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    TV-Duell Trump/Biden
    Unverschämtheit
    Peinlich, diese Bewertung wäre wohl allzu zu schwach, wenn man den TV Auftritt Trump/Biden analysiert. Wie sich der mächtigste Mann der Welt live vor Millionen Menschen aufgeführt hat, war schlicht und ergreifend eine Unverschämtheit – seinem Kontrahenten gegenüber (der freilich nach dem abgewandelten Motto: Wie man in den Wald hinein schreit, so schreit’s zurück, auch nicht gerade vorbildlich agierte) -, aber auch vor allem den Amerikanern, den Wählern gegenüber.
    Bleiben wir bei Trump. So ein wildgewordener Trampel, so ein Clown, wie Biden richtig sagte, will weitere vier Jahre Amerika, ja, die Welt drangsalieren mit seinen hanebüchenen Sprüchen, seinen exzessiven Lügereien und seiner täglich präsentierten Unfähigkeit? Kaum zu glauben, dass er das schafft.
    Und doch. Betrachtet man sich die Vielzahl der Kommentare nach dem TV-Duell – weltweit -   dann stehen seine Chancen wahrscheinlich nicht einmal schlecht. Dann könnte der fürchterlichste  US-Präsident seit Generationen tatsächlich im November weiter das Weiße Haus besetzt halten.
    Grauenhafte Vorstellung; nicht nur mit Blick auf die USA, die freilich demokratisch selbst entscheiden müssen, sondern auch mit Blick auf die ganze Welt. Denn was denkt sich das Trump’sche Hirn noch alles aus, um womöglich sogar den Weltfrieden auch noch zu zerstören?
    Dieses erste TV-Duell vor den US-Wahlen war erhellend und (nicht unerwartet)  enttäuschend. Erhellend, weil jedem eigentlich klar werden musste, dass da ein armseliger Möchte-gern-Präsident seine primitive Schau abzog, um Wähler einzufangen. Enttäuschend, weil sich ernsthafte Beobachter, Wähler allemal, um politische Zukunftsprogramme geprellt sehen.                                                                                                          ULRICH JUNG    



    „Jetzt gucken wir mal...“
    Sprachblähungen
    Irgendeiner fängt damit an, und plötzlich hört man es überall – besonders im Fernsehen und Rundfunk. Sprachblähungen, die, ihrer ständigen Präsenz wegen, richtig an die Nerven gehen.Jüngste Beispiele, die neuerdings auffallen: „Wir blicken jetzt nach Australien..., Wir gucken auf die A3 (oder: auf die Straßen)... Jetzt gucken wir auf die Royals..., Wir gucken auf die Prominenz..., „Wir gucken auf den eskalierenden Konflikt im Iran“... Zum Schluss ein Blick aufs Wetter.“Und so weiter, und so fort. Die Moderatoren und -innen gucken und blicken für uns in die Welt, ins Weltgeschehen, in die Schlafzimmer, in Promitempel und in den Nebel - und lassen uns mitgucken und mitblicken.Frühere gequälte Sprachblähungen, wie sie häufig auch heute noch das Publikum quälen, gerne aus den politischen Kreisen: „Ein Stück weit...“, „Am Ende des Tages...“.Sagt alles nichts, aber heiße Luft in der vergewltigten Sprache scheint sich wie die Erwärmung der Erde quasi als Schneeballsystem zu verbreiten – mit Hilfe von Lautsprecherinnen und Lautsprechern, die sich gerne reden hören. Und die anderen, die Nachplapperer, wollen mitreden. Auch das Internet hilft da jedem Schwätzer, die jeweils angesagte Sprachblähung zu finden und weiter zu verbreiten. ULRICH JUNG




    Helau, Alaaf!!
    Oder: Haben wir 'se noch alle? 
    Zuerst nahm man sich die Ulknudel  Stelter vor, weil er sich lustig machte über Doppelnamen. Eine Zuschauerin  hatte ihn während seiner Vorstellung medienwirksam (für sie) in den Senkel gestellt. Und nun trifft’s die neue CDU-Vorsitzende und Doppelnamträgerin Kramp-Karrenbauer. Warum? Was hat sie gesagt?
    "Guckt euch doch mal die Männer von heute an. Wer war denn von euch vor kurzem mal in Berlin, da seht ihr doch die Latte-Macchiato-Fraktion, die die Toiletten für das dritte Geschlecht einführen. Das ist für die Männer, die noch nicht wissen, ob sie noch stehen dürfen beim Pinkeln oder schon sitzen müssen. Dafür – dazwischen – ist diese Toilette."

    Annegret Kramp-Karrenbauer vor dem Stockacher Narrengericht Aus der Politik bekam sie für den Witz teils heftigen Gegenwind.
    Der Kölner Bundestagsabgeordnete Jens Lehmann von den Grünen schrieb auf Twitter: "Hallo Frau Kramp-Karrenbauer, haben Sie es wirklich nötig, für einen billigen Kalauer sich auf Kosten von inter- und transsexuellen Menschen lustig zu machen? Wenn ja, dann wäre das wahnsinnig peinlich"

    Der linke Senator für Kultur und Europa aus Berlin Klaus Lederer schrieb: "Ja, es ist wirklich ein Trauerspiel. Die Vorsitzende der größten Bundestagspartei findet es lustig, auf Stammtischniveau am Karneval Menschen zu denunzieren, die nicht der geltenden Machonorm entsprechen. Ein Jammer."

    Und der FDP-Bundestagsabgeordnete Jens Brandenburg meinte: "Wieder so ein Tag zum Fremdschämen… Ist es so schwierig, eine humorvolle Narrenrede zu halten, ohne platt auf Minderheiten einzudreschen? Sie muss ihre blanke Ahnungslosigkeit ja nicht ganz so zur Schau stellen". Humorvolle Narrenreden ohne auf platte auf Minderheiten einzudreschen… Ei, das gab’s eigentlich noch nie. Vor allem waren es meist die Männer. Die Suffköppe und Krakeler. Die Frauen-Niedermacher. Aufregung? Null. Jetzt hauen se druff. 
    Also jetzt: Alles super! Unsere gentrifizierte Republik hat keine anderen Sorgen. Offensichtlich. Karneval ist überall, auch im Berliner Narrenhaus (genannt Politik) Deutschland.   Helau! Und Alaf. Am Aschermittwoch ist das längst nicht vorbei.                                                                                           Ulrich Jung

                                                                                                                 ULRICH JUNG

 

WAS FÜR EINE WELT

Trump, Erdogan, Orban, das Babyface aus Nord-Korea, die Korruptis aus Afrika, die Radikalinskis in Deutschland und Frankreich, und, und, und. Es kracht und demonstriert und protestiert voller Gewalt an allen Ecken, auch, und für uns besonders spürbar, in Europa. 

