tunesien zurückgeholt und mit Steuergeldern alimentiert wieder hier leben soll. Der Rechtsstaat hat das so entschieden.
Alle haben also die gleichen Rechte. Ja, alle!
Auch wir, die Bürger dieses Rechtsstaates. Wir haben das Recht, vom Staat geschützt zu werden – auch vor Mord und Todschlag, vor Vergewaltigung und Terror.
Was aber ist mit den zahlreichen Gefährdern und Kriminellen, die 2015 als Flüchtlinge, oder Schutzsuchende, wie es heute heißt, hierher kamen? Ohne Papiere, ohne Registrierung, einfach abgetaucht, und niemand weiß, wohin und wie viele. Dass zuständige Dienste seit Jahren immer wieder klar und deutlich vor den Folgen warnen, dass laut Rechtsstaat und entsprechender Abkommen Gefährder und Kriminelle ausgewiesen werden müssen, scheint den Rechtsstaat, die politisch Verantwortlichen und große Teile der veröffentlichen Meinung, die derzeit gleiches Recht für alle predigen, nicht sonderlich zu beschäftigen.
In Deutschland ist prächtig Leben – für Alle…
Bis auf diejenigen, die die Folgen zu spüren bekommen. ULRICH JUNG
Spinner und Bekloppte
Was sind das für Menschen, die derzeit in der Welt Politik bestimmen? Politik nicht in irgendwelchen Operettenstaaten, sondern in den wichtigsten und mächtigsten Ländern auf diesem mittlerweile geschundenen Erdball?
Demagogen, Despoten, Großkotze – Spinner und Bekloppte würde man im Klartext sagen.
Putin, Erdogan, Trump, Assad, Kim Jong Un, um nur die aktuellsten und gefährlichsten zu nennen. Sie zündeln (noch) verbal am Sprengstoff, der gezielt kaputtmacht, was z.T. in Jahrzehnten in West und Ost – auch mit West und Ost - aufgebaut wurde. Verträge interessieren nicht mehr, einzig Macht zählt, Wirtschaft kann ruhig zerbröseln (man staunt: auch vor der eigenen machen sie nicht halt); es ist, als hätten sie aus der Vergangenheit nichts gelernt. Amerika first, Russland first, Türkei first. Korea: will Atommacht sein. Nach uns die Sintflut. Und die jeweiligen Völker scheinen mitzuspielen.
Der Rest der Welt schüttelt mit dem Kopf und hofft, dass der Spuk bald vorbei gehen möge. Bitte ohne Kollateralschäden.
Mit freundlichen Worten, Dienstreisen und langen Gesprächen (so sie denn überhaupt zustande kommen), mit Sanktionen und sonstigen Drohungen ist es offensichtlich nicht getan. Das perlt ab bei „Führern“, die als Egomanen ihre Herrschaft bestimmen. Freundlich in die Kameras blicken, Händeschütteln, unverbindliche Statements. Nicht das Land „first“, sondern ich und ich und nochmals ich…
Also: Wer oder was stoppt diese Typen? Ein Putsch? Die Geheimdienste? Oder, mit Verlaub, ein Scharfschütze? Das Volk?
Letzteres wäre das Beste, aber das ist schwierig ohne demokratische Wahlen. Die allerdings könnten immerhin einen Trump demokratisch „abschießen“. Was im Endeffekt womöglich wenig bringt, so lange die anderen Spinner weiter ihre Völker und die Welt drangsalieren.
Was bleibt?
Wahrscheinlich zur Zeit fast nichts. Europa, von Einigkeit und Einheit weit entfernt, hat andere Sorgen (und ebenfalls genug Spinner); Stichwort Flüchtlinge. Die Russen, Türken, Koreaner sind geknebelt und froh, wenn sie einigermaßen unbeschadet den nächsten Tag erleben. Aufstand gegen die Demagogen, Despoten Großkotze: nicht in Sicht. Und Assad bombt weiter gegen sein Volk.
Und so darf man wohl mit Recht zusammenfassen: Die so genannte freie Welt lebt am Abgrund. Freiheit, Demokratie, Menschenrechte werden in weiten, auch und gerade wichtigen Teilen der Welt, in denen vor nicht allzu langer Zeit Hoffnung keimte auf Besserung, inzwischen mit Füßen getreten.
Und in der schönen „freien Welt“, wie u.a. im einstmals als Vorbild hoch gelobten Deutschland, sind Kräfte heftig dabei, unsere hart erkämpfte Demokratie nach und nach zu demolieren. Und man nicht den Eindruck, dass unsere Regierung da heftig gegensteuert.
ULRICH JUNG
Seehofer macht den Trump
Jetzt macht Seehofer auch noch den Trump. Weil er sich von Kritikern (vor allem in den Medien) verfolgt fühlt, eine Kampagne gegen seine Person wittert, will er jetzt twittern, wie der amerikanische Präsident; um „seine Wahrheiten“, die angeblich nicht berücksichtigt würden, dem Volke mitzuteilen. Motto: Schluss mit den fake-news über ihn und die Partei und das Land…
Das wird lustig. Oder vielleicht doch eher traurig, womöglich sogar gefährlich für ihn und seine CSU? Denn wie der Bayer tickt, hat er hinreichend in seinen Reden und Eskapaden gegen die Kanzlerin auch ohne Twitter gezeigt. Jetzt noch gegen die Medien zu schießen macht den politischen Charakter Seehofers weder besser noch glaubwürdiger. Im Gegenteil! Und er zieht seine Partei mit in den Abgrund, wie jüngste Umfrageergebnisse zur Bayern-Wahl im Herbst belegen.
„Als Bundesinnenminister wäre es aber vielmehr seine Aufgabe, den Rechtsstaat einschließlich unabhängiger und kritischer Medien zu verteidigen und nicht pauschal zu verunglimpfen“, sagte FDP-Fraktionsvize Theurer. „Seehofer sollte sich umgehend für diesen Fehltritt entschuldigen, um weiteren Schaden für den Rechtsstaat abzuwenden.“ Es werde immer klarer, dass Seehofer ein Parteivorsitzender und Minister auf Abruf sei. „Nach der Landtagswahl in Bayern wird er noch als Sündenbock für ein historisch schlechtes CSU-Ergebnis gebraucht. Danach heißt es dann „Servus“.“
Der Mann hat recht.
Das Auslaufmodell Seehofer kämpft seinen letzten Kampf – wie ein angeschlagener Boxer: um sich schlagend, ohne Rücksicht auf Verluste, unkontrolliert. Wie Trump. ULRICH JUNG
Mahnwache für "Chico"
Mahnwache für "Chico", für den eingeschläferten Kampfhund, der seine Besitzer - eine 52jährige im Rollstuhl und deren Sohn totgebissen hat. Tierfreunde rufen auf, am Sonntag vor dem Veterinäramt in Hannover Kerzen und Plakate mitzubringen und zu demonstrieren. Überall in den Medien war es gut platziert zu lesen.
Das wird den einen oder anderen sicherlich zu Tränen rühren und zu strammen Protestbekundungen hinreißen.
Gut so.
Gut so?
Immerhin darf man wohl , ohne den Tierfreunden auf den Schlips zu treten, die Festellung treffen: Hat man irgendwo von einer Mahnwache für die Totgebissenen gelesen?
Tierfreunde - Menschenfreunde: passt nicht zusammen... UJ
Seehofer: Islam gehört nicht zu Deutschland
Übliche Reflexe
Gerade ein paar Stunden im Amt, und schon hat der neue Innen- und Heimatminister für die üblichen Reflexe auf bestimmte Äußerungen gesorgt. "Der Islam gehört nicht zu Deutschland", so Horst Seehofer in einem Interview. Fette Schlagzeilen, Rumoren nicht nur in der Opposition, so, wie es halt immer läuft, wenn nur das Wort Islam auftaucht und von iteressierter Seite in einen zu allen (gerne negativen) Richtungen interpretierbaren Zusammenhang gestellt wird. Da reicht meist nur ein Satz (s.o.), der Rest fällt dem Eifer und den Eiferern zum Opfer und wird gleich unter den Teppich gefegt. Motto: Wir lassen uns unser Vorurteil nicht kaputtmachen...
Denn Seehofer sagt auch: "Deutschland ist durch das Christentum geprägt. Dazu gehören der freie Sonntag, kirchliche Feiertage und Rituale wie Ostern, Pfingsten und Weihnachten." Und weiter: "Die bei uns lebenden Muslime gehören aber selbstverständlich zu Deutschland. Das bedeutet natürlich nicht, dass wir deswegen aus falscher Rücksichtnahme unsere landestypischen Traditionen und Gebräuche aufgeben." Dann - ein ganz entscheidender Passus, der bei den Interpretationskünsten seiner Kritiker natürlich keine Erwähnung findet: Gleich in der darauf folgenden Antwort nämlich kündigt der CSU-Chef an, die Islamkonferenz wieder einzuberufen. "Meine Botschaft lautet: Muslime müssen mit uns leben, nicht neben oder gegen uns. Um das zu erreichen, brauchen wir gegenseitiges Verständnis und Rücksichtnahme, und das erreicht man eben nur, wenn man miteinander spricht."
In diesen Sätzen Fremdenfeindlichkeit zu vermuten, Rassismus gar, ist ziemlich an den Haaren herbeigezogen, ja, böswillig; auch wenn die Kanzlerin wie weiland Bundespräsident Wulff bei ihrer Bewertung bleibt, der Islam gehöre zu Deutschland. Seehofers Aussage, dass Muslime und Christen (nämlich "wir" alle in Deutschland) miteinander reden müssen, dass nur so Verständnis und Rücksichtnahme entstehen können, dagegen wird ja wohl niemand sein, der ernst genommen werden will.
Es ist traurig - und das zeigt die jüngste Debatte, die leider wieder mit den alten, untauglichen Argumenten daherkommt - dass über ein immens wichtiges Thema hierzulande offensichtlich nicht vernünftig und nicht mit Augenmaß diskutiert werden kann. Von vernünftigem Handeln, von weiterbringenden Entscheidungen ganz zu schweigen. ULRICH JUNG
"Geschlechtsneutrale" Hymne
Genderwahnsinn
Der Genderwahnsinn feiert inzwischen auch bei uns fröhlichen Blödsinn. Jüngstes Beispiel: Die Gleichstellungsbeauftragte eines Bundesministeriums Kristin Rose-Möhring (SPD) will die Nationalhymne geändert haben. Der Begriff "Vaterland" solle durch "Heimatland" (Horst Seehofer dürfte sich innerlich freuen...) und der Begriff "brüderlich" durch "couragiert" erstetzt werden.
Davon abgesehen, dass couragiert inhaltlich schon etwas ganz anderes meint als brüderlich, es ist schon eine Dreistigkeit, das vor rd. 177 Jahren von Hoffmann von Fallersleben geschriebene "Lied der Deutschen" geschlechtsneutral "anpassen" zu wollen. Denn die Frage ist doch im Endeffekt: Wo soll das enden? Was kommt noch alles? Welchem Schriftsteller, Musiktexter u.a. Künstler werden sich Frau Rose-Möhring und die ihr geistig Nahestehenden demnächst widmen? Kunst, die in einem Rechtsstaat jegliche Freiheit genießt, als Spielball von Gender-Fanatikern und -Fantasten? Kunst, nach Belieben verändern?
Hier soll ein Leser der Süddeutschen Zeitung zu Wort kommen, der dieser Tage schrieb: "Genauso gut könnten wir der Mona Lisa einen Schnurrbart aufmalen, weil im Louvre mehr Frauen- als Männderporträts hängen, und das ist ja auch Diskriminierung..."
Da wäre es vielleicht sinnvoll, einen "männlichen" Gleichstellungsbeauftragten zu installieren. Mit Frau Kristin Rose-Möhring wäre nicht einmal der symbolische Gedanke zu diskutieren.
ULRICH JUNG
Politik hält uns für blöd
Öl ins Feuer
Zwei Meldungen haben dieser Tage mal wieder gezeigt, für wie blöd uns die Politik hält. Zum einen hieß es, der Staat solle die Kosten für saubere Dieselautos bezahlen (nachdem sich die Autoindustrie weggeduckt hatte). Und dann tönte es, man werde testweise den Öffentlichen Nahverkehr (ÖPNV) gratis anbieten.
Super, könnte man denken. Die lassen sich endlich was für die Menschen da draußen im Lande einfallen.
Weit gefehlt. Beim näheren Hingucken nämlich bleibt festzuhalten: DER STAAT sind wir alle, nicht Merkel und ihre Truppe. WIR Steuerzahler (der Staat), und nicht nur die Stinker-Fahrer müssten blechen im Fall des Falles, die Fußgänger, Bus-, S-Bahn- und Fahrradfahrer… Und einen Öffentlichen Nahverkehr kann es gar nicht gratis geben. Glaubt denn ernsthaft jemand, das Personal würde aus lauter Umweltfreundlichkeit und Umweltschutz auf sein Gehalt verzichten? Und wer soll für Sprit (auch Diesel!) oder S-Bahn-Strom usw. aufkommen? WIR natürlich. Ob wir ÖPNV nutzen oder nicht. Ein Märchen, höflich ausgedrückt, dem in TV-Umfragen der eine oder die andere regelrecht glücklich entrückt geradezu dankte. In Klardeutsch freilich: Eine riesige Volksverarschung.
Eins bleibt, selbst wenn der ganze Schwachsinn in irgendeiner Minister-Schublade verschwindet (hoffentlich auf Nimmerwiedersehen): Die ganze Debatte war eine riesige Kanne Öl aufs Feuer der Politik- und Politikerverdrossenheit. Nur hat’s kaum einer gemerkt, weil GroKo und das ganze Drumherum die Schlagzeilen bestimmten. ULRICH JUNG
Essen nur mit deutschem Pass
Inakzeptabel
Natürlich ist es inakzeptabel, wenn die Essener "Tafel" vorerst nur noch Kunden mit deutschem Pass aufnimmt und mit Essen versorgt. Essensausgabe an Staatsangehörigkeit oder Hautfarbe zu koppeln, das ist schon eine Dreistigkeit, die zweifellos den Rechtspopulisten Wasser auf ihre Mühlen gießt. Zuletzt seien immer weniger Rentner, ältere Nutzerinnen und Alleinerziehende gekommen, die sich von den vielen jungen fremdsprachigen Männern abgeschreckt fühlten. Auch habe er "mangelnden Respekt gegenüber Frauen" beobachtet, entschuldigt sich Vereinsvorsitzer Jörg Sartor.
Mag ja sein. Nur warum diese Überreaktion quasi gegen alle Migranten? Warum reagiert der Tafel-Verein nicht so, wie er nicht nur Rentner und Alleinerziehende hätte schützen und sich die heftigen Reaktionen der Öffentlichkeit ersparen können?
Wer sich schlecht benimmt, Alte und Frauen schikaniert, der gehört 'rausgeworfen und mit Hausverbot in die Schranken gewiesen. Ob Deutscher oder Migrant. Das hätte jeder Außenstehende verstanden und akzeptiert. ULRICH JUNG
Keine Umfragemehrheit für Union/SPD
Wozu noch GroKo?
Wozu noch das Gerangel um GroKo oder No-GroKo? Laut neuster Umfrage wäre die parlamentarische Mehrheit einer Großen Koalition im Bundestag eh dahin: Gerade mal 47,5 (!) Prozent der Befragten würden derzeit noch zusammen für SPD und CDU/CSU stimmen.
Und nun?
Wenn noch lange gewartet wird – etwa bis zur Mitgliederabstimmung der Sozialdemokraten oder bis zu Neuwahlen – dann dürfte die angepeilte GroKo endgültig den Bach runter sein.
Am besten: Schwamm drüber, entweder „Jamaika“ neu beleben (laut Umfrage wären 54 Prozent für ein Bündnis aus Union, Grünen und FDP), oder doch eine Minderheitsregierung. Mehr wäre eine GroKo ja auch nicht.
Ach ja. Nach diesen Ergebnissen und Gedankenspielen bleibt natürlich Fragen: Wer – also welche Mehrheit – würde den Kanzler/die Kanzlerin wählen? Bei wem steht Merkel eigentlich jetzt noch auf Zettel? Wer stellt sich, im Fall des Falles, überhaupt zur Verfügung?
Ein Dilemma, in das unterm Strich der große Europäer Schulz die Bundesrepublik mit seinem Hin- und Hergewackel getrieben hat.
Deutschland wankt angeschlagen ein halbes Jahr nach der Bundestagswahl vor großen Umbrüchen in der Parteienlandschaft. Insofern haben die roten, schwarzen grünen, gelben, knallroten Lautsprecher alle recht: Ein Weiter-So darf es nicht mehr geben.
Wird es so gesehen auch nicht. ULRICH JUNG
Sachgrundlos befristete Arbeitsverträge
Doppelzüngig
Was haben sie sich in den Koalitionsverhandlungen zum Thema sachgrundlos befristete Arbeitsverhältnisse gestritten. Vor allem die SPD, die heftig Missstände in der Wirtschaft anprangerte, erpresste am Ende strengere Regeln und feierte das als einen ihrer großen Erfolge. Und jetzt kommt heraus, dass ausgerechnet Bundesministerien munter viele Jobs nur befristet vergiben. Ganz oben auf der Liste prangt mit einem Anteil von 13,7 Prozent gemessen an der Zahl aller Beschäftigten ausgerechnet das seit 2013 SPD-geführte Sozialministerium. Insgesamt stellen 11 der 14 Ministerien teils deutlich mehr als 2,5 Prozent der Beschäftigten mit einen sachgrundlos befristeten Vertrag ein.
Auch bei den Neueinstellungen setzen viele Ministerien auf sachgrundlos befristete Verträge. Im CSU-geführten Entwicklungsministerium machten sie vergangenes Jahr gar 98 Prozent aus. Beim CDU-geführten Bildungsministerium waren es 76 Prozent, beim Sozialministerium 67 Prozent der Neueinstellungen. Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der FDP-Bundesabgeordneten Linda Teuteberg hervor.
Wie war das noch mit dem Vertrauen, das die neue Große Koalition, namentlich die SPD schleunigst wieder aufbauen wollte? Und der Gerechtigkeit? Von der Wirtschaft einfordern, und selbst gegen diese Forderungen hemmungslos verstoßen, das ist, vorsichtig formuliert, unverschämt. Und trifft natürlich auch die CDU/CSU.
Vertrauen wird so mit Sicherheit nicht aufgebaut. Im Gegenteil. Erst zerstören sie es mit dem Postengeschacher während der peinlichen GroKo-Verhandlungen, und dann werden sie auch noch bei einer dreisten Doppelzüngigkeit ertappt, wenn ihre so hochgelobten Ergebnisse einer genaueren Prüfung unterzogen werden.
Intrigen und Erpressungen pflasterten den Weg zum Koalitionsvertrag. Wahrlich keine gute Grundlage für eine erfolgreiche Regierung. Da kann man wirklich nur hoffen, dass ein Nein der SPD-Basis diesem Spuk ein Ende setzt. Die GroKo ist nämlich nicht alternativlos. Das gilt auch für die Führungselite der Möchte-gern-Koalitionäre. ULRICH JUNG
Schulz wirft hin
Quo vadis, SPD?
Jetzt hat er mit schlafwandlerischer Sicherheit auch das letzte Fettnäpfchen gefunden und sich – mit entsprechender Hilfestellung seiner Partei - bäuchlings hineingeworfen. Fast könnten einem der einstige 100-Prozent-Kandidat, den sie wie einen Hoffnungsträger, einen Halbgott gefeiert und angebetet haben, und besonders die SPD richtig leidtun.
SPD-Chef wollte er werden, Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland und schließlich Bundesaußenminister. Übrig geblieben ist nichts. Sein aus Unfähigkeit geborenes Taktieren, zum Schluss dazu das eiskalte Abservieren des derzeit beliebtesten SPD-Politikers Sigmar Gabriel, konnte kein gutes Ende finden. Nicht einmal das hat Martin Schulz begriffen. Er stürzte in den Abgrund, nachdem er seine Partei schon hineingestoßen hatte, und beendete gestern wohl seine politische Karriere. Es sei denn, er dreht wieder eine Pirouette und will nun doch SPD-Vorsitzender bleiben. Das aber ist wohl eher ein Alptraum als Realität.
Quo vadis SPD?
So ein Gewürge nach einer Bundestagswahl ist nicht erinnerlich. Partei und Personal in kürzester Zeit ruiniert und, schlimmer noch, Vertrauen insgesamt in die Politik komplett zerstört. Damit immerhin geht Schulz zumindest in die Geschichte der SPD ein.
Die SPD wird es jetzt noch schwerer haben, sich zu regenerieren. Wenn sie jetzt den Koalitionsvertrag platzen lässt, dann dürfte sie nicht nur lange Zeit in der Opposition dahindarben, sondern ihr Status Volkspartei, der eh mehr als angeknackst ist, wäre wohl endgültig dahin. Von der CDU ganz zu schweigen. Auch ihre Zukunft, besonders die der Kanzlerin, wäre ausgesprochen unsicher. Ja, man könnte sogar spekulieren, Schulz’ Eskapaden könnten, ginge die Koalition schief, auch Merkel mit in den Abgrund ziehen.
Sollte Schulz allerdings mit seinem Rückzug den Koalitionsvertrag gerettet haben, dann wäre das wenigstens ein kleines positives Pünktchen in seiner „Regentschaft“. Was die Sozialdemokraten daraus machen, wird letztlich am Spitzenpersonal liegen. Am hoffentlich neuen Spitzenpersonal.
ULRICH JUNG
SPD-Basisdemokratie
Mini bestimmt Maxi
Das ist Basisdemokratie nach Definition der SPD: Etwa 400 000 SPD-Mitglieder (wohlgemerkt: NICHT Wähler) sollen bestimmen, wie sich die nächste Bundesregierung (GroKo) zusammensetzt. 400 000 Parteigänger entscheiden für rd. 82 MILLIONEN Bürger.
Basisdemokratie ist das nicht. Und Demokratie schon gar nicht, wenn eine Mini-Minderheit unterm Strich das Sagen haben soll, nur weil die Parteiführung nicht führen kann und man sich seinerzeit mit einem Chef gesegnet hat, der es brillant verstand und versteht, sich bäuchlings in jedes selbst aufgestellte Fettnäpfchen zu werfen. Sich und seine Partei, die inzwischen dermaßen an die Wand gefahren wurde, dass nicht nur Parteigängern die Tränen kommen. So einen Absturz in Wahl- und Umfrageergebnissen hat es für die Sozialdemokraten noch nicht gegeben.
Und Martin Schulz schwadroniert weiter von Verantwortung für „unser Land“ und Vertrauen. Ersteres hat für ihn eine für die Allgemeinheit nicht nachvollziehbare Bedeutung, das zweite hat er längst grandios ohne Zutun der anderen Parteien verspielt. Für so einen Schwadroneur kann niemand Vertrauen entwickeln, der es einigermaßen ernst meint mit der Zukunft Deutschlands. Und wenn er jetzt noch darauf spekuliert, entgegen seinen Äußerungen im September nach der Wahl (In ein Kabinett von Angela Merkel trete ich nicht ein) doch Minister, am liebsten Außenminister und Vizekanzler „der Bundesrepublik Deutschland“ zu werden, dann hat er wohl alles verspielt, was ihm noch eine kleine Chance gelassen hätte, in der Bundespolitik, in einer GroKo, mitzumischen.
Die Große Koalition gehört beerdigt. So haben es die Wähler gewollt. Das hatte Schulz einst richtig erkannt, aber kurz drauf mit Schrecken festgestellt, dass er ohne GroKo weg ist vom politischen Fenster.
Wie Merkel übrigens auch. Warum wohl setzt sie alles daran, dass es zu Schwarz-Rot kommt? Damit sie Kanzlerin bleibt. Den Schulz, so mag sie denken, wird sie schon weg beißen, egal, in welcher Position er eventuell noch in Berlin auftaucht.
Lasst uns neu wählen. Das Ergebnis dürfte erheblich anders ausfallen, wie uns das derzeit kundgetan wird. Nach den Erfahrungen der letzten fast 5 Monate (!), in denen keine Regierung zustande kam, haben die Wähler viel gelernt. Vor allem: Was geht und was nicht geht. ULRICH JUNG
Sprachgebrauch politisch korrekt
Irgendwie blöd
Politisch korrekt hat es gefälligst zuzugehen. Natürlich – und ganz besonders – auch in Deutschland. Beispiel aus dem täglichen Leben, das von unserer eifrigen „Sprachpolizei“ erdacht und überwacht wird:
Früher sagte man ganz ungeniert „Studenten“. Oder auch „Studentinnen“. Geht nicht mehr. Heute heißen beide „Studierende“.
Spinnen wir das einmal spontan weiter. Statt „Arbeiter“ und „Arbeiterinnen“ - „Arbeitende“? Arbeitslose – der Arbeitslose, die Arbeitslose – darf weiter benutzt werden. Nicht-Arbeitende ginge eventuell auch so gerade noch.
Statt Autofahrer, Autofahrerin – Autofahrende? (Da streikt das Korrekturprogramm des PC).
Statt Leser, Leserin – Lesende. Nun ja.
Statt Sänger, Sängerin – Sängende… Nein, Quatsch: Singende.
Statt Sprecher, Sprecherin – Sprechende (Im Fernsehen oder Rundfunk). Cool.
Einen noch: Statt Liebhaber, Liebhaberin – Liebhabende… Noch cooler.
Und ganz zum Schluss: Statt Politiker, Politikerin – ja, was denn? Vielleicht Politisierende, Schwätzende, Am Sessel Klebende?
Oder: Statt Polizist, Polizistin – Poli…, da fällt einem nichts mehr ein. Besser: Statt Schutzmann, Schutzfrau – Schützende? Auch irgendwie blöd.
Einen Vorteil hat das Ganze, wenigstens teilweise: Es verkürzt; ein Begriff statt zweien, und den Geschlechterrollen wäre auch noch gedient. Die ständig in Reden besonders von unseren Politisierenden gebrauchten männlichen und weiblichen Begriffe langweilen ja doch schon und wirken teilweise echt lächerlich. Aber: Sie sind politisch korrekt. Und darauf kommt es an. ULRICH JUNG
Politik-Verdrossenheit
Wir, die Mitte?
Noch so eine Polit-Floskel: „Die kleinen Leute“, um die man sich kümmern müsse. Gerne gebraucht im Wahlkampf und in Sondierungen oder Koalitionsverhandlungen.
Gegen jeden Krampf wettern unsere Sprachwächter bis zum geht nicht mehr; bis zum Blödsinnigen. Aber die „kleinen Leute“ werden von ihnen nicht beachtet, keine Lobby – genau so wenig wie letzten Endes, wenn es darauf ankommt, von unseren Schwätzern in den Parteien. Vielleicht, weil „kleine Leute“ eben „klein“ sind, unwichtig, allenfalls gut genug, ihre Wählerstimme zu platzieren. Besonders natürlich bei den freundlich-sozial Daherkommenden, also in o.g. Zeiten praktisch bei allen Parteien. Die sich denn auch überschlagen mit ihren Geschenkangeboten (welche freilich in den seltensten Fällen später, wenn Regieren angesagt ist, verwirklicht werden).
Die „kleinen Leute“. Wer sind die eigentlich? Die Hartzer? Die Wenigverdiener? Die Sozialhilfeempfänger? Die Alleinerziehenden? Die Enterbten und Behinderten? Oder ist auch schon die sog. „Mitte der Gesellschaft“ betroffen; die, um die angeblich Rot, Schwarz, Grün, Gelb so lautstark und medienwirksam kämpfen, wenn wieder mal ein Urnengang bevorsteht?
Sind wir es also mehr oder weniger alle – Reiche und Privilegierte, die gefälligst die Geschenke bezahlen sollen, selbstverständlich ausgenommen? Äh – sie werden, so alles klappt, ausgenommen.
Wir, die Mitte.
Die scheint nun vor allem den Etablierten, den „Altparteien“ – früher sagte man: Volksparteien –, denen also, die jetzt verkrampft um eine Neuauflage des Stillstandes Feilschenden, weil ihnen nichts anderes übrig bleibt, um weiter ihre Posten und Macht zu genießen - am 24. September vorigen Jahres den Stinkefinger gezeigt zu haben. Die „Kleinen“ haben sich gewehrt. Die Volksparteien schrumpfen. Die Werte, auf denen der Rechtssaat Deutschland aufgebaut ist (war?), seine Markenzeichen, schrumpfen auch oder werden gleich ganz beiseite gefegt.
Und die Demokratie? Wohin schrumpft die?
„So darf es nicht weiter gehen“, hört man allenthalben aus den politischen Ecken. Richtig! Nur: Wie es weiter gehen soll, darüber hört man bislang wenig bis gar nichts.
Derweil die Politik- und Politiker-Verdrossenheit fröhliche Urständ feiert. ULRICH JUNG
Politik nach der Wahl
Wie der Wind sich wendet
Fast hatte man es ja nach den etlichen Kehrtwenden des Kandidaten geahnt: Martin Schulz, die einstige 100-Prozent-Hoffnung der SPD, will offenbar nun doch noch ins Kabinett Merkel (so es denn zu einer Großen Koalition kommen sollte). Als Außen- oder Finanzminister!
Was hat der Mann nicht schon alles dahergeschwafelt. „Nein zur Groko“, der Wähler habe mit seinem Votum die Sozialdemokratie in die Opposition geschickt; die Zusammenarbeit mit der CDU sei nach dem Wahlabend beendet; „in eine Regierung von Angela Merkel werde ich nicht eintreten.“
Alles kassiert, wie man inzwischen weiß. Wähler und Politik dürften schwindelig gequatscht sein. Was-interessiert-mich-mein-Geschwätz-von-gestern-Weltmeister Konrad Adenauer ist um Längen geschlagen. Neu auf dem Treppchen wirbelnder Sprüche präsentiert sich Martin Schulz. Und die SPD ist inzwischen nicht zuletzt Dank des Ex-Bürgermeisters aus Würselen, der so gerne „Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland“ geworden wäre, an die Wand gefahren. Um die 18 Prozent der Wähler, so jüngste Umfragen, würden sich derzeit für die SPD entscheiden. Die AfD ist da nicht mehr weit entfernt.
„Vertrauen in die Politik“ - das vor, während und nach dem 24. September vorigen Jahres meist gebrauchte Wort -, wie will man das denn so wohl wieder herstellen? Wie kann man jemandem vertrauen, der sich dermaßen dreist windet, wie der Wind sich wendet? Und seine Partei spielt mit.
Wer jetzt noch ernsthaft glaubt, unsere Polit-Elite setze sich doch vor allem fürs Land und die „Menschen da draußen“ ein, dem ist nicht mehr zu helfen.
„Erneuerung“ – auch so eine vielgebrauchte Floskel. Mit welchem Personal? Etwa mit dem, das sich die letzte Legislatur taub stellte, wenn es um Belange „der Menschen“ ging, das zwar angeblich mit treuem Augenaufschlag die „Sorgen und Nöte der Bürgerinnen und Bürger“ angeblich ernst nimmt; und sich am Ende, also nachdem die Wähler ihre Pflicht und Schuldigkeit getan haben, doch lieber dem Machterhalt widmet? Oder wichtig daherfaselt, um anschließend das Gegenteil zu tun?
Um nicht missverstanden zu werden: Sachlicher Streit, ein Ringen um Kompromisse – das ist gelebte Demokratie. Wobei die Betonung auf sachlich liegt; und auf Ehrlichkeit.
Mit dem Großteil der augenblicklich mehr gegeneinander als miteinander kämpfenden Leitenden Angestellten der Bundesrepublik ist eine Erneuerung, eine vor allem inhaltliche Erneuerung zumindest derzeit nicht denkbar. Das „gemeine“ Volk wendet sich kopfschüttelnd ab. Und die „da oben“ wundern sich? Ernsthaft? ULRICH JUNG (26.2.2018)
SPD nach dem Parteitag
Der Chef ist das Problem
Das größte Problem für die SPD ist ihr Chef. Martin Schulz, der einst hochgejubelte 100 Prozent-Kandidat. Er hat die Partei an den Abgrund geführt. Den Schritt weiter hat er bereits am Wahltag eingeleitet.
So sieht Führung nicht aus. Im Gegenteil: Sich alles absegnen zu lassen mag ja auf den ersten Blick demokratisch wirken, im Endeffekt zeigt es eine eklatante Führungsschwäche. Auch die Sozialdemokraten wollen (bildlich gesprochen) an die Hand genommen werden und gezeigt bekommen, wohin der Hase laufen soll.
Seine Rede anlässlich des Bonner Sonderparteitages hat das einmal mehr gezeigt. Zusammengefasst: Der taugt nicht zu einem, der Aufbruch und Neuausrichtung den Wählern „verkaufen“ kann – und durchsetzen kann schon gar nicht. Seine Drehungen und Windungen, seine Sprüche seit dem 24. September, sein ganzes peinliche Getue und Gehabe , wie gut, dass die Wähler ihn offenbar durchschaut und dafür gesorgt haben, dass er nicht „Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland“ (sein bis ins Unerträgliche vorgetragener Slogan) werden kann.
Mit ihm eine GroKo aufzubauen, ist ein Risiko; für SPD und CDU/CSU gleichermaßen. Seine Ankündigung, nach zwei Jahren eine Bilanz ziehen zu wollen (bzw. ziehen zu lassen von der Parteibasis) ist quasi die Bruchstelle der GroKo-Neuauflage. Wenn sie dann tatsächlich bricht und dann Neuwahlen kommen, sind zumindest Schulz und Merkel weg vom politischen Fenster.