Überall Einschläge, die EU, so sieht es aus, zerfällt langsam, aber ziemlich sicher, die Welt ist in Aufruhr wie lange, lange nicht mehr. Überall glimmt und brennt es. Und Otto und Ottilie Normalbürger sind verunsichert, die täglichen Nachrichten, der inzwischen auch hier angekommene Terror,  schockieren und verängstigen.  

Was für eine Welt!


Und die Politik? Unsere Politiker? 

Reden alle Probleme schön, wiegeln ab, tun so, als ob sie alles im Griff hätten. Deutschland führt in Europa… Haben sie aber nicht, wohl nur ein Beispiel zeigt das: Der Fall des Bundeswehroffiziers, der als Asylbewerber sein Unwesen trieb und durch alle Maschen kam, die der Staat als Sicherheitsnetz errichtet hat. Als ob ein dreister, krimineller Deutscher es den Behörden mal zeigen wollte, wo ihre Grenzen sind, wo sie mit Sicherheit versagen. Das hat er zumindest zeitweise geschafft. Eine Peinlichkeit, die auch das trotzige Auftreten zuständiger Behörden hierzulande nicht wegschwafeln kann. Eine verstörende Unglaublichkeit. 

Wie viel Tausende mögen so durch die Maschen deutscher Grenzer gerutscht sein 2015 wie der Oberleutnant aus Offenbach? Man darf nicht darüber nachdenken. 

Dass u.a. auch hier die Wurzel liegt für das Hochkommen der AfD, wäre zumindest überlegenswert. Verunsicherung, Angst, Sorge um Eigentum und körperliche Unversehrtheit – das ist nun mal der Stoff, aus dem Petry und Co. Ihr braunes Süppchen kochen.

Und doch, am Ende bleibt nach der Betrachtung des gesamten, derzeitigen Weltgeschehens, der Gedanke: Wie kann es sein, dass im 21. Jahrhundert, nach Kriegen und unmenschlichen Ereignissen, nach „Nie-Wieder-Schwüren“ Figuren wie die oben genannten die Macht bekamen, die Welt nach und nach zu zerstören?  Und aus der angeblich so starken Bundesrepublik kommen nur Floskeln und Wattebäuschchen, mit denen, verbal, gegen die Diktatoren und Despoten dieser Zeit geworfen wird.  

Ein im Wahlkampf medienwirksam in Szene gesetztes  „Wir müssen uns kümmern, wir müssen die Sorgen der Menschen ernst nehmen“, reicht nicht. Wirklich nicht. Und Wahlversprechen, die als das übliche Trallala so widerlich durchsichtig sind (wie die meisten), auch nicht. 

Deutschland, Europa, ja, letztlich die Welt brauchen keine Trumps, keine Erdogans, keine Babyfaces aus Nordkorea und keine afrikanischen Herrscher, die ihr Volk aussaugen (auf Kosten der Geberländer), wir brauchen ehrliche Politiker, die wissen, wie gefährlich es um die Welt steht und die ohne Eigennutz einen Untergang verhindern wollen. 

Wo gibt es die?                                                                                          ULRICH JUNG


Abducken und klug daher schwadronieren

Ja, so kennen wir das: abducken, heraushalten, aber klug daherschwadronieren.

Deutschlands Politik (nicht erst) nach dem US-Angriff in Syrien.

 Nicht erst seit voriger Woche. Immer schon. Seit sechs Jahren. Seit den Massakern in Syrien, wo der Alleinherrscher Assat sein Volk (und andere) in den Tod gast und bombt.

Der Mörder Assat, der gnadenlos Menschen dahinmeuchelt, macht munter weiter. Als ob die US-Warnung und die Raketen, ihn null interessierten.

Und wir Deutschen? Wir, die immer so medienwirksam und moralinsauer daherreden, wenn es um Menschenrechte und Leben und Krieg geht, Lichterketten anzünden? Wir gucken erschüttert Fernsehen, schalten um auf den Tatort – und unsere Politiker machen das, was sie immer machen: nämlich nichts!  Außer natürlich auch wichtig daherreden. Und sagen, dass jetzt endlich Einhalt geboten werden muss gegen das Massaker des „Herrn“ Assat.
Nur: Wie, das sagen sie nicht.


Interessant, dass ganz plötzlich die deutschen Friedensleute mal wieder mal auftauchen und sich zu Wort melden. Immer, wenn Amerika in den Schlagzeilen um Bomben und Terror steht, erwacht ganz plötzlich die Friedensbewegung.

Bei russländischen Verstößen gegen Menschlichkeit und Völkerrecht   - Schweigen im Walde.

Und: Wer geht eigentlich gegen die Giftgasanschläge des Herrn Assat auf die deutschen Straßen? Wo sind die Lichterketten? Wo die Trauer? Wo die Friedensleute? Keiner in Sicht!

Und unsere einschlägig für ihre pro-sowjetische Meinung  bekannten Politiker erzählen uns Geschichten, die ihnen ihre Freunde eingehaucht haben.

Und das kommt an beim Otto und der Ottilie Normaldeutsch. Irre!

Bloß raushalten, ein paar Millionen rüberschicken, das geht am einfachsten, das machen wir ja immer so, und ansonsten bloß nicht auffallen mit kessen Kriegssprüchen.

Das sollen gefälligst die Amerikaner besorgen… (Gegen die natürlich eben die Guten bei uns heftig wettern...).

  ULRICH JUNG





Wolfgang Bosbach

Klartext


Der für Klartext bekannte und nicht zuletzt deshalb allseits geachtete CDU-Politiker Wolfgang Bosbach bringt’s mal wieder auf den Punkt: „Wenn unser Bundespräsident zur Flüchtlingspolitik ebenso schlicht wie zutreffend anmerkt, ‚unser Herz ist weit. Aber unsere Möglichkeiten sind endlich!’,  dann gelten diese Sätze als klug und wegweisend. Wenn aber die CSU sagt, dass wir bei der Aufnahme von Flüchtlingen die Integrationskraft unseres Landes nicht überfordern dürfen, dann ist das faktisch dasselbe, gilt aber als Rechtspopulismus!“ 

Besser kann man die Scheinheiligkeit unserer meist auf hektischen Reflex programmierten Politiker und einer eifrig auf  political correctness bedachten Öffentlichkeit kaum beschreiben.                                                                                                                                            UJ



WOCHENCHRONIK

(vom 28. November bis 4. Dezember 2016)

Bäckerei sucht Mitarbeiter

Kein Interesse 

Eine Bäckereifiliale in Frankfurt sucht seit Monaten händeringend 3-4 Vollzeitkräfte; Alter und Vorkenntnisse egal. Die Mitarbeiter müssten belegte Brötchen vorbereiten und in der Küche helfen. Stundenlohn: brutto zehn Euro, also mehr als Mindestlohn. Außerdem dürfen die Mitarbeiter essen und trinken, was sie möchten und sich auch etwas mit nach Hause nehmen. Gemeldet hat sich bisher niemand. Arbeitslose, die vom Amt vorgeschlagen würden, kämen meist gar nicht erst zum Vorstellungsgespräch, sagt die Chefin.

Das wirft schon ein bemerkenswertes Bild auf Sozialstaat, Amt und Arbeitslose…
                                                                                                       ULRICH JUNG
 

  

Frau hinterm Auto hergeschleift

Unglaubliche Brutalität 

Ein ungeheuerliches Verbrechen schockt Hameln, lässt es jeden, der davon hört oder liest, kalt den Rücken herunter laufen. Ein 38Jähriger bindet offenbar nach heftigen Streitereien einer bereits von ihm mit Messerstichen drangsalierten Frau ein Seil um den Hals, befestigt dieses an der Anhängerkuppel und schleift die 28Jährige mit zum Teil bis 80 Stundenkilometer durch die Straßen. Nach 250 Meter löst sich das Seil von der Kuppelung und die Frau bleibt schwerverletzt auf dem Gehsteig liegen. Passanten rufen den Notarzt, ihr Leben wird (vorerst) gerettet. Die Frau liegt mit dem Tode kämpfend im Koma, der Täter stellt sich. Opfer und Täter entstammen zwei Großfamilien, waren laut Staatsanwaltschaft mal liiert und haben ein gemeinsames, zweijähriges Kind, das übrigens mit im Auto saß und das Verbrechen mit ansehen musste.

Was ist los mit einer Gesellschaft, die so eine Brutalität hervor bringt?

Einer gerade veröffentlichten Statistik des Bundeskriminalamts zufolge kamen im Jahr 2015 insgesamt 331 Menschen in Deutschland bei Beziehungstaten ums Leben. Diese Zählung beinhaltet Mord, Totschlag, sowie Körperverletzung mit Todesfolge. Etwa 80 Prozent der Opfer sind weiblich.

Wir hören in letzter Zeit immer viel von Werten, die unseren Rechtsstaat auszeichnen und die es zu erhalten gelte. Betrachtet man aber u.a. in den Tageszeitungen die täglichen Grausamkeiten nicht nur in aller Welt, sondern auch bei uns quasi vor der Haustür, dann überkommt einen zunehmend die Sorge, dass es eine stärker werdende Minderheit nicht allzu ernst nimmt mit den Werten und der Rechtsordnung.      ULRICH JUNG

  

 
Shariah-Polizisten“ frei

Was für ein Signal 

Salafisten warfen sich Westen um mit dem Schriftzug „Shariah-Polizei“, ziehen durch Wuppertal und wollen junge Muslime zum wahren Glauben bekehren: Kein Alkohol, keine Freuden. Sie werden festgenommen und angeklagt, jetzt sprach ein Gericht sie im Namen des Volkes frei.

Was für ein Signal für die salafistische Kommune. In Deutschland ist halt prächtig leben. Und die Politik wundert sich, wenn immer mehr den Glauben an den Rechtsstaat verlieren, sich unsicher fühlen und abwinken, wenn Schönredner die Realität mit rosa Farben zukleistern. In diesem Zusammenhang gibt zu denken, wenn der Polizeigewerkschafter Wendt warnend den Finger erhebt. Wie frustrierend muss es auch für Polizisten sein, die beispielsweise Täter am Tag mehrfach festnehmen und mit dem Schreiben ihrer Protokolle jeweils nicht nachkommen, weil freundliche Richter sie gleich wieder frei lassen?

Der Rechtsstaat verstört manchmal.                                  ULRICH JUNG

 

 

 

Lufthansa-Piloten streiken

Unverschämtheit 

Der Kranich bleibt am Boden, die Lufthansa-Piloten streiken. Mal wieder. Genauer: Zum 14. Mal (!) während der jehrelangen Tarifauseinandersetzung. Sie wollen mehr Geld.

Piloten tragen eine große Verantwortung, wohl wahr, sie sollen auch entsprechend bezahlt werden.

Werden sie übrigens, und zwar mit Luxus-Gehältern, die automatisch jedes Jahr um drei Prozent steigen. Von beneidenswerten Wohltaten ganz abgesehen. Das hätten andere auch ganz gerne – z.B. diejenigen Arbeitnehmer, die auf Lohnzuwächse oder sogar auf Teile ihres Gehalts verzichten, um den Arbeitsplatz zu erhalten.

Das permanente Streiken auf dem Rücken termingestresster Geschäftsleute oder Urlauber und dem von millionenteuren Verlusten für das vom Wettbewerb eh geknebelte Unternehmen ist vor diesem Hintergrund eine Unverschämtheit.                      ULRICH JUNG

 

 


WOCHENCHRONIK  Vom 14. bis 20.November 2016     

Top-Nachricht der Woche:



 

Auch das machte Schlagzeilen

Kein Aufschrei - nur Geschwurbel

Wo sind sie denn geblieben, die Friedensbewegten, die Gutmenschen und die, die der Welt ständig Moral predigen?

Im Angesicht von mutmaßlich Tausend Toten,darunter viele, viele Kinder, durch Giftgas ums Leben gebrachter Menschen, erstaunt es schon, dass hierzulande – ausgerechnet in Deutschland! – kein Aufschrei ertönt. Im Gegenteil: Beschwichtigungen allenthalben.