Optimistisch – oder ketzerisch – könnte man sagen: Hoffentlich kommt’s so! Dann wäre endlich der Weg frei für frisches Blut. Denn die alten Köppe, die alten Sprüche kann man eh nicht mehr hören und sehen.
Ja, Neuwahlen müssen her, je eher, desto besser. Die Wähler haben in den langen vier Monaten nach der Bundestagswahl viel dazu gelernt. Und deshalb wird das Ergebnis keineswegs so ausfallen, wie das im September 2017.
Und wenn die Rechten dann ein par Prozentchen gewinnen, dürfen sich das die sog. Etablierten, die „Volksparteien“ (die längst keine des Volkes mehr sind) auf ihre schlaff im Wählerwind hängende Fahnen schreiben.
Vielleicht bringt das die „Altparteien“, die sich ja als super-demokratisch-Gewählte fühlen, an einen Tisch setzen und das verwirklichen, was sie uns immer vormachen: Für das Land, nicht für die Partei… ULRICH JUNG
Die Welt am Abgrund?
Trump hat den Größten
Trump hat, wie immer, den Größten, sagt er; diesmal den größten Atomknopf auf dem Schreibtisch (fake news).
Wenn es nicht so traurig, ja, brandgefährlich wäre, könnte man das infantile Gehabe des amerikanischen Präsidenten und des nordkoreanischen Machthabers Kim als das abtun, was es ist: als unglaublich lächerliches Spielchen, wie man es augenzwinkernd vielleicht kleinen Jungens zutraut, die im Sandkasten ihre frühkindlichen Aggressionen austoben.
Wenn aber die größte Atommacht der Erde und ein Möchtegern-Welt-Staatsmann, der mit Atomraketen herumfuchtelt und des USA mit Atomkrieg droht, dermaßen verbal aufeinander einprügeln, dann kann man nur noch zusammenzucken und sich fragen: Was für Knalltüten sind da am Werke? Was ist das für eine Welt, in der offensichtlich Leader das sagen haben, die nicht mehr ganz richtig ticken und denen ziemlich alles egal ist – bis natürlich auf ihre eigene Macht? Was kommt da als Nächstes?
Ein Clown und ein feister Egomane – bestimmen die demnächst das Schicksal unseres Planeten, unser aller Schicksal?
Clowns und Egomanen gibt es nicht nur an der Spitze der Vereinigten Staaten und Nord-Koreas. Die findet man – abgespeckt, was das Atomare angeht - fast überall auf Regierungsetagen und vor deren Türen.
Bleiben wir beim Nachdenken „Wo denn“ bei uns. Ist es nicht eine Clownerie, was da inzwischen abgeht in Sachen Regierungsbildung? Sind es nicht auch meist Egomanen, denen es um nichts anderes geht als um Macht und Machterhalt? Motto: Ran an die Futtertröge, wer hat noch nicht, wer will noch Mal… Der Wähler hat seine Schuldigkeit getan, jetzt entscheiden wir über uns. Und da wenden wir uns auch gerne, wenn der Wind sich wendet.
Oder nehmen wir die EU. Einigkeit? Fehlanzeige! Nicht einmal beim brennensten Thema „Flüchtlingspolitik“ kommt man auf einen vernünftigen Nenner. Gemeinsamkeit in der Finanzpolitik? Fehlanzeige und immer schon das schwebende Todesurteil über der so genannten Europäischen Union. Dafür werden Despoten wie der Türke Erdogan oder sein Außenminister herzlich willkommen geheißen – ob bei uns oder gerade erst mit freundlichem Händedruck in Frankreich.
Die gerne so genannte freie Welt spinnt. Hoffentlich geht sie nicht 2018 – am Abgrund stehend – noch einen Schritt weiter. ULRICH JUNG
Sondierungsgespräche
Eine große Schau
Hier die einen – CDU und (teilchenweise) die CSU -, da die anderen – die SPD, die Sozialdemokraten, die aufgeblasen wie der Würselener Parteichef Schulz so tun, als seien sie die einzigen Wahlgewinner und könnten mindestens den Verlauf der Geschichte bestimmen.
Wieder mal Sondierungsgespräche, wohlgemerkt: über 100 Tage nach der Bundestagswahl, als ob man nicht schon jahrelang gemeinsam eine Regierung gestaltet hätte, als ob man sich jetzt erst einmal kennenlernen und die Gesinnungen neu ausloten müsste.
Ist doch alles nur eine große Show, um einerseits innerparteilich Muskeln zu zeigen, und nach außen dem Wähler zu suggerieren, du kannst wählen, was du willst – es ist immer richtig…
Zum Letzteren: Wirklich?
Man liegt wohl nicht ganz falsch zu behaupten: Viele Wähler denken mittlerweile, ich kann wählen wen oder was ich will, entschieden wird eh meist anders, hinter den Kulissen, nach Gemauschel um Posten und Pöstchen. "Jetzt sind ganz wichtige Tage vor uns", sagte CSU-Chef Horst Seehofer. Die CSU wolle, dass eine Regierung mit der SPD zustande komme. "Wir werden alles tun in diesen Gesprächen, dass es zu vernünftigen Vereinbarungen kommt." Und gleichzeitig legt er Messlatten (rote Linien sagt man heute), die ein Scheitern geradezu programmieren. Will der Bayern-König eigentlich lieber, dass es keine GroKo gibt? Vieles spricht dafür. In vorbereiteten Papieren etwa für das Treffen der Landesgruppe im bayerischen Seeon zur Winterklausur ist die CSU auf verschiedenen Politikfeldern auf Distanz zur SPD gegangen; etwa in der Flüchtlings-, Europa- und Verteidigungspolitik. "Mal wieder verbale Kraftmeiereien der CSU aus Bayern", sagt dazu irgendwie zu Recht, SPD-Vizechef Ralf Stegner. "Immer das gleiche Rezept: Das eigene Lederhosen-Publikum bespaßen. Keinerlei Realitätssinn, was die Einigung mit anderen Parteien betrifft." Soweit, so gut. Aber ein bisschen hört sich Stegner denn doch ein wenig wie von Hybris zerfressen an, so wie: Ohne uns könnt Ihr’s ja eh nicht. Wir bestimmen den Verlauf. Die SPD will also vorerst (gebetsmühlenartig) ergebnisoffen (?) verhandeln. Erst nach Abschluss der Sondierung an Freitag kommender Woche will die SPD-Spitze entscheiden, ob sie die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen empfiehlt. Dafür müsste dann ein für den 21. Januar einberufener Parteitag grünes Licht geben. Also: Ob die Sozialdemokraten (mit)regieren wollen, müssen sie wieder einmal – zum wievielten Mal eigentlich nach dem 24. September? - erst noch überlegen, und dann sollen die Parteitagsdelegierten entscheiden. Eine Frage sei gestattet: Warum ist die SPD eigentlich zu Wahlen angetreten, wenn sie anschließend offen lässt, ob sie mitregieren will oder nicht? Wahlergebnis mies wie nie, Kanzlerkandidat abgestürzt, Umfragen noch weiter im Keller – ab den dicken Mobs geben. Motto: Management by Krokodil: Bis zum Anschlag in der (sorry) Scheiße sitzen, aber das Maul weit aufreißen. Super. Begeistert jeden (?) Wähler… Das ist, fairerweise sei’s gesagt, nicht SPD-typisch, aber in Situationen, in denen der mächtigste Staat der EU keine Regierung zustande bringt, ein Armutszeugnis sondergleichen. Wir sagen der Welt, wo’s langgeht, wie gefälligst gespart werden kann, wie die globale Entwicklung in den Griff zu kriegen und Digitalisierung zu handeln ist, wie Wachstum entsteht. Diese Botschaften verteilen die Erwählten gerne tagaus, tagein über die Medien. Wer aber als Politik-Interessierter etwas genauer hinschaut und -hört, wird schnell erkennen, dass alles im Endeffekt nicht sehr viel mehr ist als immer wiederkehrende Sprechblasen und Sprachblähungen. Mag ja sein, aber, so hört man Argumente raunen, andere EU-Staaten bräuchten noch viel länger, um eine Regierung zu bilden, und dass im Endeffekt noch weniger herauskommt als bei uns. Richtig. Die aber stellen sich nicht als Vorbild, als Ratgeber oder Machtfaktor dar. Zurück zur Regierungsbildung: Wenn die Lachnummer so weiter geht, müssen sich die mächtigen deutschen Politiker nicht wundern, wenn sie noch weniger geachtet und die Politik-Verdrossenheit in eine gefährliche Politikerverdrossenheit überschwappt. ULRICH JUNG
Nach Jamaika
Vertrauen – gegen wen…
Das wohl am meisten gebrauchte Wort nach der Wahl am 24. September und besonders während des hochnotpeinlichen „Jamaika“- Sondierungs-Theaters war – und ist: Verantwortung. Dass es ausgerechnet (nicht nur, aber inflationär) diejenigen benutz(t)en, die in ihrem Handeln eher das genaue Gegenteil vermittelten, wurde von Tag zu Tag deutlicher; bis schließlich der Laden auseinanderflog, weil eben tiefstes Misstrauen sich wie ein roter Faden durch die Gespräche zog. Insofern hat FDP-Lindner recht: Auf so einer Grundlage eine Regierung aufzubauen, ist von vornherein zum Scheitern verurteilt.
Es konnte eben nicht zusammenwachsen, was sowieso nicht zusammengehört.
Zurück zur Verantwortung und den rund um den Begriff in jedes Mikrofon geblasenen Floskeln.
Martin Schulz (SPD), der mal Kanzler der Bundesrepublik Deutschland werden wollte, verdrückt sich und seine Partei wie schon direkt nach der Wahl, macht sich einen „schlanken Fuß“, wie es unter Politikern gerne heißt, und nennt das Verantwortung den Wählern gegenüber, die ja die SPD angeblich aus der großen Koalition heraus gewählt hätten. Wohl gemerkt: Die SPD als weiterhin nach der CDU die zweitgrößte Partei verweigert sich und überlässt das Feld den „Kleinen“. Die Kanzlerin habe jetzt die Verantwortung, eine Regierung zu bilden.
Eine lächerliche Argumentation. Davon abgesehen, dass die CDU noch mehr verloren hat als die SPD, übertragen die Sozialdemokraten Merkel die Verantwortung – und hindern sie zugleich daran, etwas tragfähiges auf die Beine zu stellen. Was soll das? Warum ist die SPD denn überhaupt im September angetreten? Ist es nicht vielleicht so, dass Schulz, der einstige 100-Prozent-Vorsitzende beleidigt ist, weil ihn die Wähler nicht wollten und seine Partei abstürzen ließen? Ist er tatsächlich so empfindlich, dass er einen (wie auch für die CDU) verdienten Denkzettel nicht verkraftet?
Dann ist er weder als Partei-Chef noch als Kandidat geeignet. Anfang Dezember wird sich zeigen, wie das die SPD sieht; dann ist Vorstandswahl, und es kann passieren, dass der 100-Prozent-Mann von nachdenklichen, verantwortungsvollen Sozialdemokraten weg geschrumpft wird.
Und dann könnte sich – mit Olaf Scholz oder Andrea Nahles an der Spitze – eine Lösung anbieten, die echte Verantwortung fürs Land und für die Demokratie darstellte:
CDU und SPD machen eine Große Koalition auf (Probe-)Zeit (ein oder zwei Jahre) mit der Zusicherung, dass danach endgültig entschieden wird, ob vorzeitige Neuwahlen oder die volle Legislaturperiode angestrebt werden soll.
Unseren Leitenden politischen Angestellten wurde am 24. September eine große Verantwortung in die Hände gelegt. Sie sollten jetzt endlich einmal anfangen, die Wähler ernst zu nehmen und alles andere, vor allem die unsäglichen persönlichen Animositäten und Machtgelüste in den Hintergrund zu stellen.
Man hörte doch jüngst immer wieder: Der Souverän, der Wähler, nur der entscheidet. Er hat entschieden. Und die Aufgabe der Politiker ist es nun, etwas Vernünftiges daraus zu machen.
ULRICH JUNG
Sexualität
Ticken wir noch richtig?
Muss man das jetzt gut finden? Fortschrittlich, modern gar? Und ist man als Irritierter konservativ im negativsten Sinne, verknöchert altmodisch, nicht mehr in die digitale und sonst wie titulierte Welt passend? Oder so herum: Haben wir nicht andere Sorgen, ticken hierzulande einige nicht mehr richtig?
Zwei aktuelle Beispiele „moderner“ Denkart:
1. Die Berliner Jungsozialisten fordern nichts Geringeres als staatlich geförderte Pornos. Mit einer Einschränkung: Es müssen "feministische Pornos" sein. „Um der Jugend ein realistisches Bild von Sexualität zu vermitteln, "muss auch feministischer Porno gebührenfrei, dauerhaft und niedrigschwellig verfügbar sein. Daher fordern wir eine Filmförderung nach schwedischem Vorbild."
Und damit es keine Missverständnisse gibt, zählen die Jungpolitiker sechs Aspekte auf, die ein feministischer Porno mindestens erfüllen muss:
Zu diesem Geschwafel noch ein staatlich (aus Steuergeldern) bezahltes Haschpfeifchen, und die Welt, die moderne deutsche, ist wieder supi und cool…
Das fällt schon ziemlich klar in die Kategorie „Wir ticken nicht mehr richtig“
Wir ist hier bestimmt nicht Alle.
Aber das ist auch für die Rubrik „Niedergang des Alten Rom“:
2. Das Bundesverfassungsgericht hat ein drittes Geschlecht für den Eintrag im Geburtenregister gefordert. Intersexuellen Menschen, die weder männlich noch weiblich sind (?), solle damit ermöglicht werden, ihre geschlechtliche Identität "positiv" eintragen zu lassen, entschieden die Karlsruher Richter in einem nun veröffentlichten Beschluss. Zur Begründung verwies das Gericht auf das Persönlichkeitsrecht.
Der Gesetzgeber muss nun laut Karlsruhe bis Ende 2018 eine Neuregelung schaffen, in die als drittes Geschlecht neben "männlich" und "weiblich" noch etwa "inter", "divers" oder eine andere "positive Bezeichnung des Geschlechts" aufgenommen wird. In einer seit November 2013 geltenden Regelung hatte der Gesetzgeber für solche Menschen lediglich die Möglichkeit geschaffen, im Geburtenregister gar kein Geschlecht einzutragen.
Herausforderer Schulz
Geschwurbel
Abgehoben sei sie, sagt Herausforderer Schulz (SPD)
Na ja, Wahlk(r)ampf ist.
Man muss kein Merkelfan sein, um bei diesem wieder einmal substanzlosen Geschwurbel gegen die Kanzlerin nicht den Kopf zu schütteln. Nicht wegen des „Inhalts“ der Schulzschen Einlassung, sondern eher über die Person, die das – sich neuerdings kämpferisch in Pose werfend - von sich gab.
„Abgehoben“… Ausgerechnet Schulz sagt das, einer, der den Leuten langsam auf die Nerven geht mit seinem „Wenn ich Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland bin…“, oder: „Ich als Bundeskanzler…“ Und der dann noch voller der ihm quasi als Charakterzug mitgegebenen Hybris – von wegen abgehoben - tönt, er werde (natürlich)„als Bundeskanzler“ die Maut abschaffen. Er meint wohl die Missgeburt des glücklosen Ministers Dobrindt; die aber gibt’s ja noch gar nicht. Und ob es die je geben wird – abwarten.
Man könnte fast Mitleid haben mit dem einst von seinen Anhängern geradezu als Heilsbringer gefeierten und nun abgestürzten St. Martin, der doch so gerne will, aber nicht kann.
ULRICH JUNG
Erdogan gegen Deutschland
Arrogant und selbstherrlich
Was bildet der sich eigentlich ein? Arrogant, selbstherrlich, widerlich, respektlos – allein vom schrillen Tonfall seiner Hassreden her. Noch ein Psychopath, der ein wichtiges Land regiert. Und die freie Welt guckt mehr oder weniger lautlos zu.
Mehr als eine Million Deutschtürken sind am 24. September dazu aufgerufen, den Bundestag zu wählen. Erdogan will, dass sie weder bei CDU, SPD noch Grünen ihr Kreuz machen. Berlin ist empört. Doch Ankara giftet munter weiter.
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat Bundesaußenminister Sigmar Gabriel jetzt in einer scharfen persönlichen Attacke vor weiterer Kritik an der Türkei gewarnt. "Wer sind Sie, dass Sie so mit dem Präsidenten der Türkei reden?", sagte Erdogan in einer Fernsehansprache an die Adresse Gabriels. "Beachten Sie Ihre Grenzen!" Kurz zuvor hatte Ankara auch der gesamten Bundesregierung "respektloses" und "arrogantes" Verhalten gegenüber der Türkei vorgeworfen.
Hintergrund des neuerlichen Schlagabtausches zwischen Ankara und Berlin ist die jüngste Empfehlung Erdogans an deutsche Staatsbürger, bei der anstehenden Bundestagswahl nicht die CDU, die SPD und die Grünen zu wählen. Erdogan hatte dies damit begründet, dass diese Parteien "alle Feinde der Türkei" seien. Gabriel bezeichnete diese Äußerungen als beispiellos. "Diese grobe Einmischung in den deutschen Wahlkampf zeigt, dass Erdogan die Menschen in Deutschland gegeneinander aufhetzen will. Das ist ein einmaliger Eingriff in die Souveränität unseres Landes."
Davon abgesehen, dass auch andere Despoten (man denke nur an Russlands Putin) sich einmischen, die öffentlichen, hemmungslosen Tiraden des Despoten Erdogan übertreffen alles bisher Dagewesene.
Warum lässt sich Deutschland das ziemlich wehrlos gefallen? Wird es nicht langsam Zeit, diesem Durchgeknallten Grenzen aufzuzeigen? Statt Millionen und Abermillionen rüberzuschaffen, sollte endlich mal Deutschland, ja, Europa klar sagen, dass es vorbei ist mit der Gutmütigkeit. Die Flüchtlingskrise, der Deal mit der Türkei, kann doch bitteschön kein Freibrief sein für die Ausfälle des Türkischen Präsidenten. Der lacht sich doch kaputt über uns und treibt seine Unverschämtheiten immer weiter, das sieht man doch allein an seinem Ton gegenüber Gabriel und natürlich gegenüber Merkel. Selbstherrlicher geht’s nimmer: „Wer sind Sie, dass Sie so mit dem Präsidenten der Türkei reden“? Und er ergötzt sich weiter an Massenverhaftungen, Abwürgen der Pressefreiheit, und nennt sein Land doch tatsächlich rechtstaatlich!
Eigentlich erwartete Antwort: Wer sind Sie denn, Erdogan, dass Sie meinen so mit der Bundesrepublik Deutschland herumspringen zu können? Wer sind Sie, dass Sie meinen, auf dem Boden der Rechtstaatlichkeit so mit Menschen, mit ihren Landsleuten umspringen zu können, die anderer Meinung sind als Sie? Mit Ihnen und Ihrer abscheulichen Politik gehört die Türkei nicht in die EU. Wenn Sie das eh nicht mehr wollen, sagen Sie das, und gut ist. Aber lassen Sie dann Europa und Ihr Volk in Ruhe. Was muss passieren, damit Europa, die Welt Ruhe hat vor Ihnen? ULRICH JUNG
Diesel-Affäre
Quote ist Unfug
Jetzt hat SPD-Kanzlerkandidat Schulz endlich sein zündendes Wahlkampfthema entdeckt. Meint er.
Hat er?
Die sog. Diesel-Affäre hat zweifellos in der Gesellschaft ein Nachdenken befördert, wie denn wohl die automobile Zukunft auszusehen hätte. Das E-Auto kommt da den meisten schnell in den Sinn; der Stromer als General-Lösung gegen verdreckte Luft. Und weil die Diskussion quasi über Nacht wie eine Welle übers Land schwappte - gerne angefacht nicht zuletzt von der veröffentlichten Meinung und ihren zahllosen, teils selbsternannten Experten -, hat sich der bislang eher glücklos agierende Schulz freudig-dankbar an die Spitze gesetzt und fordert mutig eine Quote für E-Mobile. Natürlich europaweit!
Eine Art Planwirtschaft für die gebeutelte (woran sie natürlich selbst schuld hat) Autoindustrie und unterm Strich zudem eine Vorschrift, was der umweltfreundliche Bürger gefälligst demnächst zu fahren hat.
Eine funktionierende Marktwirtschaft kann man nicht vorschreiben. Sie lebt von guten, nachgefragten Produkten. Quoten werden von der Politik immer dann ins Spiel gebracht, wenn ihr nichts Besseres einfällt oder mit Gewalt die eine, allein seligmachende Meinung durchgesetzt werden soll.
Schulz’ Ansinnen ist also grundsätzlich und vor allem auch im augenblicklichen Stadium der E-Entwicklung ziemlicher Unfug. Denn: Es gibt auf längere Sicht kein flächendeckendes „Tankstellennetz“, die Reichweiten der Autos lassen meist sehr zu wünschen übrig, und der Preis für die E-Autos ist für Otto Normalverbraucher eine Zumutung. Warum wohl brachte die von der Bundesregierung ausgelobte Prämie von 4000 Euro ausgesprochen mickrige Zuwächse. Das sollte auch Schulz mitbekommen haben.
Wer sagt außerdem, dass ausschließlich Elektrofahrzeugen die Zukunft gehört – abgesehen davon, dass auch die Energie, der Strom, ja nicht einfach so aus der Steckdose kommt und selbst einiges an Energie verbraucht? Die Wasserstoff-Technik beispielsweise böte sich ebenfalls als Alternative zu Diesel und Benzin an; die Entwicklung ist schon sehr weit fortgeschritten.
Anstatt die Auto-Manager unisono zu verdammen, weil es so gut in den (letztlich mit aufgebauten) mainstream und den Wahlkampf passt, sollte die Politik besser auf die weltweit hoch gelobte deutsche Ingenieurskunst setzen und die Fachleute entwickeln lassen. Die nämlich sind nicht so blöd als dass sie nicht längst erkannt haben, dass Sprit und Diesel nicht auf ewig als Antriebsmittel zur Verfügung stehen werden. Und natürlich wissen sie: Nur wer sich für das Danach rüstet, wird auch künftig gute Geschäfte machen. Das nennt man Marktwirtschaft.
Dazu braucht es keine Quote und keine, wie man so schön sagt, „politische Landschaftspflege“, also etwa die Beteiligung eines Landes an Unternehmen.
Die Politik sollte besser dafür sorgen, dass die für Automobile (europaweit!) festgelegten Grenzwerte von entsprechenden Behörden sorgsam kontrolliert und eingehalten werden. Das bisherige großzügige „Augen zu und durch“ hat genug Schaden angerichtet. ULRICH JUNG
Wahlk(r)ampf 2017
Der Türke macht so ziemlich, was er will. Und unsere Regierung taucht mehr oder weniger ab, tut höchstens so, als verschärfe sie einige Reisehinweise (keine –warnungen. Gabriels aufgeblasenes Getue wird Erdogan wohl kaum schocken) und hofft ansonsten, dass die Türkei absprachegemäß die Flüchtlingsgrenzen dichthält.
Nur darum geht es im deutschen Wahlkampf 2017. Grenzen zumachen (von anderen), mit Wattebäuschen gegen den Diktator werfen und insgesamt so tun, als hätte man alles im Griff. Mal abgesehen von den obligatorischen Versprechungen etwa in Sachen Steuersenkungen u.ä. immer wiederkehrenden Themen..
Dabei führt Erdogan unsere mutigen Politiker wie treudoofe Bären am Nasenring durch die Manege. Und Europa guckt derweil gespannt zu, wie weit er es noch treiben kann ohne deutliche Gegenwehr. Wobei die EU sich erst einmal zurückhält mit ihrer Willkommenskultur; ganz anders, als sich das der SPD (Träumer-)Kandidat Schulz vorstellen mag.
Der hat das Thema Flüchtlinge hemmungslos in den Wahlkampf geholt, behauptet jetzt das Gegenteil von dem wie vor zwei Jahren, als er Merkel wegen ihrer grenzenlosen Güte den Flüchtlingen gegenüber lobte und treibt damit Wähler weniger in die Arme der SPD als in die der AFD. Merkt der das eigentlich nicht? Was sind das für Berater, die ihn nicht zurückpfeifen? Sieht so eine Qualifikation zum „Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland“ aus?
Und die Regierung wurstelt weiter herum. Konkretes gibt es nicht, die Kanzlerin macht Urlaub und lässt den Ex-Bürgermeister aus Würselen an der langen Leine laufen. Hybris (oder Arroganz der Macht) kann man kaum besser inszenieren. Wenn das mal nicht schiefgeht.
Wahlk(r)ampf 2017. Deutschland hatte schon bessere Tage. Und bessere Politiker.
ULRICH JUNG
„Allmächtige“ regieren in der Welt
Trump will sich begnadigen
Das ist krass: Donald Trump, seit erstaunlicherweise schon ein halbes Jahr US-Präsident, will sich selbst begnadigen. Er lässt derzeit überprüfen, ob es möglich ist, in Sachen Russland und ähnlicher Vorwürfe seine Familie, Mitarbeiter und sich selbst von Schuld freisprechen zu lassen. Schließlich, so mag er denken, ist er ja der Präsident, und so einer hat doch alle Rechte, oder?
Donald der Allmächtige. So fühlt er sich und bringt nicht nur die USA, sondern die ganze Welt mehr oder weniger durcheinander.
Wenn man sich einmal vor Augen führt, was für „Allmächtige“ derzeit in der Welt das Sagen haben, kann es einem schon einmal kalt den Rücken herunter laufen. Putin, Erdogan, Orban, Polens Regierungschef Kaczynski - was für Typen, was für Schädlinge nicht nur für ihr eigenes Land; und alle (angeblich demokratisch?) gewählt. Da steht uns wohl noch einiges bevor
.
Verrückte Welt.
Gefährdete Welt? ULRICH JUNG
G-20-Gipfel
Polizei ist immer schuld
Natürlich ist wieder die Polizei schuld. Die Polizei ist immer schuld, wenn sich Links-Chaoten in die Enge getrieben sehen. Wie jetzt beim Hamburger G-20-Gipfel.
Und so tönt es in altbekannter Weise aus diversen, ach so kritischen Redaktionsstuben und aus den Lautsprechern derer, die Mollis werfen, Stahlkugeln schießen, Geschäfte plündern und brutal gegen Menschen, vor allem gegen Polizisten, also gegen den verhassten „Schweinestaat“ zu Felde ziehen als legitime Demonstration gegen Unrecht bezeichnen und sich hinter politischen Mäntelchen verstecken. Sie prügeln auf den Staat ein, der sie einerseits gefälligst zu schützen hat und von dem sie andererseits prächtig leben. Rechts- und Wohlfahrtstaat für die Guten, für die Linkschaoten, Höllenfeuer auf die Bösen, die Rechten, auf die Konservativen, auf diejenigen, die alles zu schätzen wissen, was die Bundesrepublik nach dem 2. Weltkrieg aufgebaut hat.
Man stelle sich einmal vor, statt der Hamburger sog. „Roten Flora“, die seit vielen Jahren von Berliner Landesregierungen gehätschelt wird, gäbe es ein rechtsradikales „Kulturzentrum“. Das wäre längst (und zu recht) von der Politik niedergewalzt worden. Aber, siehe oben: Links ist halt immer gut und gerecht. Alles andere gehört weggeballert.
Armes Deutschland!
Warum demonstriert eigentlich niemand gegen das Chaotenpack? Lichterkette gegen das linke Verbrechergesindel… Unvorstellbar in unserem Land? Offensichtlich. Leider.
ULRICH JUNG
Ehe für alle
Modernes Deutschland…?
Mit der „Ehe für alle“ hat sich Deutschland modernisiert. So hieß es vielstimmig nach der historisch genannten Bundestagsdebatte heute. Gut 80 Prozent der Wähler/innen hätten Umfragen zu folge eine „Öffnung der Ehe“ für gut und richtig erachtet. Das müsse man berücksichtigen.
Interessant wäre in diesem Zusammenhang die Frage, warum die Politik nicht auf andere Themenfelder reagiert, auf denen 80 Prozent Änderungen fordern…
Wenn das mit der „Ehe für alle“ so ist, wie die Mehrheit des Bundestages meint, dann müsste jetzt auf dem gesellschaftlichen Modernisierungsprogramm auch die Erlaubnis zur Leihmutterschaft stehen (sonst wäre die „Ehe für alle“ noch unfruchtbarer als von der Natur gegeben, wollte man(n) / frau eigene Kinder haben. Immerhin ein naheliegendes Betätigungsfeld für die nächste Regierung, Deutschland weiter zu „modernisieren“.
Man darf gespannt sein, mit was demnächst noch die Gesellschaft beglückt werden soll. Hoffentlich werden die wirklich wichtigen Entscheidungen dabei nicht vergessen.
ULRICH JUNG
Die CDU-Säulen bröckeln
Der Zeitgeist lockt
2010 brachte die Merkel-Regierung die Verlängerung der Laufzeiten von Atomkraftwerken durchs Parlament. Nach Fukushima, kurz darauf 2011, leitete die Kanzlerin abrupt den Rückmarsch ein: Atomausstieg, genannt Energiewende; die übrigens bis heute eher schlecht als recht funktioniert.
Es folgte die Aussetzung der Wehrpflicht – eine Rückkehr, wie jüngst manche CDU-Politiker forderten, lehnt Merkel ab.
Dann machte sich die Kanzlerin daran, gemeinsam mit der SPD, die Rolle der Frau zu modernisieren. Ergebnis 2016: die gesetzlich festgelegte Frauenquote von 30 Prozent für Aufsichtsräte der größten Börsen-Unternehmen.
2015, das Jahr der größten Flüchtlingswelle in Deutschland seit dem 2. Weltkrieg. Merkel macht die Grenzen auf, „Wir schaffen das“ wurde zum geflügelten Wort. „Obergrenze“, von CSU-Seehofer wieder und wieder plakatiert und einst sogar als Bedingung zum Weiterbestehen der Unionsgemeinschaft genannt, brachte Teile der CDU - und die Opposition sowieso - in Rage. Die EU wurde ob der Merkel’schen Alleingänge einmal mehr gespalten, die Folgen werden wir in den nächsten Jahren zu spüren bekommen.
Der Doppelpass. Gegen ein CDU-Parteitagsvotum von 2016 will die Kanzlerin die doppelte Staatsbürgerschaft beibehalten.
Und jetzt aktuell: Angela Merkel ist vom klaren Nein ihrer Partei zur vollständig gleichberechtigten Homo-Ehe abgerückt; so ganz nebenbei und ohne Vorwarnung an ihre Partei während einer Talkshow. Zur Freude der SPD und ihres jüngst etwas glücklosen Chefs und Kanzlerkandidaten Schulz. Der Weg zur „Ehe für alle“ ist damit frei. Wie schrieb ein FAZ-Kollege zu treffend in seinem Kommentar: „Wenn entscheidend ist, dass zwei Menschen auf Dauer füreinander einstehen, warum sollten dann nicht zwei zusammenlebende Geschwister eine Ehe eingehen können? Und warum nur zwei? Millionen Menschen leben mit mehreren Partnern zusammen…“
Und so fielen in der (bisherigen) Amtszeit Merkel so manche Wertesäulen, die einmal CDU-Säulen und die Voraussetzung waren, die CDU zu wählen. Unterschiede zu Rot, Grün, Gelb oder Links gibt es jetzt nur noch in kaum wahrnehmbaren Dosen.
Was bleibt?
Der Zeitgeist. Er lockt immer und überall, vor allem dann, wenn Wahlkampf ist.
ULRICH JUNG
CDU/FDP in Nordrhein-Westfalen
Gute Vorlage
Christian Lindner hat geschafft, was viele wahrscheinlich nicht für möglich gehalten haben; er hat die FDP fit gemacht. Sie ist wieder da – in Nordrhein-Westfalen sogar mit einem Rekordergebnis. Gratulation.
Der echte Marktwirtschaftsflügel fehlte seit dem Absturz der Freien Demokraten spürbar nicht nur in NRW. Zumindest für diejenigen, die in der FDP immer eine Säule sahen für wirtschaftspolitisches Handeln. Nun kann sie im bevölkerungsreichsten Land wieder den Finger heben – wenn sie will.
Sie scheint ja zu wollen, aber was fordert sie als Preis; von der CDU?
Sollte der zu hoch sein, sollte die CDU etwa bei der Inneren Sicherheit einknicken, könnte das für die Bundestagswahl ein Problem werden. Oder solle sich die CDU (Bund) nach dem jüngsten 3:0 bei den Wahlen kraftstrotzend mit aufgeblasener Brust durch die politische Landschaft bewegen, könnte das Wähler verschrecken. Hybris und Luftblasen haben die „Anderen“ jüngst geliefert, und sind fürchterlich abgestürzt. Trotz Schulz und seiner Gerechtigkeitspredigt.
Eine vernünftig zusammengeschweißte CDU/FDP- Koalition in NRW wäre eine gute Vorlage für den 24. September. Weg von dem Larifari einer großen Koalition, weg vom zwanghaften Zusammengemische von Parteien, die wirklich nicht zusammenpassen.
ULRICH JUNG
Was für eine Welt
Trump, Erdogan, Orban, das Babyface aus Nord-Korea, die Korruptis aus Afrika, die Radikalinskis in Deutschland und Frankreich, und, und, und. Es kracht und demonstriert und protestiert voller Gewalt an allen Ecken, auch, und für uns besonders spürbar, in Europa.
Überall Einschläge, die EU, so sieht es aus, zerfällt langsam, aber ziemlich sicher, die Welt ist in Aufruhr wie lange, lange nicht mehr. Überall glimmt und brennt es. Und Otto und Ottilie Normalbürger sind verunsichert, die täglichen Nachrichten, der inzwischen auch hier angekommene Terror, schockieren und verängstigen.