Aber wetten: In dem Augenblick, wenn die ersten US-Raketen gen Syrien fliegen, wird wieder Heulen und Zähneknirschen sein bei unseren Guten. Dann werden sie sich wieder abarbeiten an den Amis.


Deutschland macht sich lächerlich



Erpressung von der Leyen: Kanzlerin ist eingeknickt

Die Kanzlerin ist – auch -  in Sachen Frauenquote eingeknickt. Ursula von der Leyen hat ihre Chefin  und die CDU mit ihrem Hinweis, eine gesetzliche Regelung einzuführen zu wollen  und damit dem Antrag der Opposition zuzustimmen, quasi brutal erpresst. Herausgekommen ist ein Schaufensterkompromiss: 30 Prozent Frauenquote in großen Unternehmen ab dem Jahr 2020 ins Wahlprogramm schreiben – wenn wahrscheinlich längst niemand mehr der heutigen CDU-Strategen und -Strateginnen in verantwortlichen Ämtern ist. Von der Leyens Devise: Gesetzliche Regelung als Kompromiss oder den Bruch der Koalition wagen; und das mitten im Wahlkampfgetümmel für den Urnengang im September.

Die Kanzlerin, sonst nicht zögerlich, ihre Meinung durchzusetzen und notfalls hemmungslos Köpfe rollen zu lassen, (man erinnere sich an den letzten, Röttgen, den glücklosen Umweltminister) hatte kaum eine andere Wahl, als eine Rolle rückwärts zu machen – eben wegen der Bundestagswahlen. Sie hätte von der Leyen, die illoyale Ministerin, eigentlich umgehend entlassen müssen. Eigentlich. Wäre nicht Wahlkampf, hätte sie das sicherlich auch getan. 

So aber ist von der Leyen Siegerin in einem Krieg um Macht. Wer, wie die Arbeitsministerin, Kanzlerin werden will, muss halt auch die dafür notwendige politische Brutalität an den Tag legen. Die Derzeitige führt es ja gekonnt vor.  

Merkel steht jedenfalls ausgehebelt da, und die Frauen in der CDU werden sich die Frage stellen: Was gilt denn jetzt eigentlich? Das (ehemalige) Wort der Kanzlerin und der Familienministerin Schröder (Flexi-Quote), oder der jetzt erzwungene Kompromiss letztlich für den St. Nimmerleinstag? Ob letzteres der CDU bei der Wahl Frauen in Massen zutreibt, darf wohl bezweifelt werden. Und sowieso: Was zählt eigentlich bei der CDU noch ein Parteitagsbeschluss (Flexi-Quote)?

 Die Großkopferten entscheiden im Hinterzimmer… 

Dennoch: unterm Strich: Gefühlt 1:0 für von der Leyen. Was, sollte ihre Kalkulation in ein paar Jahren zur Abstimmung stehen, unterm Strich nicht unbedingt für die CDU förderlich sein dürfte.

   ULRICH JUNG

 

 



Recht auf Verschmutzung der Umwelt ist käuflich

Im Zusammenhang mit der Reform des EU-Emissionshandels tauchte jetzt in den Nachrichten eine bemerkenswerte Formulierung auf: „Verschmutzungsrechte“ ; ein Wortungetüm, das irgendwie so gar nicht in die Rettung der Welt vor dem Klimawandel passen mag.

Unternehmen können sich also das Recht (Zertifikat heißt das im Beamtendeutsch) kaufen, um die Umwelt mit CO2 zu verschmutzen.Das ist zwar nicht neu, nur der Begriff „Verschmutzungsrechte“ irritiert, wenn man Umweltschutz meint.

Nun ist der Preis für die Verschmutzungsrechte jüngst auf unter fünf Euro je ausgestoßener Tonne CO2 gefallen, das vielleicht gutgemeinte System droht somit zu kollabieren, der Beitrag zum Klimaschutz verpufft wie jetzt der Vorschlag der EU Kommission, 900 Millionen Emissionsrechte aus dem Markt zu nehmen, um den Preis in die Höhe zu treiben - auf mindestens 25 Euro je Tonne -, damit die Unternehmen lieber in umweltschonende , klimafreundliche Techniken investieren.

So lange man „Verschmutzungsrechte“ (auch noch) günstig kaufen kann, wird das mit der Rettung der Welt nicht so einfach. Und andererseits: „Markteingriffe“, wie u.a. der Bundesverband der deutschen Industrie den Vorschlag nach Verknappung der Emissionsrechte nannte, gehören natürlich nicht zum Prinzip der Marktwirtschaft. Ein Teufelskreis. Ökologie und Ökonomie - ein permanenter "Krieg"
                                                                                                                        ULRICH JUNG











Auch das noch: Staats-Prämien für Urlauber

Parlamentarische Sommerpause – und da kriechen sie, alle Jahre wieder, aus den hinteren Bankreihen hervor und rein in die Schlagzeilen. Neustes Sommerloch-Thema: Staatliche Prämien für deutsche Urlauber, die in Südeuropa, also etwa in Griechenland oder Spanien, ihre Ferien verbringen. Damit könnten Euro-Krisen-Länder ihre miserable Wirtschaftslage verbessern, heißt es von den mediengeilen "Politexperten", die auch mal das Füllhorn  ausschütten wollen.

Wir haben es ja. Hunderte Milliarden für marode Banken in Euroland und für alles, wenn  irgendwo in der Welt der Schuh drückt. Deutschland zahlt -  immer gerne; und lässt sich dafür dann auch noch beschimpfen.

Haben die Hinterbänkler eigentlich immer noch nicht kapiert, dass unsere Kassen leer sind und nur durch neue Schulden all das bezahlt werden kann, was wir uns als Wohlfahrtsunternehmen Deutschland leisten?