Was für eine Welt!
Und die Politik? Unsere Politiker?
Reden alle Probleme schön, wiegeln ab, tun so, als ob sie alles im Griff hätten. Deutschland führt in Europa… Haben sie aber nicht, wohl nur ein Beispiel zeigt das: Der Fall des Bundeswehroffiziers, der als Asylbewerber sein Unwesen trieb und durch alle Maschen kam, die der Staat als Sicherheitsnetz errichtet hat. Als ob ein dreister, krimineller Deutscher es den Behörden mal zeigen wollte, wo ihre Grenzen sind, wo sie mit Sicherheit versagen. Das hat er zumindest zeitweise geschafft. Eine Peinlichkeit, die auch das trotzige Auftreten zuständiger Behörden hierzulande nicht wegschwafeln kann. Eine verstörende Unglaublichkeit.
Wie viel Tausende mögen so durch die Maschen deutscher Grenzer gerutscht sein 2015 wie der Oberleutnant aus Offenbach? Man darf nicht darüber nachdenken.
Dass u.a. auch hier die Wurzel liegt für das Hochkommen der AfD, wäre zumindest überlegenswert. Verunsicherung, Angst, Sorge um Eigentum und körperliche Unversehrtheit – das ist nun mal der Stoff, aus dem Petry und Co. Ihr braunes Süppchen kochen.
Und doch, am Ende bleibt nach der Betrachtung des gesamten, derzeitigen Weltgeschehens, der Gedanke: Wie kann es sein, dass im 21. Jahrhundert, nach Kriegen und unmenschlichen Ereignissen, nach „Nie-Wieder-Schwüren“ Figuren wie die oben genannten die Macht bekamen, die Welt nach und nach zu zerstören? Und aus der angeblich so starken Bundesrepublik kommen nur Floskeln und Wattebäuschchen, mit denen, verbal, gegen die Diktatoren und Despoten dieser Zeit geworfen wird.
Ein im Wahlkampf medienwirksam in Szene gesetztes „Wir müssen uns kümmern, wir müssen die Sorgen der Menschen ernst nehmen“, reicht nicht. Wirklich nicht. Und Wahlversprechen, die als das übliche Trallala so widerlich durchsichtig sind (wie die meisten), auch nicht.
Deutschland, Europa, ja, letztlich die Welt brauchen keine Trumps, keine Erdogans, keine Babyfaces aus Nordkorea und keine afrikanischen Herrscher, die ihr Volk aussaugen (auf Kosten der Geberländer), wir brauchen ehrliche Politiker, die wissen, wie gefährlich es um die Welt steht und die ohne Eigennutz einen Untergang verhindern wollen.
Wo gibt es die? ULRICH JUNG
Abducken und klug daher schwadronieren
Ja, so kennen wir das: abducken, heraushalten, aber klug daherschwadronieren.
Deutschlands Politik (nicht erst) nach dem US-Angriff in Syrien.
Nicht erst seit voriger Woche. Immer schon. Seit sechs Jahren. Seit den Massakern in Syrien, wo der Alleinherrscher Assat sein Volk (und andere) in den Tod gast und bombt.
Der Mörder Assat, der gnadenlos Menschen dahinmeuchelt, macht munter weiter. Als ob die US-Warnung und die Raketen, ihn null interessierten.
Und wir Deutschen? Wir, die immer so medienwirksam und moralinsauer daherreden, wenn es um Menschenrechte und Leben und Krieg geht, Lichterketten anzünden? Wir gucken erschüttert Fernsehen, schalten um auf den Tatort – und unsere Politiker machen das, was sie immer machen: nämlich nichts! Außer natürlich auch wichtig daherreden. Und sagen, dass jetzt endlich Einhalt geboten werden muss gegen das Massaker des „Herrn“ Assat.
Nur: Wie, das sagen sie nicht.
Interessant, dass ganz plötzlich die deutschen Friedensleute mal wieder mal auftauchen und sich zu Wort melden. Immer, wenn Amerika in den Schlagzeilen um Bomben und Terror steht, erwacht ganz plötzlich die Friedensbewegung.
Bei russländischen Verstößen gegen Menschlichkeit und Völkerrecht - Schweigen im Walde.
Und: Wer geht eigentlich gegen die Giftgasanschläge des Herrn Assat auf die deutschen Straßen? Wo sind die Lichterketten? Wo die Trauer? Wo die Friedensleute? Keiner in Sicht!
Und unsere einschlägig für ihre pro-sowjetische Meinung bekannten Politiker erzählen uns Geschichten, die ihnen ihre Freunde eingehaucht haben.
Und das kommt an beim Otto und der Ottilie Normaldeutsch. Irre!
Bloß raushalten, ein paar Millionen rüberschicken, das geht am einfachsten, das machen wir ja immer so, und ansonsten bloß nicht auffallen mit kessen Kriegssprüchen.
Das sollen gefälligst die Amerikaner besorgen… (Gegen die natürlich eben die Guten bei uns heftig wettern...). ULRICH JUNG
Erika Steinbach
Warnzeichen
Viele in der CDU-Spitze mögen sie ja immer schon als Querulantin gesehen haben und sind deshalb vielleicht nicht gerade unzufrieden, dass Erika Steinbach Fraktion und Partei verlassen hat. Und dass sie das nicht leise, sondern unter lautem medialem Getöse getan hat, mag in das Bild dieser keinem Streit aus dem Wege gehenden Politikerin passen. Zumal auch noch der Zeitpunkt – der Wahlkampf hat gerade begonnen – zumindest aus Sicht der CDU äußerst ungelegen kommt. Motto: So was tut man nicht.
Und dennoch: Unterm Strich ist dieser Abgang schon ein deutliches Warnzeichen Richtung Kanzlerin. Denn wie Steinbach denken und urteilen viele in der Partei, wenn sie u.a. nach der Merkelschen Flüchtlingspolitik gefragt werden. Oder nach der Energiepolitik - einstmals Säulen in Programmen der Christenunion. Verstöße gegen geltendes Recht und am Parlament vorbei, sagt Steinbach sinngemäß; wohl nicht ganz zu Unrecht. Für sie jedenfalls reicht’s, ihr Ausstieg ist insofern konsequent.
Dass sie ihrer Kanzlerin und der CDU vor allem wegen des Zeitpunktes kräftig vors Schienenbein getreten hat, steht auf einem anderen Blatt. Das kann man unfair finden. Man kann aber auch urteilen: So hat sie immerhin die höchstmögliche Aufmerksamkeit erreicht, kann sein, sogar die nachhaltigste für die Wahl im September. Applaus von den nicht wenigen Merkel-Kritikern in der CDU – übrigens auch in der Wählerschaft - ist ihr gewiss.
Ob Merkel langsam merkt, dass sie doch nicht alles im Alleingang und ohne Parlamentsentscheidung durchsetzen kann (darf), wird man sehen. Wahrscheinlicher ist, dass sie ihre Lautsprecher aktiviert, die das Thema Steinbach wegreden und die Abtrünnige madig machen sollen, und ansonsten weitermacht wie gewohnt.
Ob es den „Menschen da draußen im Lande“ passt oder nicht, wir schaffen das. Ich, die Kanzlerin, schaffe das. Sowieso… ULRICH JUNG
Nach dem Berliner Anschlag
Augen zu und durch
Das Berliner Attentat vor Weihnachten bringt täglich neue Schreckensmeldungen an die Öffentlichkeit. Da läuft ein als sog. Gefährder erkannter frei herum, reist munter durch ganz Deutschland (trotz Präsenzpflicht an einem Ort); man weiß, dass er Kontakte zu IS aufnimmt, dass er sich informiert darüber, wie man Bomben baut oder sich Waffen beschafft, er ist u.a. in Italien als Krimineller rechtskräftig verurteilt – und unsere Behörden machen die Augen und die Ohren zu. Sie lassen ihn sogar aus der gesetzlich sehr wohl erlaubten, in diesem Fall sogar gebotenen Abschiebehaft frei und mit 14 Aliasnamen unser Asylsystem konsequent ausnutzen.
Und hernach, nach 12 Toten und Dutzenden Schwerverletzten ist das übliche große Jammern angesagt. Alles aufklären will man, die Verantwortlichen heranziehen, so etwas darf nie wieder passieren; neue Gesetze müssen her, zumindest Gesetzverschärfungen, und außerdem denkt man ständig an die Hinterbliebenen, an die armen Opfer. Schwarz gekleidet und mit Trauermine lassen sie sich medienwirksam fotografieren und filmen. Bis zum nächsten Mal.
Immer dasselbe Geschwafel.
Und dann stellt sich heraus, dass die Schwafeler selbst offensichtlich nicht ganz unschuldig sind an dem widerwärtigen Verbrechen. An dem unerträglichen Terror. An dem Unheil, dass ein Verbrecher Weihnachtsmarktbesuchern angetan hat.
Man sei bis an die Grenzen des Gesetzes gegangen, sagt NRW- Innenminister Jäger. Nassforsch steht er viel Rede und wenig Antwort. Man macht keine Fehler, und wenn, dann waren es die anderen…
Und im Hintergrund, später – ebenfalls medienwirksam – die anderen Schwafeler, die Warner mit erhobenem Zeigefinger und moralinsaurem Gesicht, die den Rechtsstatt aus den Angeln gehoben sehen, weil ein Terrorist erschossen wurde und niemand dies verhinderte. Dieselben wie auch in Köln, wo es die Polizei glatt wagte, Verdächtigte nach dem Ausweis zu fragen und danach, warum sie von weit her und offensichtlich abgesprochen über die sogenannten sozialen Medien ausgerechnet am Kölner Hauptbahnhof Silvester feiern wollten.
Randale und sexuelle Übergriffe waren allen Informationen nach im Vorfeld zwar zu erwarten, aber, bitteschön, wir dürfen sie doch nicht alle über einen Kamm scheren. Es gibt ja auch welche, die nur gucken wollten. Und dann nennt man sie auch noch (verdachteshalber, aus Erfahrung halt) NAFRI, Nordafrikanische Intensivtäter… Hat nicht lange gedauert, bis die Polizei am Pranger stand. Was im Deutschland dieser Tage zu erwarten war. Dass ausgerechnet diejenigen, die sie dahin schleiften, jetzt nach Fehlern suchen, warum es soweit kommen konnte in Berlin, ist mehr als eine Farce. So nach dem Motto: Erst hau ich dir aufs Maul, bis du lachst, und danach, weil du lachst…
Ja, so ist es mittlerweile in Deutschland. Nur nicht beim Namen nennen, was irgendwie den Hauch hat von Rassismus. Lieber Hunderttausenden die Grenzen öffnen, unkontrolliert - sie haben ja leider keinen Pass oder ähnliche Papiere –, als sich in den Geruch des Rassisten schieben lassen.
Im Herbst 2015, während der Flüchtlingsflut (letztes Wort ist wahrscheinlich auch nicht politisch korrekt, passt allerdings) stritt man vehement ab, dass unter den Flüchtlingen auch viele seien, die eher Terror wollten als Unterschlupf. Interessanterweise gibt man es ja inzwischen vorsichtig zu. Klar, die täglichen Meldungen lassen selbst den hartnäckigsten Schönschwätzern keine andere Wahl um nicht gänzlich unglaubwürdig zu werden. Selbst die bis vor kurzem noch abwimmelnden Medien treten langsam und vorsichtig die Flucht ins sagen wir mal vorsichtig flüchtlingskritische Lager an.
224 ausländische Gefährder leben in Deutschland. Und was macht unsere Politik? Sie schreibt Papiere, verspricht mehr Sicherheit – das Übliche Tralala halt.
Würde ja reichen, wenn sie die bestehenden Gesetze wirklich anwendeten. Aber damit kann man sich augenscheinlich nicht wichtig genug machen, zumal ja Wahlen anstehen.
Da können wir uns noch auf einiges gefasst machen; nicht nur, was den Wahlkampf angeht.
ULRICH JUNG
Wolfgang Bosbach
Klartext
Der für Klartext bekannte und nicht zuletzt deshalb allseits geachtete CDU-Politiker Wolfgang Bosbach bringt’s mal wieder auf den Punkt: „Wenn unser Bundespräsident zur Flüchtlingspolitik ebenso schlicht wie zutreffend anmerkt, ‚unser Herz ist weit. Aber unsere Möglichkeiten sind endlich!’, dann gelten diese Sätze als klug und wegweisend. Wenn aber die CSU sagt, dass wir bei der Aufnahme von Flüchtlingen die Integrationskraft unseres Landes nicht überfordern dürfen, dann ist das faktisch dasselbe, gilt aber als Rechtspopulismus!“
Besser kann man die Scheinheiligkeit unserer meist auf hektischen Reflex programmierten Politiker und einer eifrig auf political correctness bedachten Öffentlichkeit kaum beschreiben. UJ
U-Bahn Treter
Verstörend
Bei den Bildern stockt einem der Atem. Diese Brutalität. Diese unverschämte Hinterhältigkeit. Unmenschlich. Feige. Verstörend.
Was sind das für Typen, die in Berlin einer Frau auf der U-Bahntreppe in den Rücken treten und sich dann, Zigaretten rauchend und Bier trinkend von dannen machen? Normal sind die bestimmt nicht.
Hoffentlich werden sie bald geschnappt, und hoffentlich fängt dann nicht wieder das geradezu übliche, beschwichtigende Geschwafel an von wegen schlechter Kindheit, keine Perspektiven und ähnliches, das man oft zu hören bekommt, mit dem Experten Taten vor allem Jugendlicher gerne bewerten. Von Reaktionen aus politischen Kreisen ganz zu schweigen.
Während ein Begleiter des Täters mangels Beweisen wieder frei gelassen wird, kommt in München zu einer ähnlichen Trittattacke. Opfer ist eine 38-Jährige. Wie die Polizei mitteilte, wollte die Frau auf dem Rückweg von einer Weihnachtsfeier eine Rolltreppe hinunterfahren. Plötzlich hätten drei Jugendliche sie überfallen und getreten, die Frau stürzte. Danach hätten sich die Angreifer die Handtasche der Frau geschnappt und das Weite gesucht. Durch den Sturz erlitt die 38-Jährige mehrere Hämatome am linken Oberschenkel.
Wie sicher sind wir eigentlich noch in Deutschland? Darf man angesichts solcher sich gefühlt neuerdings häufender Taten – getreten und zusammengeschlagen wird ja nicht nur auf U-Bahntreppen - besorgt sein und sich in Gegenwart von Kapuzenpullis fürchten, ohne gleich in bestimmte Ecken gestellt zu werden?
Wie hieß es doch unlängst unisono und lautstark aus der Politik? Wir müssen die Sorge und Ängste der Menschen ernst nehmen… Zitat Merkel: „Wir müssen viel tun, um die Sicherheit zu verbessern“.
Ja, dann tut das auch endlich! Und nicht nur scheinheilig daherreden, weil Wahlkampf ist. ULRICH JUNG
WOCHENCHRONIK
(vom 28. November bis 4. Dezember 2016)
Bäckerei sucht Mitarbeiter
Kein Interesse
Eine Bäckereifiliale in Frankfurt sucht seit Monaten händeringend 3-4 Vollzeitkräfte; Alter und Vorkenntnisse egal. Die Mitarbeiter müssten belegte Brötchen vorbereiten und in der Küche helfen. Stundenlohn: brutto zehn Euro, also mehr als Mindestlohn. Außerdem dürfen die Mitarbeiter essen und trinken, was sie möchten und sich auch etwas mit nach Hause nehmen. Gemeldet hat sich bisher niemand. Arbeitslose, die vom Amt vorgeschlagen würden, kämen meist gar nicht erst zum Vorstellungsgespräch, sagt die Chefin.
Das wirft schon ein bemerkenswertes Bild auf Sozialstaat, Amt und Arbeitslose… ULRICH JUNG
Frau hinterm Auto hergeschleift
Unglaubliche Brutalität
Ein ungeheuerliches Verbrechen schockt Hameln, lässt es jeden, der davon hört oder liest, kalt den Rücken herunter laufen. Ein 38Jähriger bindet offenbar nach heftigen Streitereien einer bereits von ihm mit Messerstichen drangsalierten Frau ein Seil um den Hals, befestigt dieses an der Anhängerkuppel und schleift die 28Jährige mit zum Teil bis 80 Stundenkilometer durch die Straßen. Nach 250 Meter löst sich das Seil von der Kuppelung und die Frau bleibt schwerverletzt auf dem Gehsteig liegen. Passanten rufen den Notarzt, ihr Leben wird (vorerst) gerettet. Die Frau liegt mit dem Tode kämpfend im Koma, der Täter stellt sich. Opfer und Täter entstammen zwei Großfamilien, waren laut Staatsanwaltschaft mal liiert und haben ein gemeinsames, zweijähriges Kind, das übrigens mit im Auto saß und das Verbrechen mit ansehen musste.
Was ist los mit einer Gesellschaft, die so eine Brutalität hervor bringt?
Einer gerade veröffentlichten Statistik des Bundeskriminalamts zufolge kamen im Jahr 2015 insgesamt 331 Menschen in Deutschland bei Beziehungstaten ums Leben. Diese Zählung beinhaltet Mord, Totschlag, sowie Körperverletzung mit Todesfolge. Etwa 80 Prozent der Opfer sind weiblich.
Wir hören in letzter Zeit immer viel von Werten, die unseren Rechtsstaat auszeichnen und die es zu erhalten gelte. Betrachtet man aber u.a. in den Tageszeitungen die täglichen Grausamkeiten nicht nur in aller Welt, sondern auch bei uns quasi vor der Haustür, dann überkommt einen zunehmend die Sorge, dass es eine stärker werdende Minderheit nicht allzu ernst nimmt mit den Werten und der Rechtsordnung.
ULRICH JUNG
„Shariah-Polizisten“ frei
Was für ein Signal
Salafisten warfen sich Westen um mit dem Schriftzug „Shariah-Polizei“, ziehen durch Wuppertal und wollen junge Muslime zum wahren Glauben bekehren: Kein Alkohol, keine Freuden. Sie werden festgenommen und angeklagt, jetzt sprach ein Gericht sie im Namen des Volkes frei.
Was für ein Signal für die salafistische Kommune. In Deutschland ist halt prächtig leben. Und die Politik wundert sich, wenn immer mehr den Glauben an den Rechtsstaat verlieren, sich unsicher fühlen und abwinken, wenn Schönredner die Realität mit rosa Farben zukleistern. In diesem Zusammenhang gibt zu denken, wenn der Polizeigewerkschafter Wendt warnend den Finger erhebt. Wie frustrierend muss es auch für Polizisten sein, die beispielsweise Täter am Tag mehrfach festnehmen und mit dem Schreiben ihrer Protokolle jeweils nicht nachkommen, weil freundliche Richter sie gleich wieder frei lassen?
Der Rechtsstaat verstört manchmal. ULRICH JUNG
Lufthansa-Piloten streiken
Unverschämtheit
Der Kranich bleibt am Boden, die Lufthansa-Piloten streiken. Mal wieder. Genauer: Zum 14. Mal (!) während der jehrelangen Tarifauseinandersetzung. Sie wollen mehr Geld.
Piloten tragen eine große Verantwortung, wohl wahr, sie sollen auch entsprechend bezahlt werden.
Werden sie übrigens, und zwar mit Luxus-Gehältern, die automatisch jedes Jahr um drei Prozent steigen. Von beneidenswerten Wohltaten ganz abgesehen. Das hätten andere auch ganz gerne – z.B. diejenigen Arbeitnehmer, die auf Lohnzuwächse oder sogar auf Teile ihres Gehalts verzichten, um den Arbeitsplatz zu erhalten.
Das permanente Streiken auf dem Rücken termingestresster Geschäftsleute oder Urlauber und dem von millionenteuren Verlusten für das vom Wettbewerb eh geknebelte Unternehmen ist vor diesem Hintergrund eine Unverschämtheit. ULRICH JUNG
Demokraten blamieren sich
Hickhack um SWR-Elefantenrunde wg. Teilnahme von AfD
Das Hickhack um die „Elefantenrunde“ des SWR vor den bevorstehenden Landtagswahlen ist eine lächerliche Posse ohne gleichen; eine entlarvende zumal. Unter demokratischer Auseinandersetzung versteht man eigentlich etwas anderes. Zumindest das Zulassen anderer Meinungen, auch wenn sie noch so hanebüchen und unsinnig, ja gefährlich sind.
Aber so läuft es nun einmal, wenn Politiker ihre Finger im Spiel haben bei Entscheidungen des angeblich unabhängigen, öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Der blamiert sich geradezu unerschrocken vor den Folgen; von der Politik hat man eh nichts anderes erwartet. Für die haben die Medien gefälligst zu spuren, vor allem, wenn in den Aufsichtsgremien schön nach Proporz geordnet politische Eliten mitregieren.
AfD – igitigitt. Das sind doch alles Rechtspopulisten, Rechtsradikale, Rassisten. Mit denen diskutieren wir nicht. Schon gar nicht im Fernsehen. Denen eine Plattform für ihre gehässigen Plattitüden bieten? Nicht mit uns, den echten Verteidigern der Demokratie...
Dass die AfD laut jüngster Umfragen inzwischen nach CDU und SPD bundesweit mit über 10 Prozent auf Platz drei in der Parteien-Landschaft gelandet ist (Tendenz steigend), also immer mehr Bürger, und wahrlich nicht nur Rechtsradikale und Rassisten anzieht, scheint die Etablierten in eine Schockstarre versetzt zu haben. Anstatt von vornherein in der Diskussion die Alternative für Deutschland zu entlarven, eventuell auch mal gucken, ob man nicht selbst an diesen Zahlen zumindest eine Mitschuld trägt, zog man das (feige) Wegducken vor.
Selbst wenn jetzt doch noch eine „Elefantenrunde“ zu Stande käme, die Vorgeschichte, das erbärmliche Gerangel hat zweierlei erreicht: Zum einen haben ausgerechnet diejenigen, die die AfD zu Teufel wünschen und sie um Gottes Willen nicht aufwerten wollen, diese ins Rampenlicht geschoben und damit, zum anderen, ausgerechnet die AfD-Parole bestätigt, dass sich die Medien – zumindest ein öffentlich-rechtlicher Teil – von der Politik steuern lassen.
Jetzt darf man gespannt sein, wie sich z.B. Sozialdemokraten demnächst verhalten, wenn nach demokratischer Wahl die AfD in Landesparlamente einzieht. „Mit denen reden und diskutieren wir doch nicht“ dürfte ja wohl kaum funktionieren, wenn man Demokratie wirklich ernst meint.
Übrigens: Wie war das noch, als damals die Grünen auftauchten und durch die Institutionen bis ins Bundesparlament marschierten? Oder die SED-Erben nach dem Fall der Mauer, die ebenfalls heute als Die Linke sogar in Berlin die Opposition anführt. Mit denen wollte damals auch keiner reden oder öffentlich auftreten. ULRICH JUNG
Zu viel verlangt?
Flüchtlingskrise: Deutschland und die Heißluftballons
Nein! IS-Kämpfer hätten bequemere Möglichkeiten, nach Europa oder Deutschland einzureisen, als sich unter die Flüchtlinge zu mischen. Mit dem Flugzeug zum Beispiel.
So oder ähnlich wurden besorgte Äußerungen kurzerhand kleingeredet, der Terror sickere getarnt über die Balkanroute ein - inmitten der ja nicht zuletzt vor den Terroristen des Islamischen Staates Fliehenden.
Die jüngsten Anschläge in Paris und Istanbul belehrten die Abwiegler offenbar eines Besseren. Je deutlicher Recherchen der Sicherheitsbehörden ergeben, dass die Täter tatsächlich im Flüchtlingsstrom mit schwammen, umso kleinlauter wurden für jeden logisch Denkenden eigentlich auf der Hand liegende Tatsachen verdrängt. Inzwischen geben die zuständigen Behörden schmallippig zu, dass die unbequemeren „Einreisen“ halt stattgefunden haben (und noch stattfinden?), und die vielgenannte „abstrakte Gefährdung“ augenscheinlich gar nicht mehr so abstrakt ist. Sarkastisch formuliert: Unbequem aber effektiv, zumal an einigen Stellen Verantwortliche schliefen.
In Sachen Flüchtlinge wurde in der letzten Zeit immer wieder verschleiert oder gar falsch oder gar nicht erst informiert. Manche mögen das aus „politisch korrekten“ Gründen gut heißen; und sich dann politisch korrekt“ wundern, wenn die so genannte Willkommenskultur bröckelt und die Bevölkerung (und eben nicht nur die Rechtspopulisten oder Rechtsradikalen, die immer gerne vorgeschoben werden) zornig ist und dem Rechtsstaat immer weniger traut.
Für die Verschweiger, Schönredner und Scheuklappenträger: Die Deutschen sind nicht so blöd, Flüchtlinge pauschal in die Terror-Ecke zu stellen. Sie unterscheiden sehr wohl (wenn sie offen informiert werden). Blöd sieht es eher auf der Seite derjenigen aus, die jeden, der Merkels Äußerung „Wir schaffen das“ ein „Wie denn bloß“ anhängt, in die rechtsradikale Schulblade steckt.
Allenthalben hören wir aus der politischen Welt, dass Deutschland vor riesigen, historischen Herausforderungen steht. Richtig! Die werden aber mit Sicherheit weder durch weit geöffnete Tore noch durch täglich neue Heißluftballons gemeistert werden können. Wie wäre es denn – da wir doch ALLE gefordert sind, wenn sich die Parteien endlich an einen Tisch setzten und gemeinsam nach praktikablen Lösungen suchten; und zwar ohne ideologische Scheuklappen und wahlkämpferisches Geschwafel? Vielleicht könnte dieses Vorgehen – Erfolg vorausgesetzt – sogar in Europa gehört werden und Nachahmer finden…
Mühen in dieser Richtung dürften doch angesichts der Dimensionen nicht zu viel verlangt sein. ULRICH JUNG
Geschenk für Rechts (16.1.2016)
Schäuble und seine EU-weite Benzinpreis-Steuererhöhung
Ob er damit seiner Kanzlerin wirklich einen Dienst erweist? Ihr den Rücken stärkt, wie es in einigen Medien hieß?
Der (neuerdings) ach so getreue Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hat eine zusätzliche EU-weite Benzinsteuer vorgeschlagen, um die nötigen Finanzen zur Bewältigung der Flüchtlingskrise aufzubringen. "Wir müssen die Schengen-Außengrenzen jetzt sichern. Die Lösung dieser Probleme darf nicht an einer Begrenzung von Mitteln scheitern", sagte der CDU-Politiker der "Süddeutschen Zeitung" (der gerade noch stolz einen 12-Milliarden Überschuss im Haushalt verkündete).
Dass die Autofahrerlobbyisten dieses Ansinnen flugs zurückwiesen, überrascht wohl nicht. Interessanter, aber auch nicht ganz unerwartet, sind die Äußerungen aus der Politik; wobei da hinzugefügt werden muss, aus der wahlkämpfenden Politik:
Die stellvertretende CDU-Vorsitzende Klöckner etwa, die Spitzenkandidatin für die Landtagswahl in Rheinland-Pfalz im März ist, lehnte solche Überlegungen ab. "Die Steuerquellen sprudeln, wir haben Rekordsteuereinnahmen und Haushaltsüberschüsse", sagte sie. Es sei deshalb nicht vertretbar, dass Pendler "nun die Zeche zahlen sollen". Angesichts der guten Haushaltslage des Bundes gebe es für eine Steuererhöhung nicht den geringsten Anlass.
"Wir Sozialdemokraten wollen die Gesellschaft zusammenhalten statt sie mit einer neuen Flüchtlingsmaut à la Schäuble zu spalten", sagte SPD-Vizechef Ralf Stegner und warf dem CDU-Politiker vor, es sei "fahrlässig, vor drei wichtigen Landtagswahlen so populistisch zu argumentieren".
Linken-Fraktionschefin Sahra Wagenknecht, selbsternannte Retterin der Armen und Erfolglosen, twitterte erwartungsgemäß: "Schäuble dreht durch: Statt Reiche sollen Autofahrer (das ist neu!) für Flüchtlinge zahlen. Besser kann man das politische Klima nicht vergiften."
Der ADAC erklärte: "Nur weil der Sprit momentan günstig ist, ist das noch kein Grund hier an der Preisschraube zu drehen." Es sei auch keine Lösung wieder einmal nur die Autofahrer zur Kasse zu bitten. Und der Automobilclub von Deutschland (AvD) forderte von der Bundesregierung eine stringent geplante Finanzierung der Flüchtlingspolitik, bevor über eine neue Zwangsabgabe diskutiert werde.
Wahlk(r)ampf, Lobbyismus, Links-Gedudel – Deutschland im Wahlkampfmodus. Vor dem Hintergrund der Flüchtlingskrise ist da die nächsten Wochen nichts Gutes zu erwarten.
Als ob Deutschland und Europa nicht genug gespalten wären; durch eine komplett versagende Flüchtlingspolitik, durch ein sich selbst zerlegendes Europa, durch Hilflosigkeit brennender Probleme gegenüber .
Anstatt sich gemeinsam an einen Tisch zu setzen und machbare, d.h. auch den Flüchtlingsstrom begrenzende und dennoch Deutschland und Europa zusammenhaltende Entscheidungen zu treffen, kommt jeden Tag jemand und prescht wie eine Dampfwalze durch die aufgebrachten Bürgermassen. Jetzt ausgerechnet mit einem der politischsten Preise, dem Benzinpreis.
Das geht nicht gut. So, liebe Frau Merkel, lieber Herr Scheuble, all ihr Gutmeinenden in Berlin und anderswo, schaffen wir es eben nicht. So macht ihr den Kameraden bei der AfD und noch weiter rechts ein freundliches Geschenk.
ULRICH JUNG
Kritik an Merkel wächst (Januar 2016)
Die Kritik an Merkels Flüchtlingspolitik wird lauter, der Druck vor allem aus den eigenen Reihen nimmt zu. Mittlerweile kursiert ein Brandbrief an die Bundeskanzlerin, unterschrieben von etlichen Unionsabgeordneten. Und dann noch diese Schlagzeile: Besorgte Bürger wollen sich bewaffnen. Aus der hoch gelobten Willkommenskultur wird nach der hässlichen Silvesternacht in Köln zunehmend merkbar, wie sich aus der Herzlichkeit tiefe Skepsis und sogar Angst breit machen. Wobei, bitteschön, nicht alle Deutschen von interessierter Seite für so blöd erklärt werden sollten, als dass sie jetzt sämtliche Flüchtlinge in einen Topf der Grausamkeiten werfen und sowieso alle für potentielle Verbrecher halten. Die Verbrechen müssen eigentlich niemanden überraschen, die waren abzusehen. Nicht alle, die aus den Kriegswirren des Nahen Ostens den Weg nach Europa, insbesondere nach Deutschland gehen, sind eben Friedensengel, Chirurgen oder Ingenieure. Köln hat auch dem letzten Gutgläubigen gezeigt, dass eine Minderheit Angst und Schrecken verbreiten kann. Wir sind also, wenn man so will, in der Silvesternacht in der Realität angekommen. Und nun überschlagen sich Politiker aller Couleur mit Vorschlägen oder Initiativen, wie denn die Kuh vom Eis geholt werden kann. Viel Unsortiertes ist dabei – als könne man mal eben etwa straffällig gewordene Asylbewerber flugs abschieben; hört sich alles gut an, ist aber nichts als „weiße Salbe“ zur Volksberuhigung. Wohin abschieben? In die Heimatländer, wo Krieg, Folter und Tod drohen? Die Betroffenen, die in Köln und anderswo Erwischten, sind bestens informiert und lachen sich kaputt, wenn Deutschland Strenge heuchelt. Davon abgesehen läuft die gesetzlich vorgesehene Abschiebung hierzulande – höflich formuliert – aus welchen Gründen auch immer äußerst schleppend.
Und Europa? Die Kanzlerin setzt sich ja medienwirksam ein und kämpft dafür, dass die Flüchtlinge „gerecht“ in die EU-Staaten verteilt werden. Die aber winken bis auf zwei, drei Ausnahmen fröhlich ab. Motto: Macht ihr mal, ihr Deutschen. Ihr, eure Kanzlerin, habt sie doch eingeladen. Wir hindern sie nicht, dieser Einladung zu folgen.
Solange nicht alle Karten auf dem Tisch liegen, solange politisch korrekt herumgeschwafelt wird, und solange jeder, der sich echt Sorgen und Gedanken macht um die Zukunft seiner Kinder und Kindeskinder, um letztlich Deutschland, gleich in die rechtsradikale und rassistische Ecke geschoben wird, so lange besteht die Gefahr, dass aus derzeit glimmenden Flämmchen ein unkontrolliertes Feuer wird. So funktioniert niemals Integration. ULRICH JUNG
Weg mit dem Maulkkorb
Da reißt sich endlich einmal jemand Kompetentes den politisch-korrekt verordneten Maulkorb herunter. Eine Streifenpolizistin in Bochum, selbst aus einer Migranten-Familie stammend, schlägt Alarm und mahnt in ihrem Buch „Deutschland im Blaulicht“ vor Parallelgesellschaften, die die hiesigen Werte, Normen und Gesetze missachten, und beklagt eine Politik, die Missstände offensichtlich nicht wahrnehmen will bzw. nicht wahrnehmen lassen will.