Und nun auch noch staatliches Urlaubsgeld? Rettungsschirme und Last-Minute-Prämien. Wäre es sommerlich heiß hierzulande und die Sonne schiene den Politikern aufs Hirn, wäre das vielleicht eine Erklärung für den hanebüchenen Unsinn. Oder haben Regen und Wind nicht nur, wie die Herrschaften in Berlin meinen, die Bürger an den Rand der Depression gebracht, sondern auch diejenigen, die endlich auch einmal in die Schlagzeilen wollen?  ULRICH JUNG 


Röttgen - vorgeführt

Röttgen hat sich dumm angestellt im NRW-Wahlkampf - keine Frage. Er hat auch niemals den Eindruck hinterlassen, dass er wirklich Ministerpräsident werden wollte oder - schlimmer noch - Oppositionsführer. Berlin war für ihn wichtiger. Er hat verloren - die Wahl, seinen Ruf als “Muttis Klügster” und Kronprinz, natürlich seine politische Karriere.
Er muss einem nicht leidtun; so ist halt Politik. Er hätte ja auch gleich am Wahl-Sonntag sagen können: Ich trete auch als Umweltminister zurück.
Das tat er nicht - und ließ sich danach vorführen.
Aber dennoch: Er, der Hoffnungsträger, wurde schlicht weg abserviert. Wie mit ihm umgegangen wird (wurde) ist bezeichnend für diejenigen, die uns tagtäglich vorsingen, wie wir uns zu verhalten haben. Vornweg die Kanzlerin, die sogar Europa sagt, wo es langgeht. Und nicht nur Norbert Röttgen wird zu spüren bekommen haben, dass Politik ein schmieriges Geschäft ist. Hilfestellung für die, die ihn abservieren wollten, kam da, nicht zu ersten Mal, aus Bayern.
Die Kanzlerin hat Röttgen keine Chance gegeben, sein Gesicht zu wahren. Wenn es um ihre Macht geht, geht sie über (politische) Leichen. Die Vergangenheit erzählt darüber hässliche Geschichten.
Wie lange sie das wohl durchhält?
Und nun Altmeier. Man fragt sich, ob der denn wohl Ahnung hat von Umweltschutz und dem ganzen Kladerada um die Energienwende. Dem selbsternannten wichtigsten Projekt der Regierung (der Kanzlerin). Hobbyumweltleute kann die hochgejubelte Energiewende wirklich nicht gebrauchen.
Kurzum: Am Beispiel Röttgen zeigt sich wieder einmal, wie jemand nach ganz oben gesungen und dann nach ganz unten fallen gelassen wird - von denselben Leuten!
Die Frage, warum sich so wenige Menschen, so wenige Jugendliche für Politik interessieren, beantwortet sich an diesem Beispiel von selbst.
ULRICH JUNG





Das letzte Fettnäpfchen?     (Wulff 6)

Irgendwie hatte man ja doch noch gehofft, der Ex-Bundespräsident würde auf die Sonderausstattungen – Büro, Mitarbeiter, Dienstwagen mit Fahrer – verzichten; im eigenen Interesse, um seinen eh arg lädierten Ruf nicht gänzlich zu ruinieren. Aber auch diese Peinlichkeit lässt er nicht aus, eine entsprechende Anfrage ist laut Zeitungsbericht jetzt beim Haushaltsschuss des Bundestages eingegangen.

Und somit wirft er sich bäuchlings in das (letzte?) Fettnäpfchen. 199 000 Euro „Ehrensold“ für den nun gänzlich Ehrlosen plus angenehmer Privilegien nach nicht einmal zwei Dienstjahren im Schloss Bellevue – sein inzwischen weit verbreiteter „Titel“ Schnäppchenjäger ist viel zu harmlos für einen, der so hemmungslos wie Wulff den Staat, dem er einst dienen wollte, auszunehmen versucht.

Was für ein Mensch? Was für ein Politiker? Was hat der bloß für Berater? Oder ist er völlig beratungsresistent?

Wahrscheinlich.

Wer sich so weit von Realität und Anstand entfernt hat, der sollte nicht Ruhe im Kloster suchen, sondern einen guten Psychiater konsultieren. Vielleicht kann der ihm ja helfen, wieder auf den rechten Weg zu finden.

Man kann jetzt nur hoffen, dass der Haushaltsausschuss deutlich sein Veto einlegt und Wulff klar macht: Es reicht!                                                                                           ULRICH JUNG


Jetzt will er alles   (Wulff 5)

Jetzt will er alles. Das volle Programm: "Ehrensold", Dienstwagen, Fahrer, Büro, Personal. Bis zum Lebensende. Das volle den "Alt-Präsidenten" zustehende Programm. Und das nach gerade mal knapp 20 Monaten Dienstzeit.

Wulff treibt's auf die Spitze. Ist der Ruf erst ruiniert, lebt's sich völlig ungeniert. Wenn auf jemanden dieses Motto passt, dann auf den Schnäppchenjäger, der sich nach nie dagewesenen Peinlichkeiten aus dem Amte schlich.

Es mag ja rechtens sein, gerecht ist das jedenfalls nicht. Und sollte er noch einen Funken Anstand in sich haben, müsste das Wulff genau so sehen, müsste spüren, wie ihn die Menschen mehr und mehr verachten und er eigentlich nur noch eine Chance hätte, angerichtete Schäden wenigstens etwas zu reparieren. Aber Volkesmeinung interessiert ihn nicht mehr. Nur zahlen, dafür sind wir ihm gut genug. Ansonsten lebt er fröhlich nach der Devise: Jeder denkt an sich, nur ich denk' an mich...

Wie wohl seine Freunde reagieren, die ihn munter aushielten und sich gerne vom präsidialen Scheinwerferlicht bescheinen ließen? Wahrscheinlich läuft das ab wie immer in solchen Situationen: Sie werden beiseite treten, um seinen freien Fall nicht zu behindern.

Was ist das für ein Charakterzug, der Wulff in dieses Dilemma trieb? Dummheit? Grenzenlose Überheblichkeit? Gier? Realitätsferne?

Auf ihn trifft wohl alles zu.

Wenigstens ein Gutes hatte seine Amtszeit bzw. der abrupte Abruch derselben: Die Themen "Ehrensold" und Politikerversorgung kommen wieder auf die Tagesordnung. Man kann nur hoffen, dass sie hernach nicht wieder in den Schubladen verschwinden.

ULRICH JUNG



Deutschland sucht den Superpräsidenten - Unwürdiges Gepokere (Wulff 4)

Die Ära Wulff - kurz und schmerzhaft am Ende - ist Geschichte, eine unwürdige zumindest. Dennoch: Gott sei Dank. Mit dieser letztlich zur Lachnummer (nicht nur im Karneval) mutierten Figur hat sich Deutschland nicht mit Ruhm bekleckert. Schluss ist, aus, gut so!