"Wenn wir diese Schwierigkeiten weiterhin unter den Teppich kehren, wird sich unsere Gesellschaft spalten, und zwar in Deutsche und integrierte Migranten und in jene Migranten, die in einer Parallelgesellschaft leben und ganz bewusst die hiesigen Werte, Normen und Gesetze missachten. So lässt sich kein friedliches Miteinander gestalten", schreibt Tania Kambouri. Die Polizei verliere die "Hoheit auf den Straßen", werde "immer hilfloser" und müsse sich "immer weiter zurückziehen", warnt die 32-Jährige.
Was sie sagt, muss erschrecken. Das geht an die Säulen unseres Rechtsstaates: "Beamte im Einsatz erfahren immer häufiger psychische und physische Gewalt und bedauerlicherweise zeigt unsere Erfahrung, dass diese vermehrt von Migranten ausgeht"… Meist haben wir Probleme mit jungen Männern aus muslimisch geprägten Ländern. Da fehlt der grundlegende Respekt gegenüber der deutschen Staatsgewalt. Sie bekommen das schon in ihrem Elternhaus vermittelt. Sie identifizieren sich nicht mit dem deutschen Staat – obwohl sie in Deutschland geboren sind oder schon lange hier leben. Manche sagen offen: "Scheiß auf Deutschland." Sie benehmen sich, als wäre es nicht ihr Staat, als wären sie hier nicht willkommen. Dabei weiß ich als Tochter einer griechischstämmigen Familie, dass jeder in Deutschland eine Chance hat, etwas zu werden – auch wenn man ausländisch aussieht."
Mit Blick auf die Flüchtlingsmassen warnt sie: "Da gibt es auch Probleme. Da werden Kinder prostituiert in Flüchtlingsunterkünften, was auch nicht gesagt wird." Noch würden solche Vorfälle zwar vertuscht, so Kambouri, "aber irgendwann" würden derlei Dinge "ans Tageslicht kommen - und dann gibt es einen großen Knall". Sie warnt: "Durch die offenen Grenzen haben wir viel Kriminalität hier reinbekommen, wir haben uns Kriminalität importiert, die wir vorher nicht hatten." Und: Es werde "immer schlimmer".
Wie ein Brandbrief gegen Merkels Politik der offenen Tore klingt das: "Ich finde, ohne Grenzkontrollen haben wir nichts hier im Griff. Man müsste die Grenzen leider auch im freien Europa wieder hochziehen... Die No-go-Areas breiten sich immer mehr aus. Das sind Bereiche, in die Bürger und Polizisten nicht mehr reingehen können, ohne Angst zu haben, dass etwas passiert. Es gibt Bereiche, in die einzelne Streifenwagen nicht hineinfahren. Das ist eine Tatsache", sagt sie der "Welt" (Quelle der Zitate: Nachrichtensender n-tv).
Mutig, in Zeiten wie diesen, in Zeiten einer Willkommenskultur, die vor lauter Euphorie und Gutmenschlichkeit das ausblendet, mit was Menschen an der Front tagtäglich konfrontiert werden; diese hätten, wie schon des Öfteren zu hören und zu lesen war, gefälligst den Mund zu halten. Weil ansonsten rechtextremes Gesocks motiviert werden könnte…
Das Totschlagargument entkräftet jedes vernünftige. Was Otto und Ottilie Normalverbraucher denken oder auch verantwortliche Politiker, wenn, ein Beispiel, in Frankfurt Flüchtlinge – zum Teil angereist - als Drogendealer angeheuert werden, sollte möglichst nicht laut erwähnt werden. Untern Teppich damit, Ruhe ist die erste Bürgerpflicht.
Es wird höchste Zeit, dass Deutschlands Willkommenspolitik analysiert wird und ein paar Wahrheiten offen gelegt werden und man nicht so tut, als herrsche Friede, Freude, Eierkuchen in den Flüchtlingsunterkünften und Umgebung. Unter einer Millionen (und mehr) Menschen gibt es nun einmal - wie auch bei den Einheimischen – nicht nur die Guten, die Armen, die Gestrandeten, die Gequälten. Die Spreu vom Weizen zu trennen, das würde einer wirklichen Willkommenskultur nicht schaden. Es forderte nur Mut, den die Polizistin mit ihrem Buch beispielhaft dargelegt hat. Dann käme vielleicht auch die Glaubwürdigkeit ist unsre Politik, in unsre Politiker zurück. Leider ist zu befürchten, dass Tania Kambourie genau so behandelt wird von den politischen Lautsprechern (rechts wie links) wie andere, die sich keinen Maukorb haben verpassen lassen. ULRICH JUNG
Große Skepsis - aber uns geht's gold
Deutschland geht’s gut, so „gold“, wie seit langem nicht mehr. Die Wirtschaft brummt, so viele Arbeitsplätze wie 2015 gab es noch nie, es werden händeringend Fachkräfte gesucht, die Inflationsrate liegt bei nahe Null, was zu erklecklichen Lohnsteigerungen beiträgt. Und wie reagiert der deutsche Michel?
Jeder zweite sieht 2016 "mit großer Skepsis und gemischten Gefühlen" entgegen. Der Anteil der Pessimisten stieg von 27 Prozent im vergangenen Jahr auf 50 Prozent in diesem. "Die Stimmung kippt. Die "German Angst" kommt wieder", erklärt Zukunftsforscher Horst Opaschowski, der die repräsentative Befragung für das Ipsos-Institut in Auftrag gegeben hat.Der Zukunftsforscher stellte weiter fest: Der Anteil der Optimisten ist im Vergleich zum Vorjahr stark gesunken. Nur 18 Prozent der 1000 Befragten stimmten laut Opaschowski folgendem Satz zu: "Dem kommenden Jahr sehe ich mit großer Zuversicht und Optimismus entgegen." Vor einem Jahr waren es noch 45 Prozent. Ursachen dafür seien vor allem der Ukraine-Konflikt, die Griechenland-Krise, der Syrien-Krieg mit seinen Auswirkungen mittlerweile auch bei uns (Flüchtlingsstrom) und die Terroranschläge vom 13. November in Paris.
Wenn man in den vergangenen Tagen die überfüllten Geschäfte, die prallen Einkaufstaschen und das Feiern rund um die Vorweihnachtszeit betrachtet, mag man das kaum glauben. Auch eine positive Meldung lässt aufhorchen und präsentiert ein eher optimistisches Bild in Deutschland:
Rein rechnerisch brachte jede Frau im gebärfähigen Alter im vergangenen Jahr 1,47 Kinder auf die Welt. Damit stieg die Geburtenrate zum dritten Mal in Folge. Sie war so hoch wie noch nie seit der Wiedervereinigung, wie das Statistische Bundesamt berichtete. 2013 hatte sie bei 1,42 gelegen. Damit wurden 56 Kinder pro 1000 Frauen mehr geboren. Deutschlandweit erblickten rund 715.000 Mädchen und Jungen das Licht der Welt. Mehr waren des zuletzt vor zwölf Jahren mit rund 719.000. Frauen im Alter zwischen 29 und 38 Jahren hätten jetzt ihre aufgeschobenen Kinderwünsche verwirklicht, führen die Statistiker als einen der Gründe für den Anstieg an. Sowohl Frauen mit deutscher Staatsangehörigkeit als auch Frauen mit ausländischem Pass brachten mehr Babys zur Welt. (Nachrichtenquelle n-tv).
Schafft man sich Kinder an, wenn die Zukunft düster ist und Pessimismus grassiert?
Dass die Schreckensereignisse des vergangenen Jahres und der nicht abebben wollende Zustrom Hunderttausender Flüchtlinge Sorgen und wohl auch Ängste verbreiten, wird niemand ernsthaft abstreiten können. Aber Angst und Pessimismus haben noch nie geholfen, Probleme zu lösen. Gerade die Deutschen sollten das aus ihrer Nachkriegsgeschichte gelernt haben. So ganz unrecht hat die Kanzlerin ja wohl nicht, wenn sie meint: „Wir schaffen das“. Wenn die Politik jetzt noch die Karten alle auf den Tisch legte und sagte, wie wir das schaffen könnten (und mit „Wir“ nicht immer nur die anderen gemeint sind), dann käme wahrscheinlich auch der Charakterzug zurück, mit dem Deutschland schon Unglaubliches gestemmt hat: nämlich Mut und Zuversicht. ULRICH JUNG
Erst einmal verbal draufhauen
Wenn ein Milliardär Gutes tut, wird gerade hierzulande, wo mit Neidschüren Wahlen gewonnen werden können und Meckern zum Charakterzug unserer Vollkaskogesellschaft gehört, zuerst einmal verbal kräftig draufgehauen.
Facebook-Chef Mark Zuckerberg gibt anlässlich der Geburt von Tochter Max 99 Prozent seines Vermögens in seine Stiftung ab (immerhin rd. 45 Milliarden Dollar!), um Chancengleichheit für die nächsten Generationen zu fördern. „Wir lieben dich und fühlen eine große Verantwortung, die Welt für dich und alle Kinder in einem besseren Zustand zu hinterlassen“, schreibt Zuckerberg in einem öffentlichen Brief an seine Tochter.
Und die Reaktion? Der will nur Steuern sparen und sein Image polieren. Hoffentlich reichen ihm die restlichen 500 Millionen zum Überleben… Und so weiter und so fort.
Dem Finanzunternehmer Carsten Maschmeyer erging es nicht besser. Er und seine Frau Veronica Ferres hatten zwei Flüchtlingsfamilien aus Syrien in ihrer Villa aufgenommen. Es wurde gemeinsam in der Küche gekocht, man teilte sich das Wohnzimmer, es wurde dafür gesorgt, dass die Kinder die Schule besuchen und die Eltern Umschulungsmaßnahmen. „Diese Erfahrung war unendlich kostbar, weil sie uns geholfen hat zu erkennen, was wirklich wichtig ist im Leben“, so Maschmeyer im Interview.
Öffentliche Anerkennung wenigstens von denen, die seit der ausgerufenen deutschen „Willkommenskultur“ gerne in Talkshows die Moralkeule schwingen? Fehlanzeige. Dafür gehässige Sprüche wie „Der tut doch nur Gutes, um Wirtschaftskriminalität zu verbergen“ oder „Ein PR-Gag, sonst nichts“…
Auf die Idee, dass Maschmeyer und Zuckerberg – wie etliche Prominente übrigens auch, Sarah Connor beispielsweise oder Til Schweiger – wirklich Gutes tun wollen, kommen die Geiferer erst gar nicht. Sie müssten sich ja sonst bei etwas Nachdenken fragen, was sie selbst denn auf die Beine stellen, um die Welt für alle ein wenig besser zu machen. Da fällt es natürlich leichter, dumm daher zu schwätzen, zumal man sich sicher sein kann, dass massenweise Gleichgesinnte applaudieren. Und kosten tut’s auch nichts.
Noch einmal zur 45-Milliarden-Spende des Facebook-Gründers: Das Jahresbudget der Weltgesundheitsorganisation (WHO) beträgt vier Milliarden Dollar, das der deutschen Entwicklungshilfe 6,9 Milliarden Dollar. ULRICH JUNG
Kein Aufschrei - nur Geschwurbel
Wo sind sie denn geblieben, die Friedensbewegten, die Gutmenschen und die, die der Welt ständig Moral predigen?
Im Angesicht von mutmaßlich Tausend Toten,darunter viele, viele Kinder, durch Giftgas ums Leben gebrachter Menschen, erstaunt es schon, dass hierzulande – ausgerechnet in Deutschland! – kein Aufschrei ertönt. Im Gegenteil: Beschwichtigungen allenthalben.
Aber wetten: In dem Augenblick, wenn die ersten US-Raketen gen Syrien fliegen, wird wieder Heulen und Zähneknirschen sein bei unseren Guten. Dann werden sie sich wieder abarbeiten an den Amis.
Rosige Zeiten? Abwarten...
Rosige Zeiten. Uns geht es„gold“. Euro- und Schuldenkrise hin oder her: Die Kanzlerin befindet, DeutschlandsKonjunktur geht aufwärts – und sie legt medienwirksam ein paar superteureWahlgeschenke ins Unions-Programm.
Irgendwie werden wir’s schonstemmen…
Wirklich? Liest man dieWirtschaftsteile der Zeitungen einmal etwas sorgfältiger, bleibt vomMergel’schen Überschwang eigentlich recht wenig übrig. Die Wachstumsprognosenwurden längst heruntergefahren, aus Unternehmen kommen zunehmend mehr Klagen.
Verbände und natürlich dasRösler-Ministerium dagegen sehen nur einen hellen, strahlenden Konjunkturhimmel. Sie färben die Aussichtengnadenlos auf „schön“.
Wahlkampf ist, und da musszugelangt werden. Leider (veröffentlicht) meist nur die positive Seite. Hörtsich ja auch immer gut an, wenn Milliarden für „die Menschen da draußen“ vorabverteilt werden.
Nach dem 22. September, wenndie großspurigen Versprechen eins nach dem anderen wieder einkassiert werden(Wetten, dass…?), ist wieder Heulen und Zähneknirschen. Auf die Argumente darfman gespannt sein – Hochwasserkatastrophe, Eurorettung, Exportschwund - die Realitäten müssen dann wohl oder übelformuliert werden (obwohl sie heute schon bekannt sind).
Nichts da mit Wahlgeschenken.Nichts da mit Konsolidierung des Haushalts. Dann demnächst: nichts da mitEinhalten der Schuldenbremse; zuviel Ungemach sei auf Deutschlandhereingebrochen, als das dieses hehre Vorhaben verwirklicht werden könne. Die „Anderem“ werden es nichtbesser machen können. Sie sind wenigstens so fair und kündigen Steuererhöhungenan. Wofür – das ist eine andere Geschichte… ULRICHJUNG
Freundliche Sprüche
Man muss ja nicht gleich in ätzende Hämeverfallen – so unter dem Motto: Jetzt macht Angela Merkel den Schröder.Wetterfeste Schuhe und Jacke angezogen und ab in die Jahrhundertfluten. Waskann die Kanzlerin dafür, dass ausgerechnet in Wahlkampfzeiten das Wasser inSüd und Ost hereinschwappt und die Menschen dort (wieder mal) in Verzweifelungspült? Dass Politiker(innen) im Hochwassergebiet Punkte sammeln wollen, zumalvor wichtigen Urnengängen (im Bund und in Bayern!!!), muss man nicht, aber kannman verstehen.
Am Ende geht es freilich um etwas ganz Anderes.Nämlich darum, wo die avisierten hundert Millionen des Bundes landen, und wases auf sich hat mit dem demütigvorgetragenen Versprechen derBundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU!!!, in Bayern sind ja auch imSeptember Wahlen), „Wir werden die betroffenen Landwirte nicht im Regen stehenlassen“? Ein Regenschirm als Rettungsschirm???
Anmerkung: Frau Aigner ist immer gut fürfreundliche Sprüche, nach denen nichts mehr kommt.
Es sollen, wie es in Presseberichten nochzaghaft vermeldet ist, nach der letzten Flut großmäulig zugesicherte Geldernicht angekommen sein. Hallo: Das damalige Jahrhunderthochwasser ist ja schoneinige Jahre her...
Nun denn:Wahlkampf war und ist immer und überall.
Aber noch ein Gedanke muss erlaubt sein: Gegendas Leid irgendwo in der Welt stehen Berliner Haushaltsschatullen weit, weitoffen. Millionenbeträge wandern medienwirksam mit Gutmenschen-Augenaufschlagund traurigem Blick vorgetragen dahin, wo Erdbeben, Kernexplosionen oderKriegsnot die Menschen an den Abgrund treiben.Da ist es doch nur recht und billig, den Gestrandeten und ohne ExistenzDastehenden bei uns auch großzügig Hilfe zukommen zu lassen. Aber bitte direktund nicht über eifrige Stadtkassen-Sanierer!
Man wirdin ein paar Monaten nachfragen müssen, wo die jetzt ach so großzügig angekündigtenHilfen für unsere Flutopferangekommen sind; oder ob sie, wie demnächst das Gewässer, versickert sind inirgend welchen maroden Stadtsäckeln.
Am Abend dann die Nachricht, die EU habe kein Geld, um den Hochwassergebieten in Mitteleuropa zu helfen. Die Milliarden für Syrien haben das Budget aufgefressen... Noch ein Schub für Politik- und vor allem Europaverdrossenheit! ULRICH JUNG
MerkelsWahlversprechen: Unseriös
Bis zur Halskrause verschuldet, aber„Wahlversprechen“ in Höhe von 28 Milliarden (!) Euro in dieÖffentlichkeit blasen. Die maroden Euro-Staaten permanentschulmeisterlich – sorry: klugscheißerisch - zur Sparsamkeitauffordern, und selbst das Geld einerseits mit vollen Händen zumFenster hinauswerfen (Stichwort: diverse Großprojekte und anGewohnheit grenzendes munteres Verschleudern von Milliarden und aberMilliarden), andererseits trotz nie dagewesener hoher Steuereinnahmenweiter kräftig neue Schulden machen: Deutschlands schwarz-gelbeRegierung im Wahlkampf 2013. Großmäulig wie gewohnt, wenn Wahlkampfist. Drei Tagesordnungspunkte: Macht, Macht, Macht. Und OttoNormalverbraucher merkt letztlich wenig bis nichts von den einstmalsangekündigten Wohltaten.Bemerkenswert ist u.a. (zum ThemaWahlversprechen für die Familien): Deutschland gibt von Gießkannenverstreut Unsummen aus rund um die von allen Parteien hochgehalteneFamilienpolitik. Anstatt draufzusatteln, wäre eine sorgfältigeAnalyse der Jetzt-Mammut-Zahlungen auf Notwendigkeiten und Wirkungnotwendig. Das Ergebnis setzte wahrscheinlich (seriöse)Familienpolitiker in Erstaunen.Spanien, Griechenland, Portugal, undund und – denen sagt unsere hochverehrte Kanzlerin medienwirksam,was sie gefälligst zu tun haben, um aus ihrem Dilemmaherauszukommen. Und zu Hause greift sie in die Vollen - (leeren)Kassen. Nicht gerade glaubwürdig.Wundern muss man sich da wirklichnicht, wenn uns nahezu ganz Südeuropa und direkte Nachbarn Hassgefühle entgegenbringen.Glaubwürdige Europapolitik sieht inder Tat anders aus. Wahlkampf hin oder her. ULRICH JUNG
Die EU ruiniert sich selbst
Wenn schon, denn schon: Wenn sichruinieren, dann gründlich.Die EU hat soeben entschieden, Kroatienaufzunehmen. Im Schnelldurchgang. Kroatien, ist ab 1. Juli das 28.Mitgliedsland und zugleich das im Voraus schon absehbare nächsteSorgenkind der (von was eigentlich getriebenen) Union.Wie in Medien nachzulesen ist, prägenhohe Schulden, Arbeitslosigkeit, Korruption bis zum geht nicht mehr(Zypern und andere, die munter kassieren, lassen grüßen),abstürzende Industriedaten – der Niedergang ist offensichtlichprogrammiert.Willkommen, liebes Kroatien, in derirrsinnig marode Länder pflegenden EU...Die EU, vor allem, das darf man ja wohlsagen, Deutschland, halst sich den absehbar nächsten Problemfallauf. Und da wundern sich doch wirklich noch die politischen „Eliten“,dass die Stimmung für den Euro und das sogenannte geeinte Europaweiter erkaltet und mittlerweile kurz vor dem Abgrund steht.Europa: Schulden und Korruption,Arbeitslosigkeit, Intrigen - das hört sich irgendwie an wieriesengroße Bananenrepublik. Europa zerbröckelt an sich selbst,weil es keine politische, wirtschaftliche Einigung zustande bringt.Na ja, diejenigen, die innerhalb der EUverreisen, brauchen wenigstens kein Geld mehr zu wechseln.Irre und sicherlich nachdenkenswert. So wird Europa niemals funktionieren.Die – wie man heute sagt: „Menschen“ (wer sonst?)... - machennicht wirklich mit. Europa braucht nicht Quantität ohne Rücksichtauf Verluste, sondern Qualität im Hinblick u.a. auf dieGlobalisierung. Dabei können und sollen die Staaten sichunterstützen, sich gegenseitig helfen – klar doch -, aber nichtvon vornherein jeden in die Gemeinschaft aufnehmen, der erst einmalund vor allem kassieren und der sich in eine EU-Hängematte legenwill. ULRICH JUNG
Böse Steuerhinterzieher - böser Staat
Die bösen Steuerhinterzieher. Da müsseder Staat doch endlich mal gnadenlos einen Riegel vorschieben.
Richtig! Steuerhinterziehung ist in derTat kein Kavaliersdelikt. Diese Leute , die dem Staat – alsouns allen – das gesetzlich Festgeschriebene nehmen, gehörenbestraft. Und zwar empfindlich.
Nehmen wir den aktuell so hysterischdiskutierten Fall Hoehneß. Der hat eigenen Angaben zufolge Steuernhinterzogen. Er gehört natürlich bestraft. Wie das am Ende auchimmer aussieht.
Dass aber ausgerechnet Politiker sichgroßspurig das Maul zerreißen über den bösen Hoeneß, denBörsenspekulanten und Steuerhinterzieher,das muss man doch einmalbeleuchten dürfen.
Ausgerechnet Politiker! Ausgerechnetdiejenigen, die uns einerseits ausnehmen bis zum wortwörtlichenGeht-nicht-mehr, und ausgerechnet diejenigen, die Milliarden –wohlgemerkt Steuergelder, unser Geld – zum Fenster hinauswerfen,versenken im Irgendwo, und eine Pleite nach der anderen hinlegen.Beispiele gibt es en masse: Der Berliner Flughafen ist nur einaktuelles, oder die Euro-Drohne. Den Rest kann man nachlesen in denjährlich, seit Jahrzehnten ohne jeden Erfolg, vorgelegteneinschlägigen Berichten über die staatlichen Steuerverschwender.
Klug daher schwafeln, uns ja ach sodepperten Bürger munter einlullen, unser Geld im Orkus versenken –und dann noch um Wählerstimmer werben, weil ja „Gerechtigkeit“ -was immer das sein mag - nun endlich gelebt werden müsse - dieScheinheiligkeit allein in Sachen so genannter Steuergerechtigkeitmüsste eigentlich jedem auffallen, der einmal über das Themanachdenkt.
Am Ende fragt man sich doch: Ist unserStaat nicht ebenso ein Steuerverbrecher wie Höhneß und Co.? Hoehneßzockte augenscheinlich gegen den Staat und bereicherte sich. DerStaat nimmt uns allen, zockt nicht einmal großartig, weil er inGesetze gießt, was man in Normaldeutsch Abzocken nennen darf. –und bereichert sich auch.
Freilich ungestraft.... ULRICH JUNG
Deutschland macht sich lächerlich
Zuerst die bemerkenswerten Schlampereien (so es denn – hoffentlich - „nur“ Schlampereien waren). Ein Stichwort: geschredderte Akten. Danach reihte sich Peinlichkeit an Peinlichkeit bis hin schließlich zur Lächerlichkeit.
Das Geschehen rund ums Thema NSU-Verfahren gerät inzwischen zur Farce, was Deutschland im eigenen Land aber vor allem auch in den Augen des Auslandes in ein, vorsichtig formuliert: nicht gerade Vertrauen erweckendes Bild rückt.
Pressefreiheit, besser: ein kleiner Rest davon, auch Öffentlichkeit wird per Los hergestellt, was zum Ergebnis hat, dass in diesem international beobachteten Verfahren wichtige, international beachtete Medien wie die FAZ, Die Welt, die Süddeutsche Zeitung, Die Zeit oder Frankfurter Rundschau außen vor bleiben; aber etwa ein lokales Anzeigenblatt oder die (politisch ach so wichtige…) Frauenzeitschrift „Brigitte“ quasi aus der ersten Reihe einen Prozess beobachten dürfen, der in seinen Dimensionen hierzulande wohl einmalig ist. Wäre die Situation nicht so unendlich traurig, müsste man sich kaputt lachen. Aber das Bild des demokratischen Rechtsstaates, des so gerne (nicht zuletzt sich selbst) moralisierend daherkommenden Deutschlands wurde unwiderruflich vom offensichtlich überforderten, ja: was Öffentlichkeitsarbeit angeht, unbedarften Gericht gefährlich beschädigt. Und zwar, wie das an anderer Stelle immer häufiger und gerne benutze Wörtchen: nachhaltig!
Leidtragende sind in erster Linie die Angehörigen der Opfer, die mit ansehen müssen, wie unprofessionell dieser immens wichtige Fall behandelt wurde und wird. An zweiter Stelle bekommt die im Grundgesetz verankerte Pressefreiheit einen Tritt. Eine Lotterie entscheidet, wer beim Prozess dabei sein darf. Nicht erinnerlich, dass es so etwas schon jemals gegeben hätte. Und drittens macht sich Deutschland in der Welt unglaubwürdig – ausgerechnet in einem aufsehenerregenden Mordfall, dem Ausländer zum Opfer fielen...
Unsere Politiker sollten ab sofort sehr sorgfältig ihre Predigten abwägen, wenn sie die Gerichtsbarkeiten in anderen Ländern be- und verurteilen wollen.
Deutschland, ein dann zwangsläufig kleinlauter Rechtsstaat? Am Ende wird’s so kommen, und das ist eigentlich das Schlimmste, was die Münchener Richter angerichtet haben.
ULRICH JUNG
Erpressung von der Leyen: Kanzlerin ist eingeknickt
Die Kanzlerin ist – auch - in Sachen Frauenquote eingeknickt. Ursula von der Leyen hat ihre Chefin und die CDU mit ihrem Hinweis, eine gesetzliche Regelung einzuführen zu wollen und damit dem Antrag der Opposition zuzustimmen, quasi brutal erpresst. Herausgekommen ist ein Schaufensterkompromiss: 30 Prozent Frauenquote in großen Unternehmen ab dem Jahr 2020 ins Wahlprogramm schreiben – wenn wahrscheinlich längst niemand mehr der heutigen CDU-Strategen und -Strateginnen in verantwortlichen Ämtern ist. Von der Leyens Devise: Gesetzliche Regelung als Kompromiss oder den Bruch der Koalition wagen; und das mitten im Wahlkampfgetümmel für den Urnengang im September.
Die Kanzlerin, sonst nicht zögerlich, ihre Meinung durchzusetzen und notfalls hemmungslos Köpfe rollen zu lassen, (man erinnere sich an den letzten, Röttgen, den glücklosen Umweltminister) hatte kaum eine andere Wahl, als eine Rolle rückwärts zu machen – eben wegen der Bundestagswahlen. Sie hätte von der Leyen, die illoyale Ministerin, eigentlich umgehend entlassen müssen. Eigentlich. Wäre nicht Wahlkampf, hätte sie das sicherlich auch getan.
So aber ist von der Leyen Siegerin in einem Krieg um Macht. Wer, wie die Arbeitsministerin, Kanzlerin werden will, muss halt auch die dafür notwendige politische Brutalität an den Tag legen. Die Derzeitige führt es ja gekonnt vor.
Merkel steht jedenfalls ausgehebelt da, und die Frauen in der CDU werden sich die Frage stellen: Was gilt denn jetzt eigentlich? Das (ehemalige) Wort der Kanzlerin und der Familienministerin Schröder (Flexi-Quote), oder der jetzt erzwungene Kompromiss letztlich für den St. Nimmerleinstag? Ob letzteres der CDU bei der Wahl Frauen in Massen zutreibt, darf wohl bezweifelt werden. Und sowieso: Was zählt eigentlich bei der CDU noch ein Parteitagsbeschluss (Flexi-Quote)?
Die Großkopferten entscheiden im Hinterzimmer…
Dennoch: unterm Strich: Gefühlt 1:0 für von der Leyen. Was, sollte ihre Kalkulation in ein paar Jahren zur Abstimmung stehen, unterm Strich nicht unbedingt für die CDU förderlich sein dürfte. ULRICH JUNG
Recht auf Verschmutzung der Umwelt ist käuflich
Im Zusammenhang mit der Reform des EU-Emissionshandels tauchte jetzt in den Nachrichten eine bemerkenswerte Formulierung auf: „Verschmutzungsrechte“ ; ein Wortungetüm, das irgendwie so gar nicht in die Rettung der Welt vor dem Klimawandel passen mag.
Unternehmen können sich also das Recht (Zertifikat heißt das im Beamtendeutsch) kaufen, um die Umwelt mit CO2 zu verschmutzen.Das ist zwar nicht neu, nur der Begriff „Verschmutzungsrechte“ irritiert, wenn man Umweltschutz meint.
Nun ist der Preis für die Verschmutzungsrechte jüngst auf unter fünf Euro je ausgestoßener Tonne CO2 gefallen, das vielleicht gutgemeinte System droht somit zu kollabieren, der Beitrag zum Klimaschutz verpufft wie jetzt der Vorschlag der EU Kommission, 900 Millionen Emissionsrechte aus dem Markt zu nehmen, um den Preis in die Höhe zu treiben - auf mindestens 25 Euro je Tonne -, damit die Unternehmen lieber in umweltschonende , klimafreundliche Techniken investieren.
So lange man „Verschmutzungsrechte“ (auch noch) günstig kaufen kann, wird das mit der Rettung der Welt nicht so einfach. Und andererseits: „Markteingriffe“, wie u.a. der Bundesverband der deutschen Industrie den Vorschlag nach Verknappung der Emissionsrechte nannte, gehören natürlich nicht zum Prinzip der Marktwirtschaft. Ein Teufelskreis. Ökologie und Ökonomie - ein permanenter "Krieg"
ULRICH JUNG
Auch das noch: Staats-Prämien für Urlauber
Parlamentarische Sommerpause – und da kriechen sie, alle Jahre wieder, aus den hinteren Bankreihen hervor und rein in die Schlagzeilen. Neustes Sommerloch-Thema: Staatliche Prämien für deutsche Urlauber, die in Südeuropa, also etwa in Griechenland oder Spanien, ihre Ferien verbringen. Damit könnten Euro-Krisen-Länder ihre miserable Wirtschaftslage verbessern, heißt es von den mediengeilen "Politexperten", die auch mal das Füllhorn ausschütten wollen.
Wir haben es ja. Hunderte Milliarden für marode Banken in Euroland und für alles, wenn irgendwo in der Welt der Schuh drückt. Deutschland zahlt - immer gerne; und lässt sich dafür dann auch noch beschimpfen.
Haben die Hinterbänkler eigentlich immer noch nicht kapiert, dass unsere Kassen leer sind und nur durch neue Schulden all das bezahlt werden kann, was wir uns als Wohlfahrtsunternehmen Deutschland leisten?
Und nun auch noch staatliches Urlaubsgeld? Rettungsschirme und Last-Minute-Prämien. Wäre es sommerlich heiß hierzulande und die Sonne schiene den Politikern aufs Hirn, wäre das vielleicht eine Erklärung für den hanebüchenen Unsinn. Oder haben Regen und Wind nicht nur, wie die Herrschaften in Berlin meinen, die Bürger an den Rand der Depression gebracht, sondern auch diejenigen, die endlich auch einmal in die Schlagzeilen wollen? ULRICH JUNG
Röttgen - vorgeführt
Röttgen hat sich dumm angestellt im NRW-Wahlkampf - keine Frage. Er hat auch niemals den Eindruck hinterlassen, dass er wirklich Ministerpräsident werden wollte oder - schlimmer noch - Oppositionsführer. Berlin war für ihn wichtiger. Er hat verloren - die Wahl, seinen Ruf als “Muttis Klügster” und Kronprinz, natürlich seine politische Karriere.
Er muss einem nicht leidtun; so ist halt Politik. Er hätte ja auch gleich am Wahl-Sonntag sagen können: Ich trete auch als Umweltminister zurück.
Das tat er nicht - und ließ sich danach vorführen.
Aber dennoch: Er, der Hoffnungsträger, wurde schlicht weg abserviert. Wie mit ihm umgegangen wird (wurde) ist bezeichnend für diejenigen, die uns tagtäglich vorsingen, wie wir uns zu verhalten haben. Vornweg die Kanzlerin, die sogar Europa sagt, wo es langgeht. Und nicht nur Norbert Röttgen wird zu spüren bekommen haben, dass Politik ein schmieriges Geschäft ist. Hilfestellung für die, die ihn abservieren wollten, kam da, nicht zu ersten Mal, aus Bayern.
Die Kanzlerin hat Röttgen keine Chance gegeben, sein Gesicht zu wahren. Wenn es um ihre Macht geht, geht sie über (politische) Leichen. Die Vergangenheit erzählt darüber hässliche Geschichten.
Wie lange sie das wohl durchhält?
Und nun Altmeier. Man fragt sich, ob der denn wohl Ahnung hat von Umweltschutz und dem ganzen Kladerada um die Energienwende. Dem selbsternannten wichtigsten Projekt der Regierung (der Kanzlerin). Hobbyumweltleute kann die hochgejubelte Energiewende wirklich nicht gebrauchen.
Kurzum: Am Beispiel Röttgen zeigt sich wieder einmal, wie jemand nach ganz oben gesungen und dann nach ganz unten fallen gelassen wird - von denselben Leuten!
Die Frage, warum sich so wenige Menschen, so wenige Jugendliche für Politik interessieren, beantwortet sich an diesem Beispiel von selbst.
ULRICH JUNG
Das letzte Fettnäpfchen? (Wulff 6)
Irgendwie hatte man ja doch noch gehofft, der Ex-Bundespräsident würde auf die Sonderausstattungen – Büro, Mitarbeiter, Dienstwagen mit Fahrer – verzichten; im eigenen Interesse, um seinen eh arg lädierten Ruf nicht gänzlich zu ruinieren. Aber auch diese Peinlichkeit lässt er nicht aus, eine entsprechende Anfrage ist laut Zeitungsbericht jetzt beim Haushaltsschuss des Bundestages eingegangen.
Und somit wirft er sich bäuchlings in das (letzte?) Fettnäpfchen. 199 000 Euro „Ehrensold“ für den nun gänzlich Ehrlosen plus angenehmer Privilegien nach nicht einmal zwei Dienstjahren im Schloss Bellevue – sein inzwischen weit verbreiteter „Titel“ Schnäppchenjäger ist viel zu harmlos für einen, der so hemmungslos wie Wulff den Staat, dem er einst dienen wollte, auszunehmen versucht.
Was für ein Mensch? Was für ein Politiker? Was hat der bloß für Berater? Oder ist er völlig beratungsresistent?
Wahrscheinlich.
Wer sich so weit von Realität und Anstand entfernt hat, der sollte nicht Ruhe im Kloster suchen, sondern einen guten Psychiater konsultieren. Vielleicht kann der ihm ja helfen, wieder auf den rechten Weg zu finden.
Man kann jetzt nur hoffen, dass der Haushaltsausschuss deutlich sein Veto einlegt und Wulff klar macht: Es reicht! ULRICH JUNG
Jetzt will er alles (Wulff 5)
Jetzt will er alles. Das volle Programm: "Ehrensold", Dienstwagen, Fahrer, Büro, Personal. Bis zum Lebensende. Das volle den "Alt-Präsidenten" zustehende Programm. Und das nach gerade mal knapp 20 Monaten Dienstzeit.
Wulff treibt's auf die Spitze. Ist der Ruf erst ruiniert, lebt's sich völlig ungeniert. Wenn auf jemanden dieses Motto passt, dann auf den Schnäppchenjäger, der sich nach nie dagewesenen Peinlichkeiten aus dem Amte schlich.
Es mag ja rechtens sein, gerecht ist das jedenfalls nicht. Und sollte er noch einen Funken Anstand in sich haben, müsste das Wulff genau so sehen, müsste spüren, wie ihn die Menschen mehr und mehr verachten und er eigentlich nur noch eine Chance hätte, angerichtete Schäden wenigstens etwas zu reparieren. Aber Volkesmeinung interessiert ihn nicht mehr. Nur zahlen, dafür sind wir ihm gut genug. Ansonsten lebt er fröhlich nach der Devise: Jeder denkt an sich, nur ich denk' an mich...
Wie wohl seine Freunde reagieren, die ihn munter aushielten und sich gerne vom präsidialen Scheinwerferlicht bescheinen ließen? Wahrscheinlich läuft das ab wie immer in solchen Situationen: Sie werden beiseite treten, um seinen freien Fall nicht zu behindern.
Was ist das für ein Charakterzug, der Wulff in dieses Dilemma trieb? Dummheit? Grenzenlose Überheblichkeit? Gier? Realitätsferne?
Auf ihn trifft wohl alles zu.
Wenigstens ein Gutes hatte seine Amtszeit bzw. der abrupte Abruch derselben: Die Themen "Ehrensold" und Politikerversorgung kommen wieder auf die Tagesordnung. Man kann nur hoffen, dass sie hernach nicht wieder in den Schubladen verschwinden.
ULRICH JUNG
Deutschland sucht den Superpräsidenten - Unwürdiges Gepokere (Wulff 4)
Die Ära Wulff - kurz und schmerzhaft am Ende - ist Geschichte, eine unwürdige zumindest. Dennoch: Gott sei Dank. Mit dieser letztlich zur Lachnummer (nicht nur im Karneval) mutierten Figur hat sich Deutschland nicht mit Ruhm bekleckert. Schluss ist, aus, gut so!
Und jetzt suchen sie einen neuen Präsidenten. Verkünden in allen TV-Kanälen und in alle Mikrofone: Überparteilich muss der Kandidat sein, integer, am besten nicht aktuell in einem Partei- oder Regierungsamt; kurzum: quasi ein Heiliger...
Und was wird wirklich hinter den Kulissen geschoben und gemauschelt?
Das liest sich so: Er darf natürlich nicht zu grün, nicht zu schwarz und nicht zu rot sein, er darf auch nicht den Verdacht aufkommen lassen, dass mit seiner Auswahl eine künftige Regierungskonstellation, -koalition festgezurrt werde.
Das ganze Spielchen nennen sie dann, unsere Kandidatensucher, bedingungslos in gemeinsame Gespräche zu gehen.
Das Gegenteil ist der Fall. Man hält das Volk wieder mal für zu blöde, um die Taktik zu durchschauen. Die Scheinheiligkeit ist erbärmlich.
Das alles sieht und hört sich an wie die Suche nach einem Kandidaten, der Thomas Gottschalk nachfolgen soll. Die einen sagen ab, andere spielen sich ungefragt in den Vordergrund, am Ende kommt dann einer/eine heraus, die man unter "Zweite Wahl" abfeiern dürfte. Immerhin dann gemeinsam gewollt, damit sie die Kreise nicht störe.
Wulff habe das Amt beschädigt, heißt es allenthalben. Nur, wenn diese Bewertung aus der Politik kommt, muss man schon nachfragen: Und was macht ihr jetzt? Mit dem unwürdigem Gepokere um den höchsten Posten der Republik?
Fast möchte man sagen: Glückwunsch den Leuten - Lammert, Voßkuhle ua. - , die abgewunken haben! Sie spielen nicht mit bei "Deutschland sucht den Superpräsidenten". Mal sehen, was dabei herauskommt. ULRICH JUNG
Quod licet Iovi... (Wulff 3)
Quod licet Iovi, non licet bovi. Was dem Jupiter erlaubt ist, ist dem Ochsen nicht erlaubt. Frei übersetzt: Die Kleinen henkt man, die Großen lässt man laufen.
Das passt zu der Meldung von Spiegel online, nach der die Staatsanwaltschaft eine Razzia beim im Dezember entlassenen Sprecher des Bundespräsidenten, Glaseker, veranlasst habe. Grund: Ihm wird Bestechlichkeit vorgeworfen.
Glaeseker habe in den Jahren 2007 bis 2009 die Durchführung und Finanzierung des vom Eventmanager und engen Wulff-Bekannten Schmidt organisierten Nord-Süd-Dialogs "gefällig gefördert“, so die Staatsanwaltschaft Hannover. Als Gegenleistung soll Glaeseker zusammen mit seiner Frau dreimal unentgeltlich Urlaube in Feriendomizilen von Schmidt verbracht haben. Glaeseker, 50, war damals Niedersachsens Regierungssprecher unter dem Ministerpräsidenten Wulff im Rang eines Staatssekretärs und hätte als Landesbediensteter teure Geschenke wie einen Gratisurlaub vermutlich nicht annehmen dürfen.
Mag sein. Aber da fällt einem zwangsläufig auf, dass Glaseker eigentlich nichts anderes getan hat, als sein Herr und Meister. Konsequenzen für Wulff? Keine. Im Gegenteil. Kein Anfangsverdacht, keine Ermittlungen, weiße Weste...
Quod licet Iovi... Oder: Strauchelnde Politiker sind flott bei der Hand, wenn es um Bauernopfer geht. Eine Unart, die im demokratischen Rechtsstaat, wie zahllose Beispiele aus der Vergangenheit zeigen, Methode hat. ULRICH JUNG
Der Gedanke tut weh... (Wulff 2)
Ob er nun abtritt, weil er einsieht, was er angerichtet hat, oder ob er „abgetreten“ wird (was mehr oder weniger unmöglich ist), eins ist ihm gewiss: eine goldene Zukunft.
1953 wurde ein Gesetz geschaffen, das die Ruhebezüge eines Bundespräsidenten ausgesprochen großzügig regelt. Bis zum Lebensende erhält er seine Amtsbezüge von derzeit etwa 199 000 Euro als „Ehrensold“; übrigens auch, wenn er vorzeitig aus dem Amt scheidet, etwa durch Rücktritt. Damit nicht genug. Der A.D. hat zusätzlich Anspruch auf ein Büro mit Sekretariat im Bundespräsidialamt und auf zwei Leibwächter. Um seine Mobilität braucht er sich natürlich auch nicht zu sorgen.
Davon muss Christian Wulff nicht träumen. Es steht ihm zu.
Der Bundespräsident – einer von uns!?
Wohl nicht ganz. Denn wer „von uns“ vorzeitig aus dem Erwerbsleben ausscheidet oder in Rente geht, hat gefälligst Abschläge in Kauf zu nehmen.
Es gibt Verfassungsrechtler, die lange schon den „Ehrensold“ für nicht mehr zeitgemäß halten. Dem kann man sich eigentlich nur anschließen, vor allem vor dem Hintergrund, dass der „Ehrensold“ geschaffen wurde, um die besondere Würde des Amtes zu unterstreichen.
Nun ja. Den noch lebenden Vorgängern sei es gegönnt.
Was aber, wenn einer der „besonderen Würde“ des Amtes nun so gar nicht entspricht? Eine lebenslängliche Apanage für einen, der die Würde des Amtes (in gerade mal 18 Monaten Berufsausübung) so demoliert hat wie Wulff? Der Gedanke tut weh.... ULRICH JUNG
Es reicht, Herr Wulff
Jetzt reicht’s aber. Nach dem Herumgeeiere der letzten Tage, nach dem für ein Staatsoberhaupt eher peinlichen Interview im Öffentlich-Rechtlichen Fernsehen, in dem Wulff den Demütigen und das eigentliche Opfer gab – was ihm aber Umfragen zu Folge zwei Drittel der Deutschen nicht so recht abnehmen -, nun das: Der Bundespräsident erlaubt der Bild-Zeitung trotz schriftlicher Bitte um Zustimmung nicht, den Wortlaut seines „Wut-Telefonats“ von der Mailbox des Chefredakteurs Diekmann zu veröffentlichen; womit er hätte klar stellen können, dass seine Aussage im TV-Interview stimme, er habe den Artikel um die Kreditaffäre nicht verhindern, sondern lediglich das Erscheinen wg. seines Auslandsaufenthaltes nur um einen Tag verschieben wollen.
Die Bild hatte dieser Version direkt widersprochen und bleibt auch weiter bei ihrer Darstellung, Wulff habe unter Drohungen versucht, den Artikel zu verhindern.
Logische Schlussfolgerung nach dem Wullfschen Veto, freundlich formuliert: Der Bundespräsident hat (wieder einmal) die Wahrheit verbogen. Damit hat er auch das letzte Fünkchen Vertrauen, was der eine oder die andere vielleicht noch glimmen sah, endgültig ausgetreten.
Denn man versteht nicht, dass er alles Mögliche, etwa seine Finanzen offengelegt und sogar ins Internet hat stellen lassen, aber das Telefonat unterdrücken will. Wer sich schon mehr oder weniger bis aufs Hemd öffentlich gemacht hat, der müsste doch eigentlich kein Problem damit haben, das Telefonat, für das er sich ja sogar entschuldigt hat (warum eigentlich, wenn er doch aus, wären sie denn wahr: verständlichen Gründen nur einen Aufschub des Artikels wollte) zugänglich zu machen.
Transparenz a la Wulff... Da hat er viel dahergeredet und das Volk schlicht und ergreifend belogen.
Dieser Mann taugt nicht als Bundespräsident. Er hat sich menschlich und politisch selbst ruiniert und das höchste Amt beschädigt. Er hat die Politik- und Politikerverdrossenheit befördert und der Demokratie keinen Dienst erwiesen. Eine Staatskrise wäre sein Rücktritt wahrlich nicht, es wäre freilich eine, bliebe dieser bereits als Witzfigur gebranntmarkte Präsident weiter im Amt. So einen hatten wir Gott sei Dank noch nie...
ULRICH JUNG
Gaddafi - auch ein Mensch
Gaddafi ist tot.
Ein Diktator weniger, einer, von dem man in den letzten Jahren annehmen musste, dass er nicht alle beisammen hatte. Ein Herrscher in lustiger Theateruniform, ein unglaublicher Schwätzer, ein Mörder, ein Terrorist. (Nebenbei: Deutsche Politiker waren freudig dabei, als der Irre sie in seine Zelte einlud).
Gewaltsam ums Leben Gebrachte, Gefolterte säumen seinen Weg um die und in der Macht. Ein für die zivilisierte Welt unmöglicher Mensch. Und dennoch ein Staatenlenker, einer der Erdöl verkaufte, der trotz Terror weltweite Geschäfte machte – auch mit uns! Dem sich auch die deutsche Politik andiente.
Nun ist er tot. Erschossen wahrscheinlich von den Aufständischen im Libyen.
Gut so! Endlich, dass dieser Mörder weg ist...?
Zuerst einmal muss man das begrüßen. Vielleicht entwickelt sich ja jetzt in Libyen so etwas wie Demokratie, nachdem der Irre von der Bildfläche verschwunden ist. Nur: Was die Fernsehanstalten, auch die deutschen, und Zeitungen (vor allem die „Bild“) aus dem endgültigen Niedergang Gaddafis, also seinem Tod, gemacht haben, widerspricht so ziemlich allen menschlichen Regeln. Die Fotos des Toten, die Videofilmchen - all das, was uns kurz nach seinem „Abschuss“ via TV präsentiert wurde, verstößt gegen jedes menschliche Empfinden.
Ein brutaler Täter: Ja. Aber: Auch ein Mensch.
Wie hieß es in einem Pressebericht: „Die halbnackte Leiche Gaddafis mit Einschusswunde am Kopf wurde am Freitag in einem Kühlraum eines Supermarktes in der Stadt Misrata zur Schau gestellt. Es bildeten sich lange Schlangen von Menschen, die den Leichnam sehen wollten. Etliche Menschen fotografierten den Körper mit ihren Mobiltelefonen.“
Schlimm! Zur Schau gestellt. Ein toter Mensch wird zur Schau gestellt. Wie schon tags zuvor in Zeitungen: Ein Blut überströmter, von Kopfschüssen getöteter Gaddafi als Aufmacherfoto.
Da plädieren z.B. Journalisten für Menschlichkeit und Rücksicht in allen Lebenslagen. Auch Verbrechern gegenüber. Aber wenn es Fotos und Videos gibt von der Hinrichtung eines Diktators, dann überschlagen sie sich.
Der gewaltsame Tod eines Menschen darf grundsätzlich nicht bejubelt und schon gar nicht zur Schau gestellt werden. ULRICH JUNG
Opa-Rüpel Geißler spricht
Ach ja, Heiner Geißler, ehemals CDU-Generalsekretär, der im Alter (81) seinen Hang zur Revolution erkannt hat, würde auch auf die Straße gehen gegen die bösen Banker. Wie sie das neuerdings in Amerika tun. Motto: Besetzt die Wall Street. Gut so – oder auch nicht.
Der olle Geißler glaubt zwar, dass es hierzulande so schnell nicht zu derart heftigen Protesten wie in den USA kommen werde. Weil: "In Deutschland funktioniert der Sozialstaat ja noch in Teilen“, sagt er. „Aber wenn die jungen Leute keine Perspektiven bekommen, kann das auch hier negative Folgen haben“.
Geißler hat auf den ersten Blick natürlich recht.
Er hätte aber auch sagen müssen, dass im Bundeshaushalt gut zwei Drittel aufgewendet werden für Sozialleistungen und Zinsen für Schulden; Schulden, die wiederum gemacht werden, um die Sozialleistungen zu finanzieren. Und: In den USA gibt es kein Sozialsystem wie bei uns. Auf der ganzen Welt nicht. Sie schauen alle neidisch zu uns rüber (oder kommen gleich).
Wir Deutsche müssen endlich begreifen, dass Vollkaskoversicherung für alle Lebenslagen bezahlt werden muss – und zwar von allen. Dabei spielen die gescholtenen Banken eine unendlich große Rolle, und zwar nicht nur eine negative!
Und wir müssen, da hat Geißler auch recht, jungen Menschen Perspektiven geben für ihr zukünftiges Leben, und nicht herumdoktern an Schulsystemen, Bildungssystemen, die außer ein ständiges Herabstufen von Leistungen, damit jeder „mitgenommen“ werden kann, nichts z.B. für den drohenden Facharbeitermangel bringen.
Geißler als Opa-Rüpel ist ja recht lustig. Aber statt Demonstrierer gegen den Kapitalismus hier in Deutschland aufzuhetzen, sollte er besser das soziale Netz loben, das hierzulande letztlich jeden auffängt, wenn’s Not tut. Das gibt es in den Staaten nämlich nicht.
Hoffentlich hält unseres noch lange ... ULRICH JUNG
Verheerender Eindruck
Mag ja sein, dass sich die CDU-Granden Pofalla und Bosbach in einem Telefongespräch auf "Verzeihen" geeinigt haben - wie es in den Medien berichtet wird. Glauben muss man das freilich nicht. Immerhin sind Sätze im Gossendeutsch gefallen, die sich nicht gehören; die, so muss man es werten, die Demokratie beschädigen. Gradlinigkeit, eigene Meinung - das scheint in der CDU nichts zu zählen. Und das gilt wohl nicht nur in Sachen Euro-Rettungsschirm. Das ist zumindest der Eindruck, der nach außen "verkauft" wird. Die CDUler haben gefälligst zu spurten, wie es "Mutti", die Kanzlerin will. Ansonsten ist man ein A....loch. Und das wird dann auch noch öffentlich ausgesprochen.
Der Eindruck, den die CDU an der Basis und in der Öffentlichkeit hinterlässt, ist verheerend. Gegenrede nicht erwünscht, wer es dennoch wagt, wird gnadenlos, hemmungslos 'runtergemacht - das ist lupenreine DDR.
Dass die Nummer mit dem nochmals aufgeplusterten EU-Rettungsschirm nicht gut geht, weiß nicht nur der vorausblickende Bosbach. Man hat allerdings den Eindruck, dass die meisten Parlamentarier bei der Abstimmung völlig überfordert waren und dafür eben das Händchen hochhielten, das ihnen die Obersten abverlangt hatten.
Deutschland und die Demokratie - da ist seit Amtsantritt Merkel einiges in Rutschen geraten. Man könnte zusammenfassen: Nicht nur die CDU, auch Deutschland wird ruiniert.
Aber wenn man das sagt, ist das laut Pofalla zumindest "Sch...e.
Was die Entscheidung "Rettungsschirm" uns Normalbürger bringt, werden wir sehr bald wissen. Man muss kein Prophet sein, um vorauszusagen, dass es uns alle empfindlich trifft; laut der dümmlichen Flosklel: Ohne Euro kein Europa, die uns um die Ohren gehauen wird. Was natürlich völliger Unsinn ist. England z.B. hat auch keinen Euro wie 17 andere EU-Länder auch nicht.
Die CDU muss aufpassen, dass sie nicht auch im Fall Euro die Basis verliert. Die Kanzlerin hat es bis heute nicht geschafft, ihre EU-Politik und die Milliarden-Gaben schlüssig zu erklären. Das deutet auf Hilflosigkeit hin.
Fairerweise muss man sagen, dieses Urteil trifft nicht nur Angela Merkel. Es trifft die gesamte EU-Politik.
Ulrich Jung
Im Namen des Volkes?
3000 Euro Schmerzensgeld für einen Kindermörder!
Im Namen des Volkes!
Was sind das für Richter, die einem abscheulichen Verbrecher, der einen Jungen grausam getötet hatte, Schmerzensgeld zugestehen - weil ein Polizist verzweifelt versuchte, mit Schmerzandrohungen für den geständigen Täter das Leben des Kindes zu retten?
Der Täter ist das Opfer - im Namen des Volkes.
Rechtsstaat hin und her. Es wird aber kein normal denkender Bürger in diesem Rechtsstaat verstehen, was da vor sich geht. Jahrelang schon verklagt der Mörder durch alle Instanzen die Polizei, weil er, der arme Killer, bedroht wurde.
Ein Killer hält den Rechtsstaat auf Trap - seit Jahren. Und wir gucken zu, wie ein Mörder sich auf die Schenkel klopft, weil er es diesem Staat einmal zeigt...
Die Eltern des ermordeten Jungen müssen an so einem Staat verzweifeln; wohl nicht nur die Eltern.
Man kann froh sein, als Opfer nie in die Fänge dieses sog. Rechtsstaates zu gelangen.
Gräfgen grinst vor sich hin, jeder Normalbürger schüttelt den Kopf, und die Herren Richter waschen ihre Hände in Unschuld. ULRICH JUNG
Wir sind kleine Würstchen
Nach der Katastrophe in Japan
Der Tsunami in Japan - war das die Sintflut unserer Zeit?
Die Explosion(en) in den Kernkraftwerken - ist das die Apokalypse, wie sie vielfach beschrieben ist; der Anfang vom Ende?
Panik zu verbreiten hilft niemandem. Informationen zurückhalten, wie das derzeit in Japan passiert, genau so wenig.
Fest steht aber nach diesem Naturereignis, das gepaart ist mit menschlichem Versagen: Wir Menschen sind kleine Würstchen, ein Nichts im großen Ganzen, auch wenn wir uns oft als die Größten im Ganzen fühlen. Die Natur hat uns auf die Ebene zurückgestuft, von der wir abgehoben waren. Darüber nachzudenken täte auch der hiesigen Politik gut. Das Geschwafel der letzten 24 Stunden war z.T. unerträglich wie die Großmannssucht, die munter verbreitet wurde.
Nachdenklichkeit? Fehl am Platze. Es sind ja Wahlen en masse in diesem Jahr.
Und da haben die einen einen Joker in der Hand nach den Bildern aus Japan. Und die anderen gucken verdutzt in die Röhre, anstatt Signale zu senden, dass es höchste Zeit wird, nicht die Kernkraft zu unterstützen, sondern die Forschung, damit wir aus der Zwickmühle wieder herauskommen.
Aus Tschernobil haben wir offenbar wenig bis gar nichts gelernt. Und aus Japan? Aus dem Dilemma, aus der Katastrophe, die ein hochtechnologisiertes, ein in der Globalisierung der Industriewelt verhaftetes Land in den Abgrund stürzt?
Solange die Strahlung uns nicht erreicht, wird das so ablaufen wie vor 25 Jahren, als Tschernobil den ersten GAU in die Welt brachte: Ein paar Tage, einige Wochen große Aufregung, und dann ging man zur Tagesordnung über.
Eine Voraussage sei hier gestattet: Dieses Florians-Prinzip wird nach der Katastrophe in Japan nicht funktionieren. Diesmal haben nicht nur die Strahlen Auswirkung auf das (Wirtschafts-)Geschehen der Welt. ULRICH JUNG
Katze aus dem Sack
Die Katze ist aus dem Sack. Und nun ist es an Peinlichkeit kaum noch zu überbieten, wie Die Linke sie wieder einfangen will.
„Die Wege zum Kommunismus können wir nur finden, wenn wir uns auf den Weg machen und sie ausprobieren, ob in der Opposition oder in der Regierung“.
So schrieb Linksparteichefin Gesine Lötzsch unlängst in einem Zeitungsbeitrag.
Man muss ihr richtig dankbar sein für diese Klarheit, weiß doch jetzt jeder, woran er mit der SED-Erbengemeinschaft ist.
Dass Lötzsch und Genossen jetzt eine „üble Diffamierungskampagne“ entdecken und sich ungerechterweise einem Kommunismus-Vorwurf ausgesetzt fühlen, ist an Dreistigkeit kaum noch zu überbieten. Erst quasi den Weg weisen Richtung Kommunismus, und dann diejenigen politischen Gegner angreifen, die sie deshalb attackieren. Das ist so als wenn man einem auf die Nase haut bis er lacht und dann weitermacht, weil er lacht...
Wie lange freilich die Aussage des SPD-Chefs Gabriel hält, dass er nach diesen Lötzsch-Bekenntnissen erst recht keine Koalition mit den Linken wolle, werden wir dann ja sehen. In diesem Jahr gibt es Wahlen en masse, nach denen auch in dieser Frage mehr Klarheit herrschen dürfte. ULRICH JUNG
Gift auf dem Tisch
Dioxin im Futterfett. Die Republik hat einen neuen Lebensmittelskandal. Bald 5000 Betriebe sind mittlerweile betroffen. Das Zeugs ist nicht nur im Ei, auch in Hühnern, Schweinen und Rindern. Bereits seit Monaten, wie man jetzt hörte. Verbrecher bringen uns Gift auf den Tisch, der Mensch wird zum billigen Zwischenlager für krebserregenden Sondermüll. Die Politik erregt sich, wie immer, fordert schärfere Gesetze, wie immer, und schärfere Kontrollen, wie immer – bis zum nächsten Mal...
Zugleich wird’s aus öffentlichen Kassen bezahlte Personal gekürzt, das möglicherweise die Machenschaften der skrupellosen Gangster frühzeitig hätte aufdecken können. Wie gesagt: alles wie immer.
Aber sind wir mal ehrlich. Haben wir nicht alle mit dazu beigetragen, dass Dioxin und andere ungesunde Stoffe den Weg auf den Teller finden? Wer im Supermarkt gedankenlos hinlangt, wo etwa beim Fleisch „Sonderangebot“ draufsteht, wer nicht merken will, dass Produkte einen Preis haben, zu dem sie nicht annähernd produziert werden können (unter sauberen Bedingungen), der provoziert doch geradezu die Giftmischer. Immer billiger, immer mehr – das Volk bekommt, was es will. Zu welchem Preis, das steht nicht unbedingt auf dem Kassenbon, sondern eher und immer wieder in den Analysen der Laboratorien.. ULRICH JUNG
JAHRESRÜCKBLICK AUF 2010
Heerscharen von Weissagern hatten auch für 2010 komplett daneben gelegen. Nicht unbedingt überraschend, oder? Nur der schon etwas altersschwache Krake Paul orakelte für die Fußballwelt fehlerlos. Das Tierchen ist inzwischen verstorben, hat aber bei Fans immer noch Promistatus. Tiere die besseren Menschen, sorry: Weissager?
Und man erinnert sich auch an die WM-Bilder mit der Kanzlerin, die es sogar bis in die Spielerkabine schaffte – und, wie es sich in der Polit-Liga gehört, wirksam mit den Stars abbilden ließ. Was so manchen Funktionär aufregte.
Richtig spannend wurde es im vergangenen Jahr aber bei Themen, die Ende 2009 weder bei Weissagern noch in der Medienwelt auf der Tagesordnung standen. Ein paar schlagzeilenträchtige und vor allem nachhaltig wirksame sollen hier noch einmal kurz beleuchtet werden:
Unser Bundespräsident trat überraschend zurück. Die wahren Gründe sind bis heute weitgehend unbekannt. Aber Spekulationen, er sei die ständigen Demütigungen aus der Politik und Teilen der Medien schlichtweg leid gewesen, sind wohl kaum von der Hand zu weisen und kommen der Wahrheit sicher sehr nahe. Horst Köhler hatte auf gut Deutsch die Nase voll und es auch nicht nötig, weiter den Watschenmann zu geben. Das kann man verantwortungslos nennen, wie es nach seinem spektakulären Schritt durch die Republik hallte. Schließlich hatte man so etwas noch nicht erlebt. Der Bundespräsident tritt ohne Vorwarnung zurück, igitt igitt... Man kann freilich auch urteilen, dass Köhler im Gegensatz zu manchen Politikern Größe zeigte und Charakter. Was ihn, unterm Strich, nicht zu einem großen Bundespräsidenten machte, aber zu einem sympathischen.
Der zweite „Knaller“ des Jahres war zweifellos das Sarrazin-Buch „Deutschland schafft sich ab; wie wir unser Land aufs Spiel setzen“. Ein Polit-Bestseller, ja „-thriller“ wie es selten einen gab. Den Autor kostete es seinen Job als Bundesbankvorstand, demnächst vielleicht auch seine Mitgliedschaft in der SPD. Der Politik brachte es auf breiter Ebene einmal mehr um ihre eh ramponierte Glaubwürdigkeit. Der heuchlerische Aufschrei insbesondere von Leuten, die das Buch nicht gelesen hatten – an erster Stelle Bundespräsident und Bundeskanzlerin – sucht seines gleichen. Thilo Sarrazin hat nichts anderes getan, als eines der drängendsten Probleme unseres Landes zu analysieren und der Politik den Spiegel des Versagens vorzuhalten. Die anschließende Debatte, die Deutschland Monate lang überrollte, zeigte glasklar, dass Sarrazin voll auf die Zwölf getroffen hatte. Leider läuft das Ganze derzeit so ab, wie es hierzulande immer abläuft, wenn es einer wagt, gegen den Strom zu schwimmen oder gar die Gebote und Tabus der politischen Korrektheit ignoriert: verächtlich machen, politisch und gesellschaftlich vernichten, komplett den Ruf ruinieren und den Job wegnehmen. Und wenn man merkt, dass „das Volk“ so ganz und gar der Meinung des Ausgestoßenen ist, wird herumgeeiert, plötzlich mit den selben Argumenten (in dem Fall: wie Sarrazin) das Versagen der Integrationspolitik vorsichtig zugegeben – ohne allerdings den Urheber der Gedanken zu nennen oder ihn gar ins positive Licht zu rücken -, um am Ende so weiter zu machen wie bisher: nämlich nichts tun; genau also das, was Sarrazin den Schaufensterpolitikern vorwirft. Mal sehen, wie die neuerdings „Wutbürger“ Genannten das demnächst an den Wahlurnen bewerten.
Apropos „Wutbürger“. Die stellten sich in Stuttgart auf die medienwirksame Chaoten-Bühne – und mit ihnen vor allem die Grünen, die „Dagegen-Partei“, die sich, einen Ministerpräsidentenposten vor Augen, drehen und wenden, dass man nur noch den Kopf schütteln kann. 15 Jahre lang wurde das Großprojekt „Stuttgart 21“ geplant, im Parlament beschlossen, durch die Gerichtsinstanzen gebracht; so etwas ist eine demokratische Abfolge, so dachte man bislang, die Demokraten zu akzeptieren haben. Aber in Stuttgart stand plötzlich eine Minderheit auf und probte den Aufstand. Fernsehen und Presse in der ersten Reihe. „Wir sind das Volk“. Soll das die Zukunft sein? Wozu dann noch Parlamente, wenn „das Volk“ nur lautstark auf die Straße stürmt? Und entscheiden tun am Ende dann die Heiner Geißlers der Nation, die selbsternannten Retter der Demokratie? Wenn Volksentscheide vereinfacht und schneller durchgesetzt werden sollen, wer denn legt die Themen fest? Gegen oder für was „darf“ denn dann das Volk abstimmen? Haushalt, Ausländer inklusive? Die Reaktion der Polizei bei der Großdemo am Bahnhof war natürlich völlig überflüssig und gehört aufgeklärt. Die Übergriffe haben der Demokratie ebenso geschadet wie das Gebaren mancher Politiker. Schlichtung inbegriffen.
Der Euro war (und ist) d a s Wirtschaftsthema des Jahrgangs 2010. Alle diejenigen, die vor rd. 10 Jahren gemeint hatten, für Euroland sei zuerst eine politische Einigung, ganz besonders eine wirtschaftspolitische zu schaffen und dann erst die Gemeinschaftswährung einzuführen, scheinen inzwischen Recht zu bekommen. Die Deutschen verstehen in Mehrheit nicht, dass wir für das Versagen, ja sogar die Betrügereien von EU-Staaten zahlen sollen, während dort munter weiter missgewirtschaftet und gegen Sparprogramme heftigst demonstriert wird. Das Argument, uns gehe es doch mit dem Euro viel besser als mit der D-Mark klingt für die meisten Bürger so lächerlich wie manche Beschwichtigung, die uns seit Monaten um die Ohren gehauen wird. Nehmen wir doch nur einmal die Preise: Eine normale Pizza kostet heute rd. 6 Euro; vor der Einheitswährung 6 DM. Eine Bier (0,4 Liter) kostet heute meist 2,50 Euro; damals 2,50 DM. Oder ein Auto, untere Mittelklasse, heute rd. 20 000 Euro; damals 20 000 DM. Bei Obst und Gemüse mehr oder weniger das Gleiche. Es war „unsere D-Mark“. „Unser Euro“ ist es nie geworden. Und wenn in der Europäischen Union weiterhin jeder Staat seine Wirtschaftspolitik so macht, wie er es immer gemacht hat, dann wird der Euro über kurz oder lang weder „unser“ Euro sein noch überhaupt eine starke Währung.
Kriege, Umweltkatastrophen, sexueller Missbrauch von Kindern, gebrochene Wahlversprechen, Partei- und Koalitionsquerelen, Nobelpreise, Promi-Dummklatsch und Blöd-Tratsch, Flachfernsehen und so weiter und so fort - da war 2010 eigentlich wie immer. Ein paar Tage Schlagzeilen und Scheinwerfer, dann war’s meist vorbei mit der Nachhaltigkeit. Oder, wie man ja auch sagt: Dann wird ja Gott sei Dank eine neue Sau durchs Dorf gejagt und „das Volk“ hat seine Spaß. So wie immer, alle Jahre wieder. Inzwischen elektronisch massenhaft und superschnell bis in die letzte Stube hineingetragen.
Mal sehen, wie lange Lena sich noch hält, unser Trällermädchen, das mit naiv-breitem Grinsen und wenig Stimme immerhin den Eurovision Song Contest in Oslo gewann. „Unsere“ Lena gehörte wie „unsere“ Fußballhelden immerhin zu den beliebtesten Deutschen in Deutschland. Beim Fußball und Schlagersingen dürfen wir Patrioten sein... Und beim Autorennen. Unser Vettel, wir sind Weltmeister.
In diesem Sinne ein gutes, glückliches, erfolgreiches und vor allem gesundes Neues Jahr! ULRICH JUNG
Aus dem Archiv: Der 3. Oktober 1990
In der Offenbach-Post erschien damals dieser Leitartikel:
Es ist endlich, endlich soweit; ein Traum wurde wahr.