Und jetzt suchen sie einen neuen Präsidenten. Verkünden in allen TV-Kanälen und in alle Mikrofone: Überparteilich muss der Kandidat sein, integer, am besten nicht aktuell in einem Partei- oder Regierungsamt; kurzum: quasi ein Heiliger...

Und was wird wirklich hinter den Kulissen geschoben und gemauschelt?

Das liest sich so: Er darf natürlich nicht zu grün, nicht zu schwarz und nicht zu rot sein, er darf auch nicht den Verdacht aufkommen lassen, dass mit seiner Auswahl eine künftige Regierungskonstellation, -koalition festgezurrt werde. 

Das ganze Spielchen nennen sie dann, unsere Kandidatensucher, bedingungslos in gemeinsame Gespräche zu gehen.

Das Gegenteil ist der Fall. Man hält das Volk wieder mal für zu blöde, um die Taktik zu durchschauen. Die Scheinheiligkeit ist erbärmlich.

Fast möchte man sagen: Glückwunsch den Leuten - Lammert, Voßkuhle ua. - , die abgewunken haben! Sie spielen nicht mit bei "Deutschland sucht den Superpräsidenten". Mal sehen, was dabei herauskommt.                                                             ULRICH JUNG


Quod licet Iovi... (Wulff 3)

Quod licet Iovi, non licet bovi. Was dem Jupiter erlaubt ist, ist dem Ochsen nicht erlaubt. Frei übersetzt: Die Kleinen henkt man, die Großen lässt man laufen.

Das passt zu der Meldung von Spiegel online, nach der die Staatsanwaltschaft eine Razzia beim im Dezember entlassenen Sprecher des Bundespräsidenten, Glaseker, veranlasst habe. Grund: Ihm wird Bestechlichkeit vorgeworfen.

Glaeseker habe in den Jahren 2007 bis 2009 die Durchführung und Finanzierung des vom Eventmanager und engen Wulff-Bekannten Schmidt organisierten Nord-Süd-Dialogs "gefällig gefördert“, so die Staatsanwaltschaft Hannover. Als Gegenleistung soll Glaeseker zusammen mit seiner Frau dreimal unentgeltlich Urlaube in Feriendomizilen von Schmidt verbracht haben. Glaeseker, 50, war damals Niedersachsens Regierungssprecher unter dem Ministerpräsidenten Wulff im Rang eines Staatssekretärs und hätte als Landesbediensteter teure Geschenke wie einen Gratisurlaub vermutlich nicht annehmen dürfen.

Mag sein. Aber da fällt einem zwangsläufig auf, dass Glaseker eigentlich nichts anderes getan hat, als sein Herr und Meister. Konsequenzen für Wulff? Keine. Im Gegenteil. Kein Anfangsverdacht, keine Ermittlungen, weiße Weste...

Quod licet Iovi... Oder: Strauchelnde Politiker sind flott bei der Hand, wenn es um Bauernopfer geht. Eine Unart, die im demokratischen Rechtsstaat, wie zahllose Beispiele aus der Vergangenheit zeigen, Methode hat.                                   ULRICH JUNG

 

Der Gedanke tut weh...  (Wulff 2)

Ob er nun abtritt, weil er einsieht, was er angerichtet hat, oder ob er „abgetreten“ wird (was mehr oder weniger unmöglich ist), eins ist ihm gewiss: eine goldene Zukunft.

1953 wurde ein Gesetz geschaffen, das die Ruhebezüge eines Bundespräsidenten ausgesprochen großzügig regelt. Bis zum Lebensende erhält er seine Amtsbezüge von derzeit etwa 199 000 Euro als „Ehrensold“; übrigens auch, wenn er vorzeitig aus dem Amt scheidet, etwa durch Rücktritt. Damit nicht genug. Der A.D. hat zusätzlich Anspruch auf ein Büro mit Sekretariat im Bundespräsidialamt und auf zwei Leibwächter. Um seine Mobilität braucht er sich natürlich auch nicht zu sorgen.
Davon muss Christian Wulff nicht träumen. Es steht ihm zu.
Der Bundespräsident – einer von uns!?
Wohl nicht ganz. Denn wer „von uns“ vorzeitig aus dem Erwerbsleben ausscheidet oder in Rente geht, hat gefälligst Abschläge in Kauf zu nehmen.
Es gibt Verfassungsrechtler, die lange schon den „Ehrensold“ für nicht mehr zeitgemäß halten. Dem kann man sich eigentlich nur anschließen, vor allem vor dem Hintergrund, dass der „Ehrensold“ geschaffen wurde, um die besondere Würde des Amtes zu unterstreichen.
Nun ja. Den noch lebenden Vorgängern sei es gegönnt.

Was aber, wenn einer der „besonderen Würde“ des Amtes nun so gar nicht entspricht? Eine lebenslängliche Apanage für einen, der die Würde des Amtes (in gerade mal 18 Monaten Berufsausübung) so demoliert hat wie Wulff?  Der Gedanke tut weh....                                                                                            ULRICH JUNG


Es reicht, Herr Wulff

Jetzt reicht’s aber. Nach dem Herumgeeiere der letzten Tage, nach dem für ein Staatsoberhaupt eher peinlichen Interview im Öffentlich-Rechtlichen Fernsehen, in dem Wulff den Demütigen und das eigentliche Opfer gab – was ihm aber Umfragen zu Folge zwei Drittel der Deutschen nicht so recht abnehmen -, nun das: Der Bundespräsident erlaubt der Bild-Zeitung trotz schriftlicher Bitte um Zustimmung nicht, den Wortlaut seines „Wut-Telefonats“ von der Mailbox des Chefredakteurs Diekmann zu veröffentlichen; womit er hätte klar stellen können, dass seine Aussage im TV-Interview stimme, er habe den Artikel um die Kreditaffäre nicht verhindern, sondern lediglich das Erscheinen wg. seines Auslandsaufenthaltes nur um einen Tag verschieben wollen. 
Die Bild hatte dieser Version direkt widersprochen und bleibt auch weiter bei ihrer Darstellung, Wulff habe unter Drohungen versucht, den Artikel zu verhindern.
Logische Schlussfolgerung nach dem Wullfschen Veto, freundlich formuliert: Der Bundespräsident hat (wieder einmal) die Wahrheit verbogen. Damit hat er auch das letzte Fünkchen Vertrauen, was der eine oder die andere vielleicht noch glimmen sah, endgültig ausgetreten. 
Denn man versteht nicht, dass er alles Mögliche, etwa seine Finanzen offengelegt und sogar ins Internet hat stellen lassen, aber das Telefonat unterdrücken will. Wer sich schon mehr oder weniger bis aufs Hemd öffentlich gemacht hat, der müsste doch eigentlich kein Problem damit haben, das Telefonat, für das er sich ja sogar entschuldigt hat (warum eigentlich, wenn er doch aus, wären sie denn wahr: verständlichen Gründen nur einen Aufschub des Artikels wollte) zugänglich zu machen. 
Transparenz a la Wulff... Da hat er viel dahergeredet und das Volk schlicht und ergreifend belogen.

Dieser Mann taugt nicht als Bundespräsident. Er hat sich menschlich und politisch selbst ruiniert und das höchste Amt beschädigt. Er hat die Politik- und Politikerverdrossenheit befördert und der Demokratie keinen Dienst erwiesen. Eine Staatskrise wäre sein Rücktritt wahrlich nicht, es wäre freilich eine, bliebe dieser bereits als Witzfigur gebranntmarkte Präsident weiter im Amt.  So einen hatten wir Gott sei Dank noch nie...

ULRICH JUNG 



Gaddafi - auch ein Mensch

Gaddafi ist tot.
Ein Diktator weniger, einer, von dem man in den letzten Jahren annehmen musste, dass er nicht alle beisammen hatte. Ein Herrscher in lustiger Theateruniform, ein unglaublicher Schwätzer, ein Mörder, ein Terrorist. (Nebenbei: Deutsche Politiker waren freudig dabei, als der Irre sie in seine Zelte einlud). 

Gewaltsam ums Leben Gebrachte, Gefolterte säumen seinen Weg um die und in der Macht. Ein für die zivilisierte Welt unmöglicher Mensch. Und dennoch ein Staatenlenker, einer der Erdöl verkaufte, der trotz Terror weltweite Geschäfte machte – auch mit uns! Dem sich auch die deutsche Politik andiente.


Nun ist er tot. Erschossen wahrscheinlich von den Aufständischen im Libyen.

Gut so! Endlich, dass dieser Mörder weg ist...?


Zuerst einmal muss man das begrüßen. Vielleicht entwickelt sich ja jetzt in Libyen so etwas wie Demokratie, nachdem der Irre von der Bildfläche verschwunden ist. Nur: Was die Fernsehanstalten, auch die deutschen, und Zeitungen (vor allem die „Bild“) aus dem endgültigen Niedergang Gaddafis, also seinem Tod, gemacht haben, widerspricht so ziemlich allen menschlichen Regeln. Die Fotos des Toten, die Videofilmchen  - all das, was uns kurz nach seinem „Abschuss“  via TV präsentiert wurde, verstößt gegen jedes menschliche  Empfinden.


 Ein brutaler Täter: Ja. Aber: Auch ein Mensch.

Wie hieß es in einem Pressebericht: „Die halbnackte Leiche Gaddafis mit Einschusswunde am Kopf wurde am Freitag in einem Kühlraum eines Supermarktes in der Stadt Misrata zur Schau gestellt. Es bildeten sich lange Schlangen von Menschen, die den Leichnam sehen wollten. Etliche Menschen fotografierten den Körper mit ihren Mobiltelefonen.“


Schlimm! Zur Schau gestellt. Ein toter Mensch wird zur Schau gestellt. Wie schon tags zuvor in Zeitungen: Ein Blut überströmter, von Kopfschüssen getöteter Gaddafi als Aufmacherfoto. 
Da plädieren z.B. Journalisten für Menschlichkeit und Rücksicht in allen Lebenslagen. Auch Verbrechern gegenüber. Aber wenn es Fotos und Videos gibt von der Hinrichtung eines Diktators, dann überschlagen sie sich. 

Der gewaltsame Tod eines Menschen darf grundsätzlich nicht bejubelt und schon gar nicht zur Schau gestellt werden.                                                                                     ULRICH JUNG



Opa-Rüpel Geißler spricht

Ach ja, Heiner Geißler, ehemals CDU-Generalsekretär, der im Alter (81) seinen Hang zur Revolution erkannt hat, würde auch auf die Straße gehen gegen die bösen Banker. Wie sie das neuerdings in Amerika tun. Motto: Besetzt die Wall Street. Gut so – oder auch nicht.

Der olle Geißler glaubt zwar, dass es hierzulande so schnell nicht zu derart heftigen Protesten wie in den USA kommen werde. Weil: "In Deutschland funktioniert der Sozialstaat ja noch in Teilen“, sagt er. „Aber wenn die jungen Leute keine Perspektiven bekommen, kann das auch hier negative Folgen haben“.

Geißler hat auf den ersten Blick natürlich recht.

Er hätte aber auch sagen müssen, dass im Bundeshaushalt gut zwei Drittel aufgewendet werden für Sozialleistungen und Zinsen für Schulden; Schulden, die wiederum gemacht werden, um die Sozialleistungen zu finanzieren. Und: In den USA gibt es kein Sozialsystem wie bei uns. Auf der ganzen Welt nicht. Sie schauen alle neidisch zu uns rüber (oder kommen gleich).

Wir Deutsche müssen endlich begreifen, dass Vollkaskoversicherung für alle Lebenslagen bezahlt werden muss – und zwar von allen. Dabei spielen die gescholtenen Banken eine unendlich große Rolle, und zwar nicht nur eine negative! 

Und wir müssen, da hat Geißler auch recht, jungen Menschen Perspektiven geben für ihr zukünftiges Leben, und nicht herumdoktern an Schulsystemen, Bildungssystemen, die außer ein ständiges Herabstufen von Leistungen, damit jeder „mitgenommen“ werden kann, nichts z.B. für den drohenden Facharbeitermangel bringen.

Geißler als Opa-Rüpel ist ja recht lustig. Aber statt Demonstrierer gegen den Kapitalismus hier in Deutschland aufzuhetzen, sollte er besser das soziale Netz loben, das hierzulande  letztlich jeden auffängt, wenn’s Not tut. Das gibt es in den Staaten nämlich nicht.