Nicht einmal zwölf Monate nach der unblutigen Revolution hinter Stacheldraht und Schandmauer ist Deutschland wieder eins. Der Spitzelsstaat, der, den Begriff Demokratie zynisch im Namen führend, vier Jahrzehnte lang seine Bürger schikanierte und drangsalierte, der mit seinem Gespenst vom real existierenden Sozialismus millionenfach Lebensglück und Menschen zerstörte, Wirschaft und Natur in Grund und Boden ruinierte, hat aufgegehört zu existieren.
Man möchte lauthals Gott danken und den bekannten wie unbekannten Persönlichkeiten, die dies ermöglichten: Einheit in Freiheit, das Ende von Angst und Schrecken für unsere Landsleute. Wer hätte vor einem Jahr nur oder überhaupt noch daran zu denken gewagt?
Es ist, als ob seit den denk- würdigen Novembertagen 1989 ein Ruck durch die Welt gegangen wäre. Kommunis mus und Sozialismus (auch wenn ihm manche heute - wie denn wohl? ein menschliches Antlitz verpassen wollen) verschwinden nach und nach auf dem Müllhaufen der Geschichte. Wahr gelebte Demokratie statt Marx und Murks, das Volk hat entschieden, und viele Völker auf der Welt werden sich noch so entscheiden. Der Prozeß des Wandels ist programmiert, nicht zuletzt, vielleicht sogar vor allem durch den friedlchen Aufstand der DDR-Bürger im vorigen Herbst.
Gorbatschow, zum Beisspiel, hat schneller begriffen als andere, auch hier bei uns im Westen: Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben. Ohne ihn, ohne seinen, wie die FAZ formulierte, „Eingriff in das Rad der Geschichte" wäre es anders gekommen; höchstwahrschein- lieh, zumindest, wäre die Be- freiung vom Terror des Stasi- und SED-Regimes nicht so friedlich über die Bühne gegangen.
Mit dem 3. Oktober 1990 ist die Vereinigung natürlich nur auf dem Papier vollzogen. Jetzt muß erst noch zusammenwachsen, was zusammengehört, jetzt müssen wir uns aneinander gewöhnen, uns akzeptieren und lernen, daß 40 Jahre Teilung in zwei völlig unterschiedliche Gesellschaftsstrukturen mehr bewirkt haben als allein Nachholwünsche für Autos, Fernseher oder Videorekorder.
Unsere Landsleute wurden nicht nur von den hierzulande selbstverständlichen Wohlstandströgen ferngehalten, das unmenschliche System hat den meisten auch Geist und Seele eingesperrt, sie zutiefst mißtrauisch gemacht, zu gedeckelten Menschen voller Komplexe.
Wer sich in den letzten Monaten. „drüben" umsah, wird das mehr als deutlich gespürt und dann auch verstanden haben, was 40 Jahre Sozialismus zurückließen.
Aber auch vor allem natürlich neugieriger Lebensmut, optimistischer Tatendrang und ein befreites Durchatmen prägen unsere neuen Mitbürger. Gute, ja beste Voraussetzungen, das Trauma DDR hoffentlich so bald wie möglich zu überwinden und Eigenschaften mithin, die manchem Satten hier ganz gut zu Gesicht stünden.
Wer eine neue Epoche mit sturer Kleinkariertheit beginnt oder mit Pseudointellektuellem Gehabe (aus lauter Trauer darüber, daß Honecker & Co. nicht mehr an den Schalthebeln der mißbrauchten Macht wirken), der wird auch eingeholt und irgendwann einmal vom Leben bestraft werden.
Nicht das Schüren von Neid und Haß und das eifrige Pflegen einer bei uns oftmals zelebrierten Weinerlichkeit sind das Gebot der Stunde, sondern Ärmel aufkrempeln und mitanpacken, damit das uns von der geschichtlichen Entwicklung vor die gemeinsame Tür gelegte Aufgabenpaket zum Wohl aller bewältigt werden kann.
Mit dem 3. Oktober verschwindet aber nicht nur das kommunistische Deutschland von der Bildfläche, sondern auch jenes Westdeutschland, das seit dem Zweiten Weltkrieg unter die Fittiche der Siegermächte genommen wurde, also das provisorische Deutschland. Den einen oder anderen Nachbarn mag das erschrecken.
Wenn in Frankreich beispiels- weise auf Befragung 48 Prozent 5 spontan Hitler als Persönlichkeit | einfällt, denken sie an Deutschland (nur 25 Prozent nannten Kohl), dann ist das bezeichnend. Aber es ist auch ein Hinweis dafür, daß von hier aus noch sehr viel zu tun übriggeblieben ist, um das Bild von uns geradezurücken und auch die letzten Ängste abzubauen. Das Vorgehen der Bundesregierung, ganz vorne wäre in diesem Zusammenhang Außenminister Genscher zu nennen, hat in dieser Richtung gerade in den letzten Monaten sehr viel Vertrauensarbeit geleistet und quasi das I-Tüpfelchen auf die deutsch-deutsche und die Ost-Politik der Bundesregierungen zuvor gesetzt. |
Dieser 3. Oktober ist wieder ein historisches Datum, eins von so vielen, wie sie uns der Wandel jüngst bescherte. An uns allen letztendlich liegt es jetzt, was aus der Vereinigung Deutschlands eines Tages einmal wird. Viele Vorzeichen vor allem die Wirtschafts-Daten stehen positiv da und hoffnunggebend wie selten; negative Auswirkungen, ganz besonders in den neuen Ländem, werden sich umkehren. Nicht von heute auf morgen; was 40 Jahre lang von den Kommandounternehmen Ulbrichts und Honeckers zusammengehauen wurde, kann nicht in ein paar Wochen oder Monaten auf Vorder mann gebracht werden. Das wird schon ein paar Opfer kosten. Und die existenziellen Sorgen vieler Mitbürger in den fünf neuen Ländern können und sollen nicht vom Tisch gelogen werden. Aber wir sollten uns nicht von denen verrückt machen lassen, die zwei deutsche Staaten lieber gesehen hätten und die jetzt durch die Lande ziehen und Unfrieden säen. Niemand braucht Angst zu haben, demnächst wegen der Einheit darben zu müssen.
Ein bißchen mehr guten Willen und Bereitschaft von uns, die wir nach dem Zweiten Weltkrieg auf der Wirtschaftswunder-Seite Deutschtands leben durften, würde den Aufbauprozeß enorm beschleunigen. Es funktioniert nur mit allen gemeinsam, das neue, das endlich vereinigte Deutschland. ULRICH JUNG
Blödfernsehen
Was könnte einen Täter überführen?
A: Fingerabdruck
B: Fingerfood
Oder:
Was gilt als Brandbeschleuniger?
A: Benzin
B: Sand
Oder, noch besser:
Was trägt man im Sommer?
A: Badeanzug
B: Schneeanzug
Und dann ein weiterer Höhepunkt für den geneigten Ratefuchs:
Wozu braucht man ein Skalpell?
A: Zum Operieren
B: Zum Betonieren
Schön einfache Quizfragen für Otto und Ottilie Normal-Fernseh-Gucker, damit auch mal ein Simpel an Auto oder viel Geld kommt? Oder Volksverdummung, höflich formuliert?
Sagen wir ruhig, damit’s auch der Simpel versteht: Volksverarschung ist das.
Fernsehsender unterbrechen gerne Sendungen, um Zuschauern Fragen wie oben zu stellen, auf dass sie bitteschön anrufen und, bei richtiger Antwort, einen tollen Preis gewinnen.
Für wie blöd halten uns diese Anstalten eigentlich?
Hier geht es doch nur um Abzocke; denn niemand glaube, dass die Telefongebühren allein etwa bei der Telekom landen. Die Fernsehmacher sahnen ebenfalls ab, und das nicht zu knapp. Von jeder Telefoneinheit ein Batzen. Und wenn man dann noch seine Adresse preisgeben darf – wie praktisch; natürlich nicht für den Anrufer...
Gewinner? Außer den Abzockern ist nie einer bekannt geworden.
Aber selbst wenn es je einen geben sollte, es bleibt dabei: Blödfernsehen hat Konjunktur. Auf allen Kanälen. Und das nicht nur bei Quizfragen der grausam dämlichen Art.
ULRICH JUNG
Finger im Wind, Herr Gabriel?
Ach, Herr Gabriel! Wieder mal die Nummer mit dem Fähnchen im Wind? Motto: Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern, mit dem ich doch die Massen meinte, beeindrucken zu können.
Vor wenigen Tagen noch nahm der SPD-Chef den Mund reichlich voll, als er zum einen seinen Parteifreund Sarrazin wegen dessen umstrittenen Buches großmäulig nieder machte und einen Parteiausschluss auf den Weg brachte; dabei aber lautstark verkündete: selbstverständlich ist Meinungsfreiheit auch in der SPD erlaubt (was ebenfalls seine Mitkritikerin Angela Merkel, Bundeskanzlerin, immer wieder verlautbarte).
Und nun die Wende, eine geradezu typische Gabriel-Rolle-Rückwärts – nach der Erkenntnis, dass das Volk anders denkt, dass seine Vorverurteilung nicht mehr mehrheitsfähig ist; selbst in eigenen Reihen nicht.
Seine Forderungen nach einer härteren Gangart gegen integrationsunwillige Ausländer und das ganze Drumherum zum Thema „Verfehlte Integrationspolitik“ gleichen in großem Maß den meisten Thesen des von ihm und anderen ins „Aus“ der Gesellschaft Katapultierten..
Soll man nun den Kopf schütteln? Soll man die Sache abtun mit einem: Typisch Politiker? Oder das alles einfach gar nicht mehr zur Kenntnis nehmen?
So einfach ist das von Sarrazin angestoßene und offensichtlich von seinen Gegnern vielleicht endlich ernst genommene Thema nicht von der Tagesordnung zu fegen (schon gar nicht unter den Teppich).
Gabriels und die anderer Politiker/innen in den vergangenen Tagen publizierten Äußerungen zeigen deutlich: Die politische Elite ist aufgeschreckt (die mediale wartet in großen Teilen erstaunt ab); sie haben begriffen, dass sie am Volk vorbei gehandelt haben, sie beginnen zu ahnen, dass Schönfärberei und Gesundbeten einer kranken, dennoch buntgefärbten Multikulti-Gesellschaft nicht funktionieren – weil die Realität schlicht anders aussieht als das fröhlich auf „Volksfesten“ Prophezeite, als das so innig Gewünschte. Und daran haben, auch die Erkenntnis wagen heute Leute zu artikulieren, die lieber bislang das Gegenteil „verkauften“, natürlich die Migranten eine Mitschuld.
Dass aber ausgerechnet Gabriel, der sich reflexartig gleich an die Spitze der Sarrazin-Gegner vorgewälzt hatte, jetzt plötzlich hingeht, und sich als den Wahrer einer wirklichen Integrationspolitik aufspielt, als einer, der um sie umzusetzen scharf durchgreifen will - das ist schon ungeheuerlich. Vor allem deshalb, weil zuvor so getan wurde, als sei die Integrationspolitik im großen und ganzen trotz ungeheurer Kosten schon in Ordnung; was ja schon immer nicht stimmte.
So entlarvt man sich und seine Politik: nämlich als Schaufensterpolitik, die nur dazu dient, Stimmen einzufangen, mal von der, mal von der anderen Seite.
Gabriel ist kein Parteiführer. Er ist ein heuchlerischer Schlawiner, ein „Enkel“, den „Onkel“ Willy Brand niemals ernst genommen, den er niemals in die höheren Gefilde der SPD-Politik berufen hätte.
Fragen wir also: Wo ist das nächste Fähnchen, Herr Gabriel? Sie haben doch mit Sicherheit schon den Finger im Wind. Der nächste Windstoß kommt ja auch bestimmt...
ULRICH JUNG
Stromline behindert Demokratie
Geschafft – dürften jetzt diejenigen jubilieren, die Thilo Sarrazin weghaben wollten; von der Kanzlerin über alle Parteien, diverse Verbände und Zentralräte bis hin – und das ist neu – zum Bundespräsidenten, der, wie Frau Merkel, mehr oder weniger deutlich die Bundesbank aufgefordert hatte, zu handeln. Letzterer wird aufatmen, weil ihm durch den Rückzug Sarrazins eine Entscheidung erspart blieb, die ihn, so oder so, zwischen alle Stühle platziert hätte. Er, der auch schon im Fall des Duisburger Oberbürgermeisters vorschnell ein Urteil hinausposaunte, wird sich das nächste Mal überlegen, ob er nicht besser schweigen sollte. Hoffentlich.
Thilo Sarrazin hat aufgegeben, weil er dem Druck „aller Parteien und 70 Prozent der veröffentlichten Meinung“ nicht mehr standhalten mochte. Das verdient zum einen Respekt und Verständnis, zum anderen muss es aber jeden tief nachdenklich, ja besorgt stimmen, der die Meinungsfreiheit, die wichtigste Säule in einer Demokratie, wirklich ernst nimmt.
Wie die selbsternannte Elite und ihre medialen Helfershelfer geradezu hemmungslos einen vom politischen Mainstream Abgewichenen in aller Öffentlichkeit niedermachten und ihn der gesellschaftlichen Ächtung empfahlen, das schockiert, zumal in einem Land, das sich gerne als beispielgebenden Rechtsstaat in aller Welt feiern lässt.
Die FAZ stellt in ihrem Leitartikel die Fragen: „Was darf man in dieser Republik sagen und schreiben, ohne die mitunter bis zur Existenzgefährdung reichende Menschenverachtung zu erfahren, die Sarrazins Kritiker nur bei ihm erkennen können? Und wer bestimmt die Grenzen des Meinungskorridors?“
Die Antworten haben wir jetzt – einmal mehr und klar wie selten.
Wenn persönliche Angriffe und Diffamierung statt Argumente und Auseinandersetzung mit der Realität hierzulande bis in oberste politische Etagen Schule machen, dann gute Nacht. Meinungsfreiheit sieht anders aus.
Stromlinie behindert Demokratie, vernichtet sie am Ende.
Politik -, Politiker-, Demokratieverdrossenheit - Deutschland befindet sich in der letzten Steigerungsstufe. ULRICH JUNG
Glückwunsch Thilo Sarrazin
Glückwunsch Thilo Sarrazin. Nicht nur zum Erfolg seines Buches „Deutschland schafft sich ab“, sondern vor allem dafür, dass er es fertig gebracht hat, das Thema Migration und Integration ganz nach oben auf die innenpolitische Tagesordnung zu katapultieren. Mögen auch manche seiner Thesen wie auch sein Stil umstritten sein, die reflexartigen Reaktionen der vermeintlichen Meinungs- und Politik-Elite der Republik zeigen, dass er in ein Wespennest gestoßen hat.
Jahrzehntelang wurde beschwichtigt, schöngeredet und Multikulti als so sehr wünschenswerte Folkloreveranstaltung hingestellt. Wer vor gar nicht allzu langer Zeit wagte, etwa öffentlich deutsche Sprachkenntnisse für Ausländer, die hier leben wollten, einzufordern, der wurde in die rechtsradikale Ecke gestellt und mundtot gemacht; der wurde der Ausländer-Diskriminierung geziehen..
Inzwischen sind Sprachkenntnisse zwar vom Tabukalender gestrichen. Aber am festgezurrten Mainstream zur Integrationsproblematik hat sich in den Etagen der Politik, diverser Verbände oder Medien nicht viel geändert. Bis Sarrazin die in den Augen der Gesundbeter Unverschämtheit besaß, sein Buch auf den Markt zu bringen und den Finger in die klaffende Wunde zu legen, die durch das Versagen der Integrationspolitik in die deutsche Gesellschaft geschlagen wurde. Darüber wollte man doch – immer die unrühmliche Vergangenheit vor Augen – hierzulande am liebsten den Mantel des Schweigens decken.
Plötzlich aber tun sie alle so, als sei das Thema keineswegs neu, als habe man immer schon die Problematik erkannt, und jetzt müsse man unbedingt auch tätig werden. Vorschläge dazu sind mittlerweile inflationär am Markt.
So was nennt man zuerst einmal Volksverdummung; denn die Fragen sind berechtigt: Wenn denn alles schon bekannt war, warum hat niemand gegengesteuert? Musste erst jemand kommen und in z.T. brutaler Offenheit sagen, was Sache ist? Wäre das nicht seit Jahrzehnten schon eigentlich vordringliche Aufgabe der Politik gewesen?
Sarrazin kann für sich in Anspruch nehmen, die Gesellschaft einerseits auf mögliche schwerwiegende Folgen einer Politik des Verschweigens hingewiesen und andererseits die Verantwortlichen im Staate mit Hilfe der öffentlichen Meinung endlich zum Handeln bewegt zu haben; wenn den jüngsten Worten schleunigst Taten folgen.
Die veröffentlichte Meinung dagegen hat ihm, bildlich gesprochen, den Hals gebrochen: politisch geächtet, die SPD will ihn aussortieren, die Bundesbank ihn mit Hilfe des Bundespräsidenten entsorgen, der sich von allen Parteien unter massiven Druck und zwischen alle Stühle hat setzen lassen, bewaffnete BKA-Beamte müssen derweil Sarrazin schützen, die ersten Morddrohungen stehen im Raum.
Berufsverbot, Maulkorb, ausgestoßen. Demokratie a la Deutschland?
Diejenigen, die sich auf Kosten der Allgemeinheit hier tummeln und absolut nicht die Absicht haben, sich zu integrieren oder sich zum Wohl des Landes, damit auch zu ihrem eigenen, einbringen wollen, dürften sich vor Freude auf die Schenkel klopfen.
Unsere so genannte Elite sollte demnächst sehr vorsichtig sein, wenn es mal wieder darum geht, entrüstet Länder an den Pranger zu stellen, in denen Meinungsfreiheit bestraft wird. ULRICH JUNG
Sommerloch und Profilneurotiker
Da sind sie wieder, die Politiker von der Hinterbank, die sich hemmungs- und gnadenlos ins mediale Sommerloch stürzen. Meist bringen sie dann mehr als fragliche Vorschläge in den ruhenden politischen Alltag ein. Und immer sagen sie uns, was wir gefälligst zu tun oder zu lassen haben.
Jetzt drängte sich der CDU-Abgeordnete Marco Wanderwitz (wer ist das denn?) in den Vordergrund. Er will die Moppel der Nation stärker zur Kassen bitten. Die Dicken würden das Solidarsystem schließlich fett belasten.
"Es muss die Frage erlaubt sein, ob die immensen Kosten, die zum Beispiel durch übermäßigen Esskonsum entstehen, dauerhaft aus dem solidarischen System beglichen werden können" sagt Wanderwitz, der wohl kaum am Hungertuch nagt oder nach den die Gesundheit fördernden bzw. nicht schädigenden Vorschgriften lebt.
Um das „Wer ist das denn?“ zu beantworten: Wanderwitz ist Chef der Jungen Gruppe in der Unionsbundestagsfraktion und Mitglied im Vorstand der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Er vertritt den Wahlkreis Chemnitzer Umland/Erzgebirgskreis II und ist in zahlreichen Ausschüssen des Bundestags vertreten - nur eben nicht im Gesundheitsausschuss.
Böse könnte man dichten: Wanderwitz – was du meinst, ist ein wandernder Witz, ein Sommerlochfüller, alle Jahre wieder wandert er durch die Gazetten; schlicht, ein ziemlicher Blödsinn.
Und weiter meint er: "Ich halte es für sinnvoll, dass bewusst ungesund lebende Menschen eine eigene Verantwortung auch in finanzieller Hinsicht tragen." Da bekommt er sogar Rückendeckung von einem (der vielen, immer auf Schlagzeilenden lauernden) Experten. Der Gesundheitsökonom Jürgen Wasem forderte in der Zeitung höhere Steuern für gesundheitsschädliche Konsumgüter. Als Beispiele nannte er Alkohol, Schokolade oder Risikosportgeräte wie Drachenflieger. Die Mehreinnahmen sollten teilweise ins Gesundheitssystem fließen.
Komisch, dass Rauchen nicht erwähnt ist als gesundheitsschädlich.
Also was ist Risikosport? Was ist Risikoessen und -trinken? Wie steht es mit der doch immer wieder eingeforderten Freiheit des Einzelnen?
Man kann sich auch beim Fahrradfahren verletzen, beim Treppesteigen, beim Tennisspielen, im Haushalt sowieso… Und so weiter und so fort.
Wenn’s ums Abkassieren geht, blüht bei unseren Politikern die Fantasie, ganz besonders, wenn die Sommersonne aufs Hirn scheint. Sind aber Einsparvorschläge gefordert, versagt meist die Kühnheit, die beim Abkassieren so herrlich aufblüht.
Die Politik, jedenfalls die Art, wie sie profilierungssüchtige Hinterbänkler meinen populistisch in die Öffentlichkeit blasen zu müssen, ist das Risiko. Sie macht politik(er)verdrossen. Nicht Schweinshaxen und ein Bier.
Bei den Wanderwitzen der Republik möchte man gerne zum Frustfraß und Schnaps greifen – bis zum Abwinken. ULRICH JUNG
Knallrot lenkt
Nachdem Frau Kraft zur neuen Ministerpräsidentin in Nordrhein-Westfalen gekrönt wurde, springt die Katze aus dem Sack: Gregor Gysi, der Linken-Führer, stellte umgehend Bedingungen für eine Tolerierung der NRW- Minderheitsregierung. Der Zeitschrift "Super Illu" sagte er, dies setze voraus, dass Rot-Grün "alle Gesetzesvorhaben" mit der Linken abspreche. "Wir müssten die Sicherheit bekommen, dass gegen unseren Willen im Landtag nichts Wesentliches mehr beschlossen wird". SPD und Grüne müssten "im Laufe des Herbstes auf uns zukommen, sich mit uns inhaltlich einigen, die nötigen Regularien und Gremien vereinbaren und dies dann schließlich auch öffentlich erklären".
Noch Fragen?
Die Linke will mitregieren. Da versteckt sie sich nicht einmal mehr hinter irgendwelcher Polit-Prosa und Trallala-Floskeln. Da geht es eiskalt zur Sache. Ohne die SED-Erbengemeinschaft soll nichts mehr laufen im größten Bundesland.
Spätestens jetzt müsste eigentlich jedem klar werden, dass NRW ein geschickt ausbaldowerter Probelauf ist für bundesweite Techtelmechtel; übrigens keineswegs gegen den Willen der SPD.
Ohne Linke geht der Kraft-Akt in NRW flugs in die Hose..
Frau Ministerpräsidentin ist einen Schritt weiter als ihre Parteifreundin, die Möchte-gern-Ministerpräsidentin Ypsilanti in Hessen. Beider Ziel war bzw ist dasselbe: Macht, Macht, Macht. Kraft fädelte das – mit Hilfe aus Berlin – geschickter ein als die hibbelige Ypsilanti, die sich am Ende so blöd anstellte, dass es selbst eigenen Leuten wehtat; und die die SPD in den Abgrund stürzte.
Beide hatten die schlechtesten Wahlergebnisse ihrer jeweiligen Landes-SPD eingefahren; beide fühlten sich dennoch als Sieger(innen). Das sagt viel aus über unser Parteiensystem.
Zum Beispiel, dass wir alle es noch nicht verinnerlicht haben, dass es nunmehr fünf Parteien gibt, die miteinander (besser: gegeneinander) arbeiten wollen oder müssen. Und dass die gewohnten Koalitionen keineswegs mehr von vornherein eine Chance haben, die Regierung zu stellen.
Minderheitsregierungen wie die jetzt in NRW müssen ja nicht von Grund auf schlecht oder auf Niedergang programmiert sein. Im Fall NRW ist allerdings bedenklich, dass die Regierung quasi von Leuten beeinflusst und mitgelenkt wird, die sich in linksextremen Gefilden tummeln und vom Verfassungsschutz beobachtet werden. Ausgerechnet die stellen der Minderheitsregierung die Leitplanken zum Regieren auf.
Da haben wir den Salat. Und es bleibt festzustellen, dass die Merkel-Nicht-Regierung nicht ganz unschuldig ist auch an dieser Entwicklung.
Dass ihr jetzt auch noch das Personal, die Mitkämpfer davonlaufen – oder wurden sie nicht doch von Merkel höchstselbst vertrieben? -, spricht eine deutliche Sprache.
Nun hat sie vielleicht Macht, wie kein Kanzler vor ihr, keine Konkurrenten. Nur nützen wird ihr und uns das am Ende nichts.
NRW ist, so oder so, ob es funktioniert oder ganz bald Neuwahlen kommen, ein Menetekel: Rot-rot-grün ist anvisiert – bundesweit. In Düsseldorf werden die Weichen dafür gestellt. Die Knallroten sind auf dem Vormarsch. Und die Wähler helfen mit… ULRICH JUNG
Zukunft a la NRW
Es geht auch in Nordrhein-Westfalen weiter wie gewohnt: Zuerst einmal wieder kräftig Schulden machen. Neun Milliarden zusätzliche Miese, das sind 500 Euro für jeden Bürger des Landes; vom Säugling bis zum Greis.
Haben denn nicht alle nach der Griechenlandkrise geschworen, dass jetzt endlich gespart werden müsse? Egal.
Und das nennt die neue Minderheitsregierung mutig Politikwechsel. Aber wer abhängig ist von den Linken, der muss wohl weiter Geld ausgeben, das er nicht hat, um Mehrheiten über die Runden zu bringen und die Regierung am Ruder zu halten. „Schöne“ Aussichten fürs größte Bundesland, das nun wohl Die Linke munter mitregieren wird…
Wie sagte die wahrscheinliche Ministerpräsidentin Kraft doch nett, auf die Schulden angesprochen: „Wir investieren in die Zukunft“.
Und die sieht so aus: Bezahlen müssen das am Ende zuerst einmal natürlich alle, später dann auch diejenigen, die jetzt in NRW wieder gebührenfrei studieren oder beitragsfrei das dritte Kindergartenjahr besuchen dürfen. Und deren Kinder und Kindeskinder – wenn’s denn reicht.
ULRICH JUNG
Quo vadis, Regierung?
Den Krimi zur Wahl des Bundespräsidenten kann man am Ende so zusammenfassen:
Es gibt einen Sieger, zwei Gewinner und zwei Verlierer.
Der Sieger ist nach quälendem Hickhack in den eigenen Reihen Christian Wulff, der 10. Bundespräsident. Im dritten Anlauf gaben sie ihm endlich die notwendige Mehrheit, die freilich auch zustande kam, indem Die Linke sich verweigerte. Letzteres beweist einmal mehr, dass die Gysi-Truppe und SED-Erbengemeinschaft die Stasi-Vergangenheit keineswegs abgearbeitet hat. Besser konnte sie ihre Unfähigkeit, in der Demokratie eine wichtige politische Rolle zu übernehmen, nicht präsentieren.
Als Gewinner darf sich ganz klar Joachim Gauck fühlen, der es zuvor schaffte, im Volk erstaunliche Sympathien zu bündeln. Für ihn stimmten dann auch mehr Wahlleute, als SPD und Grüne in die Bundesversammlung entsandt hatten.
Auf der Gewinnerseite steht außerdem die Demokratie. Der Wille der Bürger hat unübersehbar Einfluss gewonnen auf das Wahlverhalten in Berlin. Er war insgesamt ein Akt des Widerstandes gegen eine Partei- und Machtpolitik, die in einer breiten Öffentlichkeit lange schon immer mehr unerträglich finden, was sich unübersehbar auch in den Wahlkabinen der Bundesversammlung niederschlug.
Und damit sind wir bei den Verlierern: Bundeskanzlerin Merkel und ihr Vize Westerwelle. Von wegen Neuanfang.
Die Wahl zum Bundespräsidenten war ein weiterer Mosaikstein in einer nach wie vor chaotischen Regierungspolitik. Auch der jüngst wieder mal angekündigte Neuanfang ging, spätestens nach dem ersten Wahlgang, in die Hose.
Zum einen hat die Kanzlerin ihre Mannschaft nicht im Griff; im Angesicht der sich nach Lösungen aufgestauten Problembergen ausgesprochen schädlich. Der Wahltag ist für Merkel ein schlimmer Zahltag gewesen, da wurde per Abstimmung so manche Rechnung beglichen. Natürlich auch für den an Selbstherrlichkeit weiterhin unübertroffenen Guido Westerwelle, der mit seinen Ämtern sichtbar überfordert ist, der viel und schön und geschwollen daherredet, aber letztlich nichts auf die Beine bringt.
Eine abgestrafte Kanzlerin, der man neben dem politischen Gerangel der letzten neun Monate und jetzt das Spiel ums höchste Staatsamt übelnahm, ein Außenminister und Parteichef, den der Gegenwind arg zerzaust: quo vadis Regierung? ULRICH JUNG
Absurdistan
Der Katalog für Sonderregelungen bei der Mehrwertsteuer gleicht einem Besuch in Absurdistan. Ein paar krasse Beispiele:
Für Froschschenkel oder frische Trüffel müssen sieben Prozent bezahlt werden. Auch für Reit- oder Rennpferde, Schnittblumen und Heimtierfutter. Babynahrung oder –windeln kosten dagegen ebenso wie Mineralwasser den vollen Mehrwertsteuer-Satz, 19 Prozent. Guckt man sich weiter in diesem Katalog um, wird’s einem regelrecht schwindelig.
Soviel Blödsinn auf einem Haufen ist schier unvorstellbar Aber tatsächlich Realität in Deutschland, auf die jetzt der Rechnungshof aufmerksam machte. Das Uralt-Thema hatte sich auch im vorigen Bundestagswahlkampf die FDP auf die Fahnen geschrieben. Bei der Diskussion ums Sparprogramm der Regierung wurde es ebenfalls aus der Ablage gekramt und vorsichtig dosiert in die Öffentlichkeit gebracht. Steuererhöhung war und ist ja noch angeblich tabu.
Es ist schon erstaunlich, was sich unsere Bürokraten, Lobbyisten und Verbandsfunktionäre so alles ausdenken – sogar auch ohne dass ihnen die Sommersonnenstrahlen allzu kräftig aufs Hirn prallen.
Es wird Zeit, dass unser Mehrwertsteuersystem grundlegend reformiert wird und nur noch die Güter des lebensnotwendigen Bedarfs in die Sonderregelungen aufgenommen werden, die wirklich das Siegel „sozialpolitisch relevant“ verdienen.
Eigentlich müsste das in Regierung und Opposition denkbar einfach zu bewerkstelligen sein. Wird nicht das Wörtchen „Gerechtigkeit“ auf allen politischen Seiten quasi als Credo wie eine Monstranz vor sich hergetragen?
Lobbyisten freilich sind da weniger zimperlich, weshalb man gespannt sein darf, ob das Thema wieder mal in den Schubladen verschwindet.
Vielleicht „hilft“ diesmal ja die Rekordverschuldung von 1,7 Billionen Euro (!!!!), unter der Deutschland ächzt. Die Steuerausfälle durch den ermäßigten Satz bezifferte der Rechnungshof auf immerhin 24 Milliarden Euro. ULRICH JUNG
Zuversicht ist angesagt
Bis zum nächsten Jahr sollen die Arbeitslosenzahlen um eine halbe Millionen sinken, sagt das Institut für Weltwirtschaft. Mercedes, Audi und BMW haben volle Auftragsbücher – besonders das Ausland ist interessiert an deutschen Autos; Kurzarbeit ade, dafür Sonderschichten. Der Bund muss 2011 viel weniger Schulden machen, als ursprünglich errechnet. Grund sind deutlich höhere Steuereinnahmen und geringere Arbeitsmarktkosten. Erstmals seit sechs Jahren wagen wieder mehr Deutsche den Sprung in die Selbständigkeit. 2009 gab es mit 872 000 Firmenneugründungen zehn Prozent mehr als ein Jahr zuvor.
Das zarte Pflänzchen Aufschwung wächst und wächst – entgegen den Voraussagen so manches „Experten“, der mit säuerlichem Gesicht die deutsche Zukunft düster zu malen pflegt. Von diesen Miesbetern haben gerade wir Deutschen mehr als genug.
Dabei ist Zuversicht angesagt, Optimismus. Mit Pessimismus hat man noch nie etwas Vernünftiges auf die Beine gestellt.
Eigentlich könnten wir also froh sein.
Wenn…, ja wenn wir jetzt noch eine Regierung hätten, die uns nicht weiter drangsalierte mit ihren quälenden Querelen und mutig die Reformen anpackte, die Deutschland wirklich zukunftssicher machten. ULRICH JUNG
"Kraftilanti" will NRW regieren
Jürgen Rüttgers (CDU), nach einer verheerenden Wahlschlappe derzeit Geschäftsführender Ministerpräsident in Nordrhein-Westfalen, schmeißt hin. Er tritt Mitte Juli nicht gegen Frau Kraft (SPD) an.
Gut so! Hätte er das mal schon vor einigen Wochen getan, als ohne ihn noch die Chance auf eine Große Koalition bestand. Jetzt sind die Türen erst einmal zu, und die CDU wird demnächst die Mehrheit im Bundesrat verlieren; letztlich dank Rüttgers.
Die "gefühlte" Wahlsiegerin - in Wahrheit fuhr sie bei der NRW-Landtagswahl das schlechteste SPD-Ergebnis aller Zeiten im größten Bundesland ein - will jetzt Chefin einer Minderheitsregierung Rot-Grün werden. Was sie tags zuvor noch vehement abgelehnt hatte. Der Druck aus Berlin, gleichermaßen von SPD und Grünen nach Düsseldorf übermittelt, ließ die selbsternannte Standhafte dann doch umkippen.
Nun wird sie, vorausgesetzt sie wird gewählt, auf Die Linke angewiesen sein, soll tatsächlich eine andere Politik in NRW gemacht werden. Ohne die Truppe, die besonders in Nordrhein-Westfalen durch meist blödsinnige Forderungen (u.a. das Recht auf Rausch) aufgefallen ist und weniger durch Realitätsnähe, läuft im größten Land der Republik so gut wie nichts.
Nun wird am Argument gestrickt, dass selbstverständlich FDP und CDU schuld daran sind, wenn Kraft und ihre Regierung faktisch von den Linken toleriert werden. Die grüne Bundeschefin hat sich bereits in dieser Richtung geäußert.
Dass Kraft nie und nimmer, wie sie nach Sondierungsgesprächen immer wieder versprach, mit den Linken zusammen gehen, sich auch nicht von ihnen tolerieren lassen wollte, interessiert nicht mehr. Sie tut genau das, was sie für jeden Wähler vernehmbar klipp und klar ausgeschlossen hatte.
Da ähnelt sie der Hessin Ypsilanti: Mit aller Macht an die Macht, egal, ob zuvor das Gegenteil von dem behauptet wurde, was hernach Wirklichkeit wird. "Kraftilanti" wird die Dame folgerichtig in einer breiten Öffentlichkeit genannt.
Da brauchen Politiker nicht mehr zu überlegen, warum die Politik(er)verdrossenheit gefährlich zunimmt und wir inzwischen nahe an die Grenze zur Demokratieverdrossenheit gestoßen sind. ULRICH JUNG
Was ist soziale Gerechtigkeit?
Der Polter-Ton des Guido Westerwelle im Zusammenhang mit der „Hartz-IV-Debatte“ hat wie immer in solchen Fällen reflexartig erzürnt und erregt. Wobei sein Vergleich mit der „altrömischen Dekadenz“ eher in eine Karnevalssitzung passte, waren doch die Dekadenten im alten Rom eben nicht die Armen, sondern diejenigen, die sich die Hälse und Taschen vollstopften und das Volk darben ließen.
Westerwelle hat sich im Ton vergriffen, zweifellos. Deshalb wurde er auch von der Kanzlerin via Pressesprecherin gerügt; freilich nicht wegen des Inhalts seiner Aussagen, dass nämlich die hart Arbeitenden mehr in der Geldbörse haben müssten als diejenigen, die vom Staat leben (müssen). Und: Dass beide Seiten einer Medaille betrachtet werden müssten, die Arbeitslosen und Sozialgeldempfänger auf der einen und diejenigen, die Milliarden und Abermilliarden für die Sozialkassen zusammentragen; sprich: die Steuerzahler.
Ja, er hat sich im Ton vergriffen, hat hart überspitzt eine unterm Strich alle angehende Situation ins Gespräch gebracht. Aber vielleicht hat man gerade deswegen erst hingehört.
Die z.T. bis zur Beleidigung reichenden Reaktionen zeigen jedenfalls, dass Westerwelle so Unrecht nicht hat. Und sie zeigen allerdings auch, dass hierzulande von der „Meinungsfreiheit“ immer weniger übrig bleibt, wenn sie nicht in den politisch korrekten Kram passt. Maulkorb statt Wahrheit – eine brisante Entwicklung. Wer dagegen verstößt, ist politisch und/oder beruflich schnell in die Versenkung geschickt.
Westerwelle hat in ein Wespennest gestoßen, das ist wohl jedem klar, auch wenn es viele nicht offen zugeben mögen (s.o.). Deshalb ist eine Debatte über d a s Thema der Zukunft zu begrüßen. Was können wir uns noch leisten? Wann sind die Steuerzahler überfordert? Führt ein immer mehr aufgeblähter Sozialhaushalt wirklich zu mehr Gerechtigkeit? Was ist überhaupt soziale Gerechtigkeit?
Man darf nur hoffen, dass die nunmehr angestrebte Generaldebatte auf einem anderen Niveau geführt wird als die derzeitigen Gehässigkeiten. Zum Vorteil für alle Seiten: für die Arbeitslosen, die Armen, die Steuerzahler und, last but not least, für die Glaubwürdigkeit der Politik.
ULRICH JUNG
Knut statt Kohl
Der CSU-Politiker Hinsken hatte eine gute Idee: Eine Sonderbriefmarke für Helmut Kohl. Der Altkanzler wird nächsten April 80, und das wäre doch ein prima Anlass, denjenigen Deutschen, der die Wiedervereinigung maßgeblich vorangetrieben und verwirklicht hatte, entsprechend zu würdigen. Das dachte sich der rührige Politiker.
Die meisten würden ihm wahrscheinlich vehement zustimmen.
Das zuständige Finanzministerium aber, das die Sondermarken herausgibt, lehnte ab. Begründung: Lebende Personen sollen auf Sondermarken nicht abgebildet werden. So die grundsätzliche Formel. Ausnahme war Papst Benedikt XVI. Nicht einmal die Kanzlerin, die Hinsken ebenfalls anschrieb und um Hilfe bat, diejenige, die letztendlich nur wegen und mit Kohl Kanzlerin werden konnte, willigte ein.
Spielt es eventuell eine Rolle, dass Schäuble (Innenminister) mit Kohl aus bekannten Gründen nicht gut kann und Angela Merkel seinerzeit federführend im Hintergrund für den „Abschuss“ des Alt-Kanzlers sorgte?
Eines der wenigen Lebewesen, so schreibt die Süddeutsche Zeitung, „das neben dem Papst schon zu Lebzeiten verewigt wurde, bleibt der Berliner Eisbär Knut.“
Ist doch erstaunlich, wie deutsche Bürokraten mit ihren Eliten, mit denen, die Historisches, Positives bewegt haben, umgehen. ULRICH JUNG
Klimagipfel ein Schuss in den Ofen
Eine Art Zeitenwende sollte es werden. Die größte Weltkonferenz aller Zeiten wollte einen gemeinsamen Weg beschreiten, unseren Planeten quasi vorm Untergang zu retten. Heraus kam nichts als heiße Luft – trotz Klima-Kanzlerin und dem amerikanischen Präsidenten, von dem inzwischen immer mehr Menschen weltweit merken, dass der einstige Superstar und als Halbgott Gefeierte zwar viel und fesselnd reden, aber wenig bis nichts bewirken kann.
Kurzum: Kopenhagen war ein Schuss in den Ofen. Nationale Interessen galten (gelten) mehr als der Kampf gegen den Klimawandel, der, wenn denn stimmt, was Wissenschaftler prognostizieren, unser aller Erde vernichtet.
Unterm Strich fragt man sich jetzt sicherlich zu recht: Wenn schon die Staatschefts insgesamt offensichtlich zum Schluss kommen, den globalen Klimawandel nicht allzu wichtig nehmen zu müssen, warum sollten das Otto und Ottilie Normalverbraucher tun? Was letztendlich (vielleicht) eine tödliche Einstellung wäre.
Kann es sein, dass die Politiker – und ein großer Teil ihrer Untertanen – denken: nach mir die Sintflut? Was juckt mich der Horror, der in 100 Jahren möglichweise oder aber auch nicht die Welt heimsucht? Ich, der Politiker, will schließlich weiter an der Macht bleiben. Umweltschutz kostet, das wollen die Wähler nicht. Wir wollen die Wirtschaft schließlich voranbringen.
Und die Mächtigen in den Entwicklungsstaaten sehen natürlich nicht ein, dass sie auf Fortschritt (der mit Umweltquälerei verbunden war und ist) verzichten sollten. Amerika, Europa, alle Industriestaaten sind groß geworden, indem sie die Umwelt schädigten. Und ausgerechnet die wollen jetzt, dass wir Entwicklungsländer auf Wachstum und Reichtum und Wohlstand verzichten, um die von ihnen ruinierte Umwelt noch ein wenig zu erhalten?
Umweltschutz, das müssten eigentlich alle begreifen, die es ernst meinen, geht nur, wenn alle mitmachen. Umweltschutz funktioniert nur global.
Wirtschaft zu globalisieren ist gut und wichtig in dieser zusammenwachsenden Welt. Alles wird dafür getan. Unsummen schwer. Umweltschutz zu globalisieren, was übrigens der Wirtschaft überall zugute käme, kriegen sie nicht auf die Reihe.
In Kopenhagen, irgendwann wird es vielleicht (schöner ausgedrückt) in Geschichtsbüchern so zu lesen sein, wurde eine große Chance vergeigt.
Die Folgen...? ULRICH JUNG
Wachstum verordnet...
Die Wirtschaft schwächelt? Wissen wir. Die Amerikaner sind schuld, oder?
Wie also ist das Problem zu lösen?
Unsere Politiker – zu allem fähig und manchmal zu nichts zu gebrauchen – machen das auf ihre Art: Sie schaffen mal eben ein Gesetz! Das Wachstumsbeschleunigungsgesetz.
Wenn es schon nicht die Wirtschaft, die globale, versteht sich, in den Griff bekommt, dann muss es halt ein Gesetz richten…
Schwarz-Gelb startet die erste Rakete in dieser Legislatur.
Otto und Ottilie Normalmenschen da draußen im Lande dürfen sich, sorry: verarscht vorkommen. Denn weder „Mutti“ Merkel noch „Rebensaft“-Brüderle und Co. werden Wachstum verordnen können.
Genau so wenig wie sie das Überleben von Opel quasi mit Befehl aus Berlin an (den wirklichen Eigentümer) General Motors verordnen können. Und schaufelten sie noch so viele Milliarden Steuergelder in die Kassen der Amerikaner.
Bleiben wir bei Opel. Ist es nicht bemerkenswert, dass keine Bank der Welt, bereit ist, auch nur einen Cent in das Traditionsunternehmen zu stecken? Nur der Bund bzw. die Länder streiten sich, wer dem siechen Autobauer nun unter die Arme greifen soll. Weil Opel ja so ungemein systemrelavant ist. In der Tat: Bemerkenswert! ULRICH JUNG
Schon vergessen?
Man fasst sich an den Kopf und mag es nicht glauben. Die Partei Die Linke in Nordrhein-Westfalen hat soeben auf ihrem Parteitag in Hamm ein Programm für die Landtagswahl nächstes Jahr verabschiedet, das einen in weiten Teilen an DDR-Zeiten erinnert. Pünktlich zum 20. Jahrestag des Mauerfalls. Darin werden u.a. die Verstaatlichung von Großbetrieben und „aller Bereiche der Daseinsvorsorge“ gefordert, die 30-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich, ein öffentliches Beschäftigungsprogramm, die Abschaffung der Schulnoten sowie ein „nordrheinwestfälisches Modellprojekt für Cannabis, welches den Besitz, Erwerb, Anbau und Handel“ mit dem Rauschgift legalisieren soll. Die Formulierung „Recht auf Rausch“ wurde aus dem Programmentwurf gestrichen.
Und Parteichef Oskar Lafontaine ruft seine Truppe in Hamm zur „Erneuerung und Wiederherstellung der Demokratie“ auf.
Unternehmer an den Pranger, angeblich Reiche ächten, Gläubige diskriminieren, Leistungsträger schröpfen – schöne neue Demokratie.
Dass diese Partei mittlerweile in Parlamenten und sogar in Landesregierungen sitzt, macht betroffen. Und nachdenklich – während am 9. November nahezu rund um die Uhr das Fernsehen zurückblendet und anschaulich zeigt, wie es damals war da „drüben“ im Spitzelstaat, der seine Bürger eingemauert hatte und all diejenigen drangsalierte und ihrer Menschenwürde beraubte, die den Mund aufmachten. Schon vergessen?
Der Hammer Parteitag schüttete den Tausenden u.a. am Brandenburger Tor fröhlich 20 Jahre Mauerfall Feiernden einen Wermutstropfen in den Sekt. Die Linke ist allerdings wohl auch kaum zum Feiern aufgelegt. Ganz im Gegenteil. ULRICH JUNG
Wem gehört eigentlich Opel?
Letzten Endes wird man vielleicht einmal froh sein, dass der (allein politisch gewollte) Deal mit dem Magna-Konzern nicht geklappt hat und dass das inzwischen durch Milliarden von US-Steuergeldern einigermaßen gesund gemachte Staatsunternehmen „New“ General Motors Opel behalten will. Magna nämlich fährt dieses Jahr ein dreistelliges Millionen-Minus ein, und das von der Politik so bejubelte Konzept sieht in Sachen Stellenabbau unrStrich nicht wesentlich anders aus als das von GM.
Opel als europäische Bastion, das macht eben auch Sinn für die Amerikaner. Insofern werden die ihre Tochter nicht in den Ruin treiben. Umstrukturieren kostet Arbeitsplätze, ja leider, aber nicht nur bei Opel.
Natürlich kann man über das monatelange Hin und Her sehr wohl verärgert sein. Vor allem die 25000 deutschen Opelaner, die teils im Wahlkampf missbraucht, teils von GM verschaukelt wurden, sind zu recht empört. Ob freilich ein Streik jetzt Sinn macht, ist doch sehr fraglich. Denn die Amerikaner sind weniger zimperlich als deutsche Unternehmer, und sie lassen sich, wie die jüngste Vergangenheit anschaulich vorführte, schon gar nicht von deutschen Politikern, auch nicht von der soeben in den USA gefeierten Angela Merkel beeindrucken. Die Opelaner sollten deshalb aufpassen, dass sie den einen oder anderen Standort nicht wegstreiken.
Überhaupt entbehren die gestrigen politischen Reaktionen aus Berlin nicht einer gewissen Lächerlichkeit. Wem gehört Opel denn eigentlich? Doch nicht der Regierung oder der Opposition, obwohl die schon vor allem in der Hochzeit des Wahlkampfes so taten, sondern einem der immer noch größten Automobilkonzerne der Welt. Auch die neuen schwarz-gelben Amtsinhaber wären gut beraten, den Mund nicht allzu voll zu nehmen.
Der „Fall“ Opel zeigt einmal mehr: Politik sollte sich gefälligst aus notwendigen, wirtschaftlichen Abläufen heraushalten. Das sparte immense Summen an Steuergeldern – so schlimm es selbstverständlich für diejenigen ist, die ihren Job verlieren. Mit Staatseinmischung verlören sie ihn auch, vielleicht nur ein paar Monate später. Da springt dann „der Staat“ richtigerweise ein, weil er ein sozialer ist. Die Steuergelder jedoch wären für immer futsch. Und sind wir doch einmal ehrlich: Deutschland, die Welt könnte auch ohne Opel existieren, auch ohne die anderen, die nicht zeitgemäße Produkte auf den Markt bringen. Es gibt zu viele Autos, es gibt zu viele Unternehmen in dieser Branche, die Ähnliches herstellen. Da liegt der Hase im Pfeffer. Wer sich am Markt durchsetzt, also entsprechend produziert, der braucht keine Staatsknete. ULRICH JUNG
Friedensnobelpreis - Wofür? Viele Fragen.
Friedensnobelpreis für Barrack Obama. Diese Nachricht sorgt seit Tagen für Aufregung nicht nur in den USA. Da bekommt einer den Friedensnobelpreis - und man fragt sich: Wofür? Da bekommt einer, der Krieg führt und der möglicherweise demnächst den Iran zur Raison bringen wird, den Friedensnobelpreis - und man fragt sich: Wie geht das? Ein Krieger und diese Auszeichnung? Da bekommt einer den Friedensnobelpreis für seine Visionen - und man fragt sich: Was, wenn die nicht einigermaßen in Erfüllung gehen (wie es derzeit zumindest aussieht)? Das ist so, als bekäme ein Schriftsteller den Literaturnobelpreis, weil er der Welt verkündet hat, demnächst eventuell ein tolles Buch schreiben zu wollen... Der Friedensnobelpreis wurde dieses Jahr massiv entwertet. Und ob diese Auszeichnung dem amerikanischen Präsidenten wirklich etwas bringt (außer dem Geld), darf man getrost bezweifeln. Sie wird ihn eher belasten, und am Ende steht da einer, von dem dann alle sagen werden: Den Preis hat er wirklich nicht verdient. ULRICH JUNG
Mundtot machen
Die Wortwahl des Thilo Sarrazin mag ja vielleicht dem einen oder anderen zu drastisch gewesen sein. Aber recht hat er mit seinen Anmerkungen in Sachen Integrationspolitik. Deutschland kann es nicht! Natürlich gibt es positive Beispiele. Aber eben auch - und zwar in beängstigender Vielfalt - negative. Wer das sagt und zur Diskussion stellt, wird mittlerweile reflexartig bedient; als Rassist, ewig Gestriger, den Neonazis Nahestehender. Fakten, die Sarrazin widerlegen sollen, hört man keine (weil es nachweislich auch keine gibt). Meinungsfreiheit? Gilt nur, wenn die Meinung der Gutmenschen, Schönredner und An-der-Wahrheit-Vorbeischwätzer getroffen wird. Und so werden notwendige Diskussionen zu wichtigen Themen der Zeit, die die Gesellschaft beschäftigen, kurzerhand abgewürgt. Diejenigen, die die Diskussion vernünftigerweise angestoßen und brennende Themen öffentlich gemacht haben, werden immer öfter systematisch mundtot gemacht und schließlich beruflich ruiniert. Darum schweigen bei uns die meisten oder gucken weg. Bloß nicht anecken, bloß nicht politisch unkorrekt die Wahrheit sagen. Wahrheit? Interessiert in bestimmten Zusammenhängen hierzulande schon lange nicht mehr. Mehr Sarrazins braucht das Land, mehr Mutige, die das beim Namen nennen, was ein Großteil der Menschen hier Angst macht. Dass Integration keine Einbahnstraße ist, sollten eigentlich inzwischen alle gemerkt haben. Wegducken und vorauseilender Gehorsam werden niemals Probleme lösen, ebenso wenig wie diese einfach nicht zur Kenntnis zu nehmen. Im Gegenteil. Wir geben uns da eher der Lächerlichkeit preis. Ernst nimmt man uns bei diesem Thema doch längst nicht mehr. ULRICH JUNG
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Blick zurück - vor 20 Jahren fiel die Mauer (Kommentar-Serie)
Vor 20 Jahren, im November 1989, fiel die Mauer. Am 3. Oktober 1990 wurde der neue "Tag der Deutschen Einheit" geboren. Was passierte in diesen Monaten davor und danach? Ich habe mal im Archiv gestöbert und einige Kommentare zum Thema zusammen gesucht, die in den nächsten Wochen hier veröffentlicht werden. Es waren Meinungsbeiträge in der "Offenbach-Post", und sie schildern die damalige, wenn man so will, Gemütslage - meine und die eines großen Teils unserer Gesellschaft. Heute:
Ein Traum wird wahr (erschienen am 11. November 2009)
Fassungslose Freude, von unbeschreiblichem Glück geprägte Gesichter: Es waren bewegende, nicht nur die westliche Welt tief beeindruckende Bilder aus der historischen Nacht vom 9. auf den 10. November 1989. In der deutsch-deutschen Geschichte und wohl weit über sie hinaus wurde ein neues, ein diesmal freudiges Kapitel begonnen. Die ersten Seiten haben diejenigen geschrieben, die mit bis dahin nie dagewesenem Mut und Selbstbewußtsein den Aufstand von unten wagten und das menschenverachtende Regime in die Knie zwangen. Der unbändige Wille nach Freiheit setzte sich durch, explodierte quasi an der Mauer und ließ den Machthabern schließlich keine andere Wahl mehr, als nachzugeben. Und dann gestern abend die Ankündigung von freien Wahlen ein weiterer, unglaublicher Höhepunkt der dramatischen, den ganzen Tag über Schlag auf Schlag hereinbrechenden Ereignisse.
Wer hätte diese Geschwindigkeit, mit der sich die Reformbestrebungen in der DDR überstürzen, jemals für möglich gehalten? Aber was von unten bewegt wurde, muß nun oben verstanden und wirklich überzeugt umgesetzt werden.
Wenn nicht alles täuscht, dann wurde in den vergangenen Stunden das Ende der Nachkriegszeit auch für die DDR eingeläutet; die Deutschen drüben haben 40 Jahre länger als wir, 28 davon eingemauert, auf diesen Augenblick, auf das Wahrwerden eines Traumes warten müssen:
Die Mauer gibt es faktisch nicht mehr!
Gleichwohl stellt sich mit den eindrucksvollen Augenblicken, die über Nacht die DDR veränderten, eine schizophrene Situation dar: Die Mauer wurde 1961 gebaut als Bollwerk des Kommunismus zum Westen, um die Menschen im anderen Teil Deutschlands daran zu hindern, scharenweise das Land zu verlassen. Seit gestern wird sie auseinandergebrochen aus eben demselben Grund.
Und es war, auch eine Ironie der Geschichte, ausgerechnet ein Russe, nämlich Michail Gorbatschow, der zumindest indirekt die deutsche Frage wieder aktuell werden ließ. Willy Brandt, der große alte Mann der SPD, der 1961 als Regierender Berliner Bürgermeister machtlos den Schrecken gegenüberstand und gestern gerührt von begründeter Zuversicht sprach, sieht die beiden deutschen Staaten „der Einheit jetzt viel näher". Das macht Hoffnung auf künftig vernünftige Dialoge. Die Wieder-Vereinigung, wie immer sie dann gestaltet sein soll, steht jedenfalls auf der Tagesordnung, wenn auch nicht an erster Stelle. Sie ist mithin keine intellektuelle Spinnerei mehr.
In allzu verständlichen Freudentaumel dürfen freilich die Realitäten der täglichen Praxis, hier wie dort, nicht übersehen werden. Die DDR steht, wenn auch die Entwicklungen der letz ten Tage nachgerade atemberau bende Ausmaße annahmen, erst ganz am Anfang.
Zugegeben: Egon Krenz scheint Gorbatschows Perestroika mehr als wörtlich zu nehmen, ja, es sieht fast so aus, als wäre er dabei, den Kreml-Chef auf dem steinigen Reform-Weg überholen zu wollen. Immerhin hat der neue Mann am DDR-Ru der in nur wenigen Wochen das angepackt, wenn auch unter dem aufwühlenden Druck der Öffent lichkeit, wozu z. B. Ungarn oder Polen Jahre brauchten.
Vielleicht entwickelt sich Krenz tatsächlich zu einem deutschen Gorbatschow, zu einem, der wirklich die Kraft aufbringen kann, das verknöcherte System auszuschalten, um zügig das Feld für Demokratie und Freiheit zu bestellen. Das inzwischen ver kündete Aktionsprogramm geht in die richtige Richtung. Doch all das braucht seine Zeit. Darüber müssen sich die immer aufgereg ter werdenden Menschen im kla ren sein. Sie zu Besonnenheit und Geduld aufzufordern, das ist jetzt zweifellos berechtigt.
Zu wünschen wäre, daß die jüngsten Bilder ebenso Krenz beeindruckten und ihm Mut machten, Schritt für Schritt weiter vor wärts zu gehen. Er müßte eigent lich, wenn er nicht gänzlich ohne menschliches Fühlen ist, spätestens seit der Donnerstagnacht eingesehen haben, daß es sich lohnt, zu kämpfen.
Aber auch der Bundesrepublik Deutschland stehen noch erhebliche Probleme ins Haus. Das fängt an beim Beschaffen von Wohnraum für DDR-Flüchtlinge, die nicht wieder zurückkehren wollen und hört auf bei finanziellen Unterstützungen im weitesten Sinne, mit denen einerseits den Menschen hier eine Chance zum Neuanfang gegeben und andererseits die Wirtschaft drüben flottgemacht werden können. Daß ohne eine funktionierende Wirtschaft letztlich auch politische Wendemanöver ohne Wirkung auf den angesteuerten Kurs bleiben, erlebt zur Zeit Gorbatschow mehr als intensiv.
Hier also gilt es ganz besonders zu helfen, freilich ohne Aufdringlichkeit oder Reicher-Onkel- Manieren und vor allem ohne Häme unter dem Motto: Wir werden euch schon zeigen, wo ihr langzugehen habt. Schon gar nicht sollten sich unsere Volksvertreter jetzt parteipolitischen Profilneurosen hingeben, womöglich sich übertreffend in un überlegten Versprechnungen, weil Wahlkampf ist. Verantwortungsbewußtsein und Augenmaß, wie gestern erst wieder von Bundespräsident Richard von Weizsäcker angemahnt, sind gefordert im übrigen von uns allen -, wollen wir ernsthaft diesen historischen Prozeß positiv begleiten und gemeinsam mit der DDR schließlich zum guten Ende bringen.
Und dabei spielt im beiderseitigen Interesse eine wesentliche Rolle, daß den DDR-Bürgern das zartsprießende Pflänzchen Vertrauen nicht wieder zertreten wird und sie dann doch zu der Überzeugung gelangen, in ihrer Heimat leben zu wollen.
Bundesregierung, Fraktionen, Länder, Kommunen, Kirchen und Gewerkschaften hierzulande gehören deshalb schleunigst an einen Tisch, um über die Bewältigung der vielfältigen Probleme eingehend zu beraten. Ideologische Scheuklappen (sie haben sich überlebt, wie die Vorgänge in der DDR eindrucksvoll belegen) oder parteipolitische Strategien müssen dabei allerdings außen vorgelassen werden. Sonst nämlich wird leichtfertig hinten das umgestoßen, was vorne aufgebaut wurde. Gleichzeitig sollte die Bundesregierung umgehend Kontakt zur DDR-Führung aufnehmen, damit die nächsten Schritte koordiniert werden können.
Eine Aufgabe insgesamt von ungeheuer reizvollen Dimensionen, deren Ausmaße augenblicklich noch völlig unübersichtlich sind. Mit Sicherheit ein Jahrhundertereignis.
Es ist schon eine bewegende Zeit, in der wir leben. Sich ihrer würdig zu erweisen, das muß spätestens seit gestern Ziel sein in Ost wie West. ULRICH JUNG
Loch in der Mauer (erschienen am 6.11.1989)
Der 4. November 1989 brachte nach 1961, dem Jahr des Mauerbaus die wohl denkwürdigsten Stunden in der Geschichte der DDR. Eine Million Menschen sollen es gewesen sein, die am Samstag in Ost-Berlin für die ganze Freiheit auf die Straßen gingen. Der friedliche Aufmarsch, die äußerst kritischen Rufe und Reden, wurden vom Staatsfernsehen live über tragen. Zugleich verfügte die DDR-Regierung eine generelle Ausreiseregelung, nach der Bürger ohne gesonderte Papiere ihr Land über die CSSR verlassen können. Wer hätte das jemals für möglich gehalten - selbst aus der DDRFührung?
Ein ganzes Volk ist auf dem Weg zur eigenen Identität. Oder, wie es der Schriftsteller Stefan Heym trefflich formulierte: „Wir haben in den letzten Wochen unsere Sprachlosigkeit verloren und sind nun dabei, den aufrechten Gang zu erlernen."
Und staunend stellen die Demonstranten fest, welchen Mut sie plötzlich haben.
So gesehen war der 4. Novem ber 1989 auch die wirkliche, Ost und West aufwühlende Gedenkfeier zum unlängst offiziell bejubelten 40. Geburtstag der DDR. Kein befohlenes Fähnchenschwingen mit schockierenden Lobpreisungen über die ach so absoluten Erfolge des real existierenden Sozialismus', sondern der geballte, laut herausgeschrieene Wille nach freier Meinung, nach Demokratie und durchgreifenden Reformen für ein lebenswertes Leben. Und da nahmen sie denn auch kein Blatt mehr vor den Mund, so als atme ein 40 Jahre lang unterdrücktes, bevormundetes Volk endlich und endgültig tief durch, so als feiere man den Geburtstag einer neuen DDR. Die Bilder vom Alexanderplatz machen betroffen und beeindrucken die ganze Welt.
Egon Krenz müßte spätestens jetzt begiffen haben, daß seine Notmaßnahmen, das Volk zu beruhigen, erst einmal überhaupt nichts fruchteten. Die Entlassung der konservativsten, einstigen Galionsfiguren der Einheitspartei, die erstaunt machende Öffnung der Medien oder selbst das Loch in der Mauer mit Umweg über die CSSR , auch seine lange Latte von Versprechungen, die er, wahrscheinlich unter dem Eindruck der bevorstehenden Großdemonstration, am Freitag erst via Bildschirm verbreitete, das alles ließ aufhorchen. Geglaubt haben ihm offensichtlich die wenigsten. Der Treck der Tausenden und Abertausenden, die sich direkt danach in Richtung Bundesrepublik Deutschland absetzten, zeigt das eindeutig.
Er legt aber auch ein Phänomen offen, das zu begreifen im Augenblick sehr schwer fällt: auf der einen Seite die Millionen, die, mit einem nie gekannten neuen Selbstbewußtsein ausgestattet, Veränderungen erzwingen wollen und in wenigen Wochen auch schon Einschneidendes erreicht haben; auf der anderen Seite die dramatisch zunehmende Zahl derjenigen meist jungen Menschen, die, voller Resignation und tiefem Mißtrauen, alles stehen und liegen lassen, um endlich frei zu sein. Ungewöhnlich mutig und Respekt abverlangend handeln sie alle, keine Frage.
Mit jedem jungen Flüchtling aber verliert die DDR ein Stück ihrer Zukunft. Engpässe in der Gesundheitsversorgung, wie sie letzte Woche zutage traten, sind erst der Anfang. Außerdem, auch das darf in diesem Zusammenhang nicht verschwiegen oder beschönigt werden, bringen die unerwarteten Flüchtlingsströme die Bundesrepublik in zunehmende Schwierigkeiten. Auch wir können letztendlich nicht wollen, daß das andere Deutschland ausblutet. Andererseits dürfen die Flüchtlinge nicht abgewiesen werden. Wir wollten doch, daß die Grenzen geöffnet werden. Nun sind sie zumindest durchlässiger, dementsprechend gilt es, konsequent zu handeln. Eine historische Aufgabe!
Krenz hat allein vor diesem Hintergrund keine Zeit mehr, sich mit taktischen Manövern oder optischen Retuschen durchzulavieren. Ihm, viel wichtiger: der DDR, hilft nur noch die Flucht nach vorn. Die SED muß den Weg frei machen, muß ihren Vormachtanspruch aufgeben.
Erst die Öffnung zum Pluralismus wie in Polen oder Ungarn, nach SED-Logik zugegebener maßen der Schritt zu ihrem eigenen Ende als Staatspartei, brächte berechtigte Hoffnungen auf wirkliche Veränderungen und würde den Massenexodus stoppen. ULRICH JUNG
DDR kommt nicht zur Ruhe (erschienen am 3.11.1989)
Wie lange soll, wie lange eigentlich kann das noch so weitergehen in der DDR?
Tag für Tag gehen Tausende auf die Straße bislang, Gott sei Dank, kam es zu keinen gewalt--tätigen Ausschreitungen.
Tag für Tag verlassen seit Monaten Hunderte ihre Heimat auch der Abtritt Honeckers bzw. die von Krenz vollmundig verkündete Wende scheint die Massen nicht zu überzeugen. 110 000 ha-ben in diesem Jahr bislang dem Arbeiter- und Bauernstaat den Rücken gekehrt.
Unterdessen macht der neue Mann am Ruder auf staatsmännisch, reist zu Gorbatschow (wohlgemerkt: ein Arbeits-, kein-Antrittsbesuch), weilte in Polen, um Perestroika zu studieren, ist aber, wie der Kreml-Chef wohl auch, keineswegs unbedingt gewillt, den Kurs grundsätzlich zu ändern.
Ein bißchen Offenheit in den Medien, ein paar vage Aussichten auf Reiseerleichterung, öf-fentliche Diskussionen hier und da, oder der Abgang einiger ehemaliger Gallionsfiguren das war's dann auch schon. Außer Spesen nicht viel gewesen.
Die Sozialistische Einheitspartei pocht auf ihren Alleinanspruch, ihre Existenz sei gar ein Ausdruck von „Pluralismus";
Wiedervereinigung nein danke; für den Abbruch der Mauer sieht man schon gar keinen Anlaß, im Gegenteil: „Die Mauer hat andere Gründe als das Zusammenkommen der Menschen zu verhindern ..."; und überhaupt, das Reisen zwischen den beiden deutschen Staaten „ist nicht vergleichbar mit dem in anderen Ländern". Wer dies ernsthaft als Wende bezeichnet, der ist von den Realitäten ebenso weit entfernt wie Krenz und sein Politapparat. Warum beispielsweise Bangemann oder Mischnick (beide FDP) in der Krenz-Politik eine große Nummer sehen, ist ebenso schleierhaft wie wenig hilfreich.
Da werden doch nur alte Hüte auf neue (Beton-)Köpfe gesetzt unter dem Motto: Viel reden, so tun, als ob man hinhört, noch mehr andeuten nur nicht konkret werden. Die Hauptsache ist, daß Ruhe einkehrt, und dann weiter im Gleichschritt marsch!
Es wird aber keine Ruhe einkehren. Und vor allem Krenz wird nicht zur Ruhe kommen, jeden-falls solange nicht, wie er im Nebulösen Politik macht, wie er, ohne handfeste, greifbare Refor--men durchzusetzen, die Wahrheiten für den Aufruhr in der DDR zu verkleistern sucht.
Die Skeptiker haben in den letzten Tagen Recht bekommen. Krenz ist nicht der Reformer,-nicht der Hoffnungsträger, er ist er beinharte Betonkopf, der, offenbar auf derselben Welle mit Gorbatschow, den zerbröselnden Schutzwall zum Kapitalismus wieder flicken will. Mit anderen Mitteln zwar als seine Vorgänger, die weniger ausgefuchstwaren im PR-Geschäft, in der Selbstdarstellung.
Krenz, und das zeichnet sich mehr und mehr ab, ist in der Tat nur ein Übergang. Hoffentlich!