Hoffentlich hält unseres noch lange ...                                                     ULRICH JUNG

 

Verheerender Eindruck

Mag ja sein, dass sich die CDU-Granden Pofalla und Bosbach in einem Telefongespräch auf "Verzeihen" geeinigt haben - wie es in den Medien berichtet wird. Glauben muss man das freilich nicht. Immerhin sind Sätze im Gossendeutsch gefallen, die sich nicht gehören; die, so muss man es werten, die Demokratie beschädigen. Gradlinigkeit, eigene Meinung - das scheint in der CDU nichts zu zählen. Und das gilt wohl nicht nur in Sachen Euro-Rettungsschirm. Das ist zumindest der Eindruck, der nach außen "verkauft" wird. Die CDUler haben gefälligst zu spurten, wie es "Mutti", die Kanzlerin will. Ansonsten ist man ein A....loch. Und das wird dann auch noch öffentlich ausgesprochen.

Der Eindruck, den die CDU an der Basis und in der Öffentlichkeit hinterlässt,  ist verheerend. Gegenrede nicht erwünscht, wer es dennoch wagt, wird  gnadenlos, hemmungslos 'runtergemacht - das ist lupenreine DDR.

Dass die Nummer mit dem nochmals aufgeplusterten EU-Rettungsschirm nicht gut geht, weiß nicht nur der vorausblickende Bosbach. Man hat allerdings den Eindruck, dass die meisten Parlamentarier bei der Abstimmung völlig überfordert waren und dafür eben das Händchen hochhielten, das ihnen die Obersten abverlangt hatten.

Deutschland und die Demokratie - da ist seit Amtsantritt Merkel einiges in Rutschen geraten. Man könnte zusammenfassen: Nicht nur die CDU, auch Deutschland wird ruiniert.

Aber wenn man das sagt, ist das laut Pofalla  zumindest "Sch...e.

Was die Entscheidung "Rettungsschirm" uns Normalbürger bringt, werden wir sehr bald wissen. Man muss kein Prophet sein, um vorauszusagen, dass es uns alle empfindlich trifft; laut der dümmlichen Flosklel: Ohne Euro kein Europa, die uns um die Ohren gehauen wird. Was natürlich völliger Unsinn ist. England z.B. hat auch keinen Euro wie 17 andere EU-Länder auch nicht.

Die CDU muss aufpassen, dass sie nicht auch im Fall Euro die Basis verliert. Die Kanzlerin hat es bis heute nicht geschafft, ihre EU-Politik und die Milliarden-Gaben schlüssig zu erklären. Das deutet auf Hilflosigkeit hin.

Fairerweise muss man sagen, dieses Urteil trifft nicht nur Angela Merkel. Es trifft die gesamte EU-Politik.

                                                                                                                                  Ulrich Jung



 

  

Im Namen des Volkes? 

3000 Euro Schmerzensgeld für einen Kindermörder!

Im Namen des Volkes!

Was sind das für Richter, die einem abscheulichen Verbrecher, der einen Jungen grausam getötet hatte, Schmerzensgeld zugestehen - weil ein Polizist verzweifelt versuchte, mit Schmerzandrohungen für den geständigen Täter das Leben des Kindes zu retten?

Der Täter ist das Opfer - im Namen des Volkes.

Rechtsstaat hin und her. Es wird aber kein normal denkender Bürger in diesem Rechtsstaat verstehen, was da vor sich geht. Jahrelang schon verklagt der Mörder durch alle Instanzen die Polizei, weil er, der arme Killer, bedroht wurde.

Ein Killer hält den Rechtsstaat auf Trap - seit Jahren. Und wir gucken zu, wie ein Mörder sich auf die Schenkel klopft, weil er es diesem Staat einmal zeigt...

Die Eltern des ermordeten Jungen müssen an so einem Staat verzweifeln; wohl nicht nur die Eltern.

Man kann froh sein, als Opfer nie in die Fänge dieses sog. Rechtssaates zu gelangen.

Gräfgen grinst vor sich hin, jeder Normalbürger schüttelt den Kopf, und  die Herren Richter waschen ihre Hände in Unschuld.


ULRICH JUNG



Wir sind kleine Würstchen

 Nach der Katastrophe in Japan


Der Tsunami in Japan - war das die Sintflut unserer Zeit?                                                                      

Die Explosion(en) in den Kernkraftwerken - ist das die Apokalypse, wie sie vielfach beschrieben ist; der Anfang vom Ende?

Panik zu verbreiten hilft niemandem. Informationen zurückhalten, wie das derzeit in Japan passiert, genau so wenig.

Fest steht aber nach diesem Naturereignis, das gepaart ist mit menschlichem Versagen: Wir Menschen sind kleine Würstchen, ein Nichts im großen Ganzen, auch wenn wir uns oft als die Größten im Ganzen fühlen. Die Natur hat uns auf die Ebene zurückgestuft, von der wir abgehoben waren.  Darüber nachzudenken täte auch der hiesigen Politik gut. Das Geschwafel der letzten 24 Stunden war z.T. unerträglich wie die Großmannssucht, die munter verbreitet wurde.

Nachdenklichkeit? Fehl am Platze. Es sind ja Wahlen en masse in diesem Jahr.

Und da haben die einen einen Joker in der Hand nach den Bildern aus Japan. Und die anderen gucken verdutzt in die Röhre, anstatt Signale zu senden, dass es höchste Zeit wird, nicht die Kernkraft zu unterstützen, sondern die Forschung, damit wir aus der Zwickmühle  wieder herauskommen.  

Aus Tschernobil haben wir offenbar wenig bis gar nichts gelernt. Und aus Japan? Aus dem Dilemma, aus der Katastrophe, die ein hochtechnologisiertes, ein in der Globalisierung der Industriewelt verhaftetes Land in den Abgrund stürzt?

Solange die Strahlung uns nicht erreicht, wird das so ablaufen wie vor 25 Jahren, als Tschernobil den ersten GAU in die Welt brachte: Ein paar Tage, einige Wochen große Aufregung, und dann ging man zur Tagesordnung über.

Eine Voraussage sei hier gestattet: Dieses Florians-Prinzip wird nach der Katastrophe in Japan nicht funktionieren. Diesmal haben nicht nur die Strahlen Auswirkung auf das (Wirtschafts-)Geschehen der Welt.                                                  ULRICH JUNG 



Katze aus dem Sack

Die Katze ist aus dem Sack. Und nun ist es an Peinlichkeit