Und die DDR bleibt nach wie vor ein Pulverfaß! Unmöglich erscheint, im Augenblick wenigstens, daß das SED-Regime die Schraube vollends wieder zurückdrehen kann. Zuviel hat sich da, von aller Welt aufmerksam verfolgt, an dramatischer Opposition entwickelt. Unmöglich freilich ist andererseits, den Staats-Tanker, der 40 Jahre lang stur auf Kurs lief, in nerhalb weniger Tage und Monate voll zu wenden. Aber die Menschen dort werden zunehmend unruhiger und aufgebrachter, weil sie bislang nicht andeutungsweise bemerken, daß wirkliche Wendekommandos von der Brücke kommen. Selbst in der SED-Mannschaft rumort es. Ein-Auswechseln der alten mit neuen Betonköpfen wird insgesamt die -Stimmung kaum verbessern.
Wenn den vielzähligen Sprüchen nicht langsam konkrete Signale, also echte Reformen folgen, dann wird die Meuterei eskalieren und der Kapitän am Ende versenkt.
Krenz' Zeit läuft seit Beginn-seines Amtsantritts ab.
ULRICH JUNG
Was will Krenz? (erschienen am 21.10.1989).
Da war zuerst ein leises Durchatmen, als Honecker abstürzte. Es folgten Skepsis, z.T. sogar herbe Enttäuschung, nachdem die neue Nummer 1 der DDR 57 Minuten lang live via Bildschirm auch die letzten Hoffnungsvollen mit wohlbekannten Politbüro-Schlagwörtern und Unverbindlichkeiten eher verunsicherte. Und dann, ein paar Stunden später nur, Diskussionen mit Arbeitern, der Kirche gar. Schließlich, wieder live im Staatsfernsehen, konnten Bürgerrinnen und Bürger ungefiltert K-Großkopferte zur Situation befragen.
Am Ende des ersten Dienst-Tages konkretisierte Egon Krenz seine Wendegedanken, ein bißchen wenigstens. Reiseerleichterungen stehen auf der Tagesordnung, Möglichkeiten (demnächst) für Trips ins Ausland, später einmal vielleicht sogar ein Paß für jeden.
Ansätze für den Kurswechsel?
Vor allem die Medienöffnung ist sicher positiv zu bewerten, als Barometer für einen leichten Klimawechsel.
Und so begann tatsächlich ein Dialog zwischen DDR-Führung und Volk. Vorsichtig zwar und bei weitem längst nicht so intensiv oder in die Richtung, wie man sich das gewünscht hätte, aber immerhin. Ein Tanker, der 40 Jahre schwerfällig durch die Wellen stampfte, kann nun einmal nicht auf der Stelle gewendet werden. Ein Problem, mit dem der gesamte Ostblock, allen voran das Gorbatschow-Rußland, zu kämpfen hat.
Der Apparat scheint sich jedenfalls zu bewegen, wenn auch sehr sachte. Hoffen wir also weiter.Aber niemand sollte das Wort von der „Wende", wie es Egon Krenz immer wieder benutzte, voreilig als Weg weg vom Machtmonopol der SED / hin zur Demokratie interpretieren. Er will zuerst einmal Ruhe und Ordnung im aufgewühltenLande haben. Und da könnten aufmerksames Zuhören, Andeutungen, offenere Medien und staatsmännische Besuche möglicherweise eine Zeitlang wie Valium wirken. Um so schlimmer freilich wäre das Aufwachen, wenn dann doch nicht greifbar Positives für die Menschen dort geschieht.
Was Krenz wirklich will ob er der Mann ist, der nach dem Personalauch den Kurswechsel anstrebt und die geforderten Reformen einleitet, oder ob er mit seiner „Wende" meint, die angeschlagene, zerbröckelnde SED wieder auf ihren angestammten Platz, auf Vordermann zu bringen -, das weiß heute keiner.
Für letzteres spricht die politische Herkunft Krenz', sein Weg auch vom stramm die SED-Fahne hochhaltenden Honecker-Zögling zur Macht. Für ersteres dagegen spricht erst einmal fast gar nichts.
Also doch, wie viele hüben und drüben vermuten, ein Mann des Übergangs?
Es fällt schwer, Krenz als wahren Hoffnungsträger einzuordnen, zumal der Flüchtlingsstrom immer noch nicht abreißt. So als wenn viele trotz (oder wegen) Krenz die Hoffnung endgültig verloren hätten.
Die Lage der DDR ist anders geworden seit dem vorigen Mittwoch, spürbar, sichtbar; deshalb aber ist sie nicht unbedingt berechenbarer.Das gilt ebenso für das deutsch-deutsche Verhältnis. Wenn Krenz beispielsweise bei seinen angekündigten Reiseerleichterungen (wie immer die auch aussehen mögen) Bonns „Festhalten an der Obhutspflicht für alle Deutschen" als Hindernis aufbaut, dann klingt das nicht eben ermutigend. Oder seine im Parteikauderwelsch formulierten Gedanken vom Ausbau des Rechtsstaates und der Demokratie selbstverständlich unter dem knallroten sozialistischen Mäntelchen; das hört sich an wie gehabt, die SED und ihr „Programm" als das Alleinseligmachende, als Glücksbringer für den Arbeiterund Bauernstaat.
Und doch müßte Krenz inzwischen begriffen haben ein Blick nach Polen, Ungarn oder in die Sowjetunion, ja, selbst in seinen eigenen, zugemauerten Staat reicht -, daß die Zeit des starren Daranfesthaltens und der Schönfärbereien abgelaufen ist. Die DDR-Bevölkerung macht das Gegängeltwerden nicht mehr mit, eine Entwicklung, wie sie in anderen Ostblockstaaten schon lange zu beobachten war; am Ende wurde mancher Apparatschik unter den Trümmerhaufen seiner Politik begraben.
Auch vor diesem Hintergrund ist die Situation in der DDR nach dem Honecker-Abgang heute eine andere. Auf die FriedeFreude-Eierkuchen-Stufe des Krenz-Vorgängers kann die SED kaum mehr zurück, weil das Volk, von aller Welt beobachtet, zu weit vorangegangen und keinerlei Unterstützung von den Bruderländern zu erwarten ist. Krenz hat wahrscheinlich gespürt (wenn nicht, dann wird er es noch intensiv zu spüren bekommen), daß hinter dem Aufschrei nach Veränderungen mehr steckt als nur eine vorübergehende Erscheinung.
So bleiben ihm letztendlich nur schrittweise, echte Reformen, oder der Absturz kommt zwangsläufig. ULRICH JUNG
Krenz löst Honecker ab (erschienen 19.10.1089)
Zwölf Minuten nach 14 Uhr gestern nachmittag war das politische Ende Erich Honeckers offiziell. Daß er aus gesundheitlichen Gründen, wie die Nachrichtenagentur ADN verlautbarte, schließlich das Hand tuch warf, ist wohl nur die halbe Wahrheit.
Ausschlaggebend für den letzten Dienst, den der greise DDR Führer seinem unterdrückten und bevormundeten Volk erwies, war eher der intensive Besuch Gorbatschows vor zwei Wochen, der monatelange Massenexodus und ebenso der erstmalig in dieser Dramatik herausgeschrieene Wille Zigtausender nach Reformen.
Die Saat des Kreml-Chefs von Glasnost und Perestroika scheint jetzt endlich auch in der DDR auf gegangen zu sein.
Mit dem Abgang des Cheforganisators beim Bau der Mauer 1961 hat die DDR gute Chancen, einen Schlußstrich unter den vielleicht letzten tragischen Akt zu ziehen und einen Neuanfang zu wagen.
Der 18. Oktober 1989 ist, wie Willy Brandt, frisch mit aktuellsten Informationen aus Moskau bestückt, schon vor der Ost-Berliner Entscheidung orakelte, in der Tat ein historisches Datum für Ost und West. Ein Tag der vorsichtigen Hoffnung auch auf womöglich baldige politische und wirtschaftliche Veränderungen.Doch trotz des nachgerade hörbaren Aufatmens hüben wie drüben bleibt vorerst Skepsis angebracht. Der Nachfolger, Egon Krenz, mag ja mit seinem für Politbüro-Verhältnisse regelrecht jugendlichen Alter Reformgedanken zugänglicher sein als die z.T. gesundheitlich arg angeschlagenen ZK-Methusalems. Der in der SED für Sicherheit, Kaderfragen, Jugend und Sport zuständige und seit längerem schon als möglicher Kronprinz gehandelte 52jahrige hat bislang freilich keinen Beweis dafür geliefert. ImGegenteil: Sein Name steht im Zusammenhang mit den Ereignissen um die Zionskirche in Ost Berlin, wo es Ende 1987 zu Durchsuchungen und vorläufigen Festnahmen gekommen war. Es war auch der stramm auf Honecker-Kurs agierende Krenz, der die blutige Unterdrückung der Reformen in China seinerzeit be sonders enthusiastisch begrüßt hatte. Kein Wunder also, daß u.a. in Kreisen kritischer Bürgergruppen die Wahl von Egon Krenz mit Zurückhaltung und Mißtrauen aufgenommen wurde. Die Mitinitiatorin des „Neuen Forums", Bärbel Bohley, reagierte sogar eher enttäuscht auf die Nachricht. Erste Reaktionen des politischen Westens strotzen auch nicht gerade von euphorischem Überschwang.
Aber auch in andere Ostblockstaaten ist in jüngster Zeit Bewegung geraten; Krenz ist, nicht zuletzt von seinem eigenen Volk, bedrängt, überzeugende Antworten auf die Forderungen nach Bürgerbeteiligung, Informationsfreiheit, Meinungspluralismus und Sicherheit vor Behördenwillkür zu geben. Worte, die üblichen Unverbindlichkeiten reichen da nicht, Taten müssen folgen. Mit dem Auswechseln von Köpfen an der Staats- und Parteispitze al lein ist es auch nicht getan, wenn gleichzeitig gedankliche Betonbarrieren weiterhin parlamentarische Demokratie verhindern um des bloßen Erhalts des Macht- monopols willen. Auch für Krenz gilt Gorbatschows unlängst in Ost-Berlin so vorausschauend gesagter Satz: „Wer sich nicht bewegt, den bestraft das Leben".Will er die DDR nicht noch mehr entvölkern, die Menschen dort nicht noch mehr demoralisieren und demotivieren, dann bleibt ihm unterm Strich nur eine Möglichkeit: das Land öffnen womit nicht nur die Grenzen gemeint sind. ULRICH JUNG
Der Beton bröckelt (erschienen 13. 10. 1989)
Der Beton bröckelt und SED-Staatsratsvorsitzender Erich Honecker scheint politisch mausetot. So hat sich Gorbatschows vorige Woche zur DDR-Jubelfeier hintergründig ausgesprochener Satz: „Wer zu spät reagiert, den bestraft das Leben" offensichtlich schneller als erwartet, ja, als erhofft verwirklicht.
Und doch ist überschäumende Euphorie fehl am Platze. Das verbale Einlenken einiger Hardliner, so begrüßenswert es auch grundsätzlich sein mag, hat im Äugenblick eher den Wert von vorsichtigen, optischen Retuschen, die die aufgebrachten Massen beruhigen sollen, ohne daß man sich freilich auf allzu Konkretes festlegen will. Die teilweise hehren Formulierungen des Politbüros signalisieren allenfalls eine erste Nachdenklichkeit, die aber kaum aus innerer Einsicht, sondern unter dem Druck der wachsenden Opposition hüben wie drüben und selbst in den eigenen Kaderreihen zähneknirschend geboren wurde. Unmißverständliche Reformbestrebungen der DDR-Führung oder gar der Beginn eines Kurswechsels sind jedenfalls nicht erkennbar.
Immerhin: Ein bißchen Hoffnung wenigstens auf irgendwann einmal greifbare Veränderungen hinter der wackelnden Mauer ist erlaubt. Es wird, ein paar Tage nur nach der Gorbatschow-Visite im unfreien Teil Deutschlands, deutlich, daß der Kreml-Chef wohl mit seinem greisen OstBerliner Statthalter wie auch mit dessen Getreuen Tacheles geredet haben muß mehr, als zu bekennen er in der Öffentlichkeit bislang bereit war.Ein weiterer, die Nachdenklichkeit wahrscheinlich beflügelnder Faktor dürfte dazu die hanebüchene, der Realität vollkommen enthobene Jubel-Rede Honekkers gewesen sein, die bei vielen nicht nur im Westen ein mitleidiges Kopfschütteln hervorrief. Damit hat sich Honecker vollends aus der politischen Laufbahn katapultiert, beschleunigt durch den anhaltenden Aufschrei Menge.
Jetzt will das Politbüro Erklärungen zur wirklichen Lage; sie führen ihn nachgerade vor, was es so in der DDR noch nie gegeben hat.
Gorbatschow hat sein Credo von Glasnost und Perestroika hinterlassen. Ob die in die Betonköpfe gebrachten Gedanken fruchten, ob das Pflänzchen Hoffnuna jetzt politisch gedüngt oder am Ende zertreten wird, das dürfte sich in der nahen Zukunft entscheiden wohl ohne Honekker.
Wie sich der Prozeß in der DDR aber tatsächlich entwickelt, hängt nicht zuletzt vom Verhalten der Oppositionellen dort ab. Es gibt bereits warnende Stimmen, die gewalttätige Auseinandersetzungen befürchten, weil es den Menschen zu langsam vorangeht. Die Lunte liegt, trotz der soeben angedeuteten Dialogbereitschaft, immer noch gefährlich glimmend am prallgefüllten Pulverfaß. Ein Funke reicht, um es zum Zerbersten zu bringen. Das Politbüro nämlich sieht seine Felle davonschwimmen, und es wird das Machtmonopol, von dem abzurücken die Apparatschiks nicht einmal zwischen den Zeilen der jüngsten Erklärung ansatzweise bereit sind, notfalls mit dann brutaler Gewatt zu erhalten suchen.Das allerdings wäre ein empfindlicher Rückschlag für die Reformbemühten in der DDR, aber auch für diejenigen in Polen, Ungarn oder der Sowjetunion ein Rückschlag mithin auch für die keimenden Hoffnungen in der demokratischen Welt.
Aber insbesondere auch die Bundesrepublik Deutschland täte gut daran, nun äußerst zurückhaltend die Bewegungen in der DDR zu beobachten. Das Gerede um Grenzen und Wiedervereinigung wäre im Augenblick ebenso Wasser auf die Mühlen der Starrsinnigen in Ost-Berlin wie womöglich hämisches Geschwätz unter dem Motto: Jetzt werden die kleingemacht... ULRICH JUNG
Schlagstöcke (erschienen am 9. Oktober 1989)
Nach den peinlichen Jubelfeiern Schlagstöcke und Schreie. Wer aufmuckt, wird brutal niedergeknüppelt; wer auf die Straße geht, um seine Sehnsucht nach Freiheit und Menschlichkeit, nach Mündigkeit hinauszuschreien, der ist ein vom Westen gesteuerter „Randalierer". Noch deutlicher konnte das versteinerte DDR-Regime der Weltöffentlichkeit sein stures Festhalten am eingemauerten System kaum präsentieren.
Zum 40. Geburtstag klafft die Schere zwischen SED-Parolen und trauriger Realität im unterdrückten Volke weiter auseinander denn je.
Wenn Honecker im Angesicht von Massenexodus und den schwersten Demonstrationen seit dem Aufstand des 17. Juni 1953 gar noch eine Bestätigung dafür findet, daß „die Existenz der sozialistischen DDR ein Glück für unser Volk ist", dann wirkt das nur noch lächerlich und den Tatsachen völlig entrückt. Gorbatschow mag am Ende vielleicht kopfschüttelnd aufgeatmet haben trotz aller tiefer Besorgnis um das Geschehen in seinem Vorposten zum Westen, als er wieder das Flugzeug nach Moskau bestieg.Er hat, wenn auch vorsichtig und meist indirekt, seine Meinung gesagt und durch seinen Auftritt in Ost-Berlin dokumentiert, daß es zwei Welten waren, zwei politische Generationen, die da am Wochenende nebeneinander „feierten": Der Reformer und Hoffnungsträger, dem die Selbstbestimmung eines Volkes einiges bedeutet; und der Uneinsichtige, der ideologisch Verbohrte, der sich um zunehmende Bürgerproteste absolut nicht schert und offensichtlich nicht wahrhaben will, daß er und seine vergreiste Riege vor dem Scherbenhaufen einer die Freiheit knebelnden Politik stehen.
Sie stemmen sich weiter gegen den Wind, der unaufhaltsam, von Gorbatschow initiiert, mit Glasnost und Perestroika über ganz Osteuropa weht, während ihnen die Jugend, die Zukunft mithin, in Scharen davonrennt und im Innersten erstmals Zigtausende ihre Sprachlosigkeit verlieren. Polizeiknüppel und Stasi-Schergen halten eine wachsende Opposition nicht mehr davon ab, den Aufstand zu proben. Die junge Generation, Kinder der DDR immerhin, hat die Nase voll. Sie blickt nach Polen und Ungarn, wo der Kommunismus zerbröckelt ist und der risikoreiche Weg hin zum Umschwung gewagt wird.
Wie sich doch die Bilder gleichen damals Polen, als sich die „Solidarität" formierte und den unfähigen Staatsapparat zu Fall brachte, gestern Ungarn, das von Reformkräften zur Abkehr vom Kommunismus und zum Übergang in einen demokratischen Sozialismus gezwungen wurde; heute die DDR, die zwar an allen Grenzen abgeschottet und im Innersten politisch verfault ist, von sich formierenden Oppositionsgruppen aber zu Reformen gedrängt werden wird.
Keiner weiß heute, wie lange dieser Prozeß dauern und welche Dramatik bis dahin diesen Staat noch erschüttern mag.
Das vergangene Wochenende war erst ein neuer, jäher Höhepunkt der voranschreitenden Umwälzung. Und SED-Chef Honecker hat seine wahrscheinlich letzte Chance verpaßt, am 40. Jahrestag wenigstens einen vorsichtigen Willen zum Neuanfang zu bekunden. Er hätte sich ein Denkmal setzen können.Jetzt aber wird Honecker sich selbst etwas vormachen, wenn er, wie hierzulande vermutet, in Kürze Ausreisewillige, sprich: unbequeme Bürger ziehen läßt. Die Zahl derer nämlich, die dableiben und ihre Heimat von innen her reformieren wollen, wächst von Tag zu Tag. In gleichem Maße schrumpfen seine Möglichkeiten, das Ruder herumzureißen; das werden, und da gleichen sich auch die Bilder zur Sowjetunion, nachdem Gorbatschow antrat, seine Nachfolger besorgen. Womöglich viel eher, als sich das der alte, kranke Mann an der Spitze der DDR-Führung im Augenblick vorzustellen in der Lage ist. ULRICH JUNG
Hoffnungsträger (erschienen 7. 10. 1989 zum Gorbatschow Besuch in der DDR)
Am Ende war es dann doch nicht ganz so, wie die meisten politischen Beobachter vorausgesagt hatten: Michail Gorbatschow vermied zwar in Ost-Berlin zumindest bei seinen öffentlichen Auftritten allzu deutliche Worte, die als klare Mißbilligung gegenüber der DDR-Staatsführung und damit als berechtigter Hoffnungsschimmer für die gespannt Abwartenden nicht zuletzt in der DDR selbst zu interpretieren gewesen wären. Immerhin aber mögen ein paar geschickt formulierte Andeutungen außerhalb des Protokolls und am Abend bei seiner Begrüßungsrede den aufmerksamen Zuhörern ansatzwelse das erkennbar gemacht haben, was Gorbatschow im Innersten wirklich über die dramatische Situation seines Bündnispartners denkt. Auf die Frage eines Reporters meinte er beispielsweise: „...ich bin sicher, daß jedes Volk selbst bestimmen muß, was aus ihm wird. Wir kennen unsere deutschen Freunde gut, ihre Fähigkeit, nachzudenken und vom Leben zu lernen und in der Politik entsprechende Korrekturen zu machen, wenn es nötig ist." Ihn jedenfalls könne nichts mehr in Erstaunen versetzen. „Gefahren warten nur auf jene, die nicht auf das Leben reagieren". Und bemerkenswerterweise fügte er hinzu: Wer die Impulse, die von der Gesellschaft ausgingen, aufgreife und seine Politik gestalte, der dürfe „keine Angst vor Schwierigkeiten haben".
Das wenigstens ging in Richtung Erich Honecker. Ansonsten übte der Kreml-Chef eher ziemliche Zurückhaltung. Aus wohl letztlich politisch-strategischen Erwägungen.Den Sowjets, daraus machte jüngst erst auch Eduard Schewardnadse in einer Rede vor der Uno-Vollversammlung kaum einen Hehl, geht es zuerst einmal um ihre eigenen Interessen. Und die verlangen aus Sicht des Kremls die Beibehaltung des Status auo. der die sowjetische Machtstellung in Europa garantiert. Schewardnadse betonte damals das grundsätzliche Prinzip, ,,wonach es jedem Bruderland freisteht, den Sozialismus in seinen Landesfarben auszugestalten". Damit liegt er ganz auf der Linie Gorbatschows. Dieses Prinzip freilich wäre sehr wohl auch für die DDR dehnbar, wie die geduldeten Umgestaltungen Polens oder Ungarns zeigen. Auch Schewardnadse meinte damals, „wir sehen nichts Bedrohliches darin, daß in Übereinstimmung mit dem Willen des polnischen Volkes eine Koalitionsregierung gebildet wurde".
Bis es allerdings hinter der Mauer zu Umwälzungen a la Polen kommen kann, ist es ein langer, steiniger Weg. Die DDR nämlich hat (noch) nicht die starken Oppositionskräfte, wie Polen mit der „Solidarität", und der Reformflügel innerhalb der Staatsführung, der Veränderungen von oben zu betreiben gewillt und in der Lage wäre, wachst gerade erst einmal vorsichtig heran.
Solange aber diese Voraussetzungen nicht geschaffen sind, bleibt die DDR wohl „Die Demoralisierte Republik", wie eine deutsche Wochenzeitung soeben trefflich titelte, die mithin am weitesten westwärts hinausgeschobene Bastion des Kommunismus im schlechtesten Sinne.Hinzu kommt für die Sowjetunion, daß die DDR weiterhin als wichtigster Lieferant des wissenschaftlich-technischen Wissens gilt, mit dem Gorbatschow seine Industrie und Wirtschaft befruchten muß, will er die Abrüstungspläne schneller vorantreiben und im wirtschaftlichen Weltmaßstab nicht noch weiter absacken.
Honecker wies seinen großen Bruder nicht umsonst in letzter Zeit immer wieder auf diese Verflechtungen hin und wucherte mit dem wirtschaftlichen Pfund auch politisch.
Seit Gorbatschow aber die Fäden zum Westen enger knüpft und dem SED-Apparat jene Menschen zu zig Tausenden davonlaufen, mit denen erst ein technisch-wissenschaftliches Potential zu erarbeiten wäre, könnte über kurz oder lang dieser Trumpf verspielt sein.
Wie auch immer: Von den „Jubelpersern", die zum Fähnchenschwingen abkommandiert waren, einmal abgesehen, die „Gorbi-Gorbi-Rufe", das „Hilf uns" aus den Reihen der trotz Flüchtlingswelle in der DDR Gebliebenen werden hoffentlich auch dem sowjetischen Hoffnungsträger wie ein Schrei nach Reformen geklungen haben. Heute hat er mit seinem Statthalter Honecker ein Vieraugen-Gespräch. Und vielleicht wird er diesem dann ein paar unbequeme Wahrheiten ins Gästebuch schreiben, womöglich damit eine neue Seite in den Geschichtsbüchern aufschlagen.
Irgendetwas nämlich muß nach den Jubelfeiern wirklich geschehen, damit das Pulverfaß hinter der Betonmauer nicht auseinanderkracht.
Die von politischem Starrsinn und verbalen Geschützen gegen die Bundesrepublik Deutschland geprägte „Feiertagsrede" Honeckers am Abend brachte allerdings auch nicht ansatzweise einen Anhaltspunkt selbst für die kleinste Veränderung im mittlerweile abgeschotteten unfreien Teil Deutschlands. Er hat damit einmal mehr deutlich gemacht, daß er der Realität vollkommen entrückt ist und im Traum nicht daran denkt, Perestroika zu versuchen. Honecker hat seinen Kurs nicht nur bekräftigt, er hat ihn zementiert.Um so wichtiger die Rolle Gorbatschows. Er sollte sein politisches Gewicht in die Waagschale legen, um wenigstens Tendenzen hin zum greifbar Besseren spürbar werden zu lassen. ULRICH JUNG
Alle sind wir jetzt gefordert (erschienen zum 3. Oktober 1990)
Es ist endlich, endlich soweit; ein Traum wurde wahr.
Nicht einmal zwölf Monate nach der unblutigen Revolution hinter Stacheldraht und Schandmauer ist Deutschland wieder eins. Der Spitzelsstaat, der, den Begriff Demokratie zynisch im Namen führend, vier Jahrzehnte lang seine Bürger schikanierte und drangsalierte, der mit seinem Gespenst vom real existierenden Sozialismus millionenfach Lebensglück und Menschen zerstörte, Wirschaft und Natur in Grund und Boden ruinierte, hat aufgegehört zu existieren.
Man möchte lauthals Gott danken und den bekannten wie unbekannten Persönlichkeiten, die dies ermöglichten: Einheit in Freiheit, das Ende von Angst und Schrecken für unsere Landsleute. Wer hätte vor einem Jahr nur oder überhaupt noch daran zu denken gewagt?
Es ist, als ob seit den denk- würdigen Novembertagen 1989 ein Ruck durch die Welt gegangen wäre. Kommunis mus und Sozialismus (auch wenn ihm manche heute - wie denn wohl? ein menschliches Antlitz verpassen wollen) verschwinden nach und nach auf dem Müllhaufen der Geschichte. Wahr gelebte Demokratie statt Marx und Murks, das Volk hat entschieden, und viele Völker auf der Welt werden sich noch so entscheiden. Der Prozeß des Wandels ist programmiert, nicht zuletzt, vielleicht sogar vor allem durch den friedlchen Aufstand der DDR-Bürger im vorigen Herbst.
Gorbatschow, zum Beisspiel, hat schneller begriffen als andere, auch hier bei uns im Westen: Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben. Ohne ihn, ohne seinen, wie die FAZ formulierte, „Eingriff in das Rad der Geschichte" wäre es anders gekommen; höchstwahrschein- lieh, zumindest, wäre die Be- freiung vom Terror des Stasi- und SED-Regimes nicht so friedlich über die Bühne gegangen.
Mit dem 3. Oktober 1990 ist die Vereinigung natürlich nur auf dem Papier vollzogen. Jetzt muß erst noch zusammenwachsen, was zusammengehört, jetzt müssen wir uns aneinander gewöhnen, uns akzeptieren und lernen, daß 40 Jahre Teilung in zwei völlig unterschiedliche Gesellschaftsstrukturen mehr bewirkt haben als allein Nachholwünsche für Autos, Fernseher oder Videorekorder.
Unsere Landsleute wurden nicht nur von den hierzulande selbstverständlichen Wohlstandströgen ferngehalten, das unmenschliche System hat den meisten auch Geist und Seele eingesperrt, sie zutiefst mißtrauisch gemacht, zu gedeckelten Menschen voller Komplexe.
Wer sich in den letzten Monaten. „drüben" umsah, wird das mehr als deutlich gespürt und dann auch verstanden haben, was 40 Jahre Sozialismus zurückließen.
Aber auch vor allem natürlich neugieriger Lebensmut, optimistischer Tatendrang und ein befreites Durchatmen prägen unsere neuen Mitbürger. Gute, ja beste Voraussetzungen, das Trauma DDR hoffentlich so bald wie möglich zu überwinden und Eigenschaften mithin, die manchem Satten hier ganz gut zu Gesicht stünden.
Wer eine neue Epoche mit sturer Kleinkariertheit beginnt oder mit Pseudointellektuellem Gehabe (aus lauter Trauer darüber, daß Honecker & Co. nicht mehr an den Schalthebeln der mißbrauchten Macht wirken), der wird auch eingeholt und irgendwann einmal vom Leben bestraft werden.
Nicht das Schüren von Neid und Haß und das eifrige Pflegen einer bei uns oftmals zelebrierten Weinerlichkeit sind das Gebot der Stunde, sondern Ärmel aufkrempeln und mitanpacken, damit das uns von der geschichtlichen Entwicklung vor die gemeinsame Tür gelegte Aufgabenpaket zum Wohl aller bewältigt werden kann.
Mit dem 3. Oktober verschwindet aber nicht nur das kommunistische Deutschland von der Bildfläche, sondern auch jenes Westdeutschland, das seit dem Zweiten Weltkrieg unter die Fittiche der Siegermächte genommen wurde, also das provisorische Deutschland. Den einen oder anderen Nachbarn mag das erschrecken.
Wenn in Frankreich beispiels- weise auf Befragung 48 Prozent 5 spontan Hitler als Persönlichkeit | einfällt, denken sie an Deutschland (nur 25 Prozent nannten Kohl), dann ist das bezeichnend. Aber es ist auch ein Hinweis dafür, daß von hier aus noch sehr viel zu tun übriggeblieben ist, um das Bild von uns geradezurücken und auch die letzten Ängste abzubauen. Das Vorgehen der Bundesregierung, ganz vorne wäre in diesem Zusammenhang Außenminister Genscher zu nennen, hat in dieser Richtung gerade in den letzten Monaten sehr viel Vertrauensarbeit geleistet und quasi das I-Tüpfelchen auf die deutsch-deutsche und die Ost-Politik der Bundesregierungen zuvor gesetzt. |
Dieser 3. Oktober ist wieder ein historisches Datum, eins von so vielen, wie sie uns der Wandel jüngst bescherte. An uns allen letztendlich liegt es jetzt, was aus der Vereinigung Deutschlands eines Tages einmal wird. Viele Vorzeichen vor allem die Wirtschafts-Daten stehen positiv da und hoffnunggebend wie selten; negative Auswirkungen, ganz besonders in den neuen Ländem, werden sich umkehren. Nicht von heute auf morgen; was 40 Jahre lang von den Kommandounternehmen Ulbrichts und Honeckers zusammengehauen wurde, kann nicht in ein paar Wochen oder Monaten auf Vorder mann gebracht werden. Das wird schon ein paar Opfer kosten. Und die existenziellen Sorgen vieler Mitbürger in den fünf neuen Ländern können und sollen nicht vom Tisch gelogen werden. Aber wir sollten uns nicht von denen verrückt machen lassen, die zwei deutsche Staaten lieber gesehen hätten und die jetzt durch die Lande ziehen und Unfrieden säen. Niemand braucht Angst zu haben, demnächst wegen der Einheit darben zu müssen.
Ein bißchen mehr guten Willen und Bereitschaft von uns, die wir nach dem Zweiten Weltkrieg auf der Wirtschaftswunder-Seite Deutschtands leben durften, würde den Aufbauprozeß enorm beschleunigen. Es funktioniert nur mit allen gemeinsam, das neue, das endlich vereinigte Deutschland. ULRICH JUNG (Fortsetzung der Serie folgt)
Dienstwagen
Dienstwagen geklaut, Urlaub im Eimer. Und nun hat sie auch noch eine dicke Affäre am Hals; ausgerechnet im Wahlkampf. Gesundheitsministerin Ulla Schmidt liegt im Fettnäpfchen, das sie sich selber aufgestellt hat. Lässt ihren gepanzerten Dienstwagen über 2400 Kilometer in ihren Urlaubsort nachkommen (inkl. Fahrer und, wie es in spanischen Zeitungen heißt, sogar dessen Familie) – sie selbst fliegt mit dem Flugzeug. Vor Ort hätte sie, heißt es aus dem Ministerium, privat einen Mietwagen zur Verfügung, die gepanzerte Limusine aus Berlin bräuchte sie für wichtige Termine, dienstliche versteht sich. Welche das sind, kommt ziemlich stotternd. Einer nur ist konkret: Ein Vortrag in der Deutschen Botschaft zum Thema Gesundheitsversorgung von in Spanien lebenden Deutschen. Der Eindruck kann nicht weggewischt werden, die Ministerin will sich wohl nur wichtig machen. Da ist sie, wie politische Beobachter allesamt bestätigen dürften, bei Leibe nicht allein.
Hätte sie zu diesem ach so wichtigen Vortrag nicht auch mit dem Mietwagen fahren können? Oder hätte es nicht auch ein Botschaftsauto getan, wie es bei den meisten Ministerbesuchen nicht unüblich ist.
Mag ja sein, dass die ganze Kiste juristisch unanfechtbar abläuft. Aber dennoch hat es Geschmäckle. Einem normalen Wähler einreden zu wollen, die Dame müsse natürlich im gepanzerten Wagen zu solch aufregenden Auslands-Terminen chauffiert werden, dürfte sehr schwer, besser: unmöglich sein. Der Wähler wendet sich höchstens einmal mehr ab, staunen wird er wohl nicht mehr. Denn zuviel Geschichten dieser Art haben sich unsere Erwählten in der Vergangenheit geleistet.
Wie sagte doch der Präsident der Freien Ärzteschaft, Martin Gauduszus? „Eine Ministerin, die nicht müde wird, auf angeblich korrupte Ärzte hinzuweisen, kann sich keinesfalls erlauben, auch nur den Hauch eines Verdachts auf Missbrauch von Steuergeldern auf sich zu ziehen“. Der Mann hat recht! Aber ob es Ullalla Schmidt stört? Eher nicht. Die Forderung nach ihrem Rücktritt erledigt sich vielleicht ja auch von selbst, nach dem 27. September.
ULRICH JUNG
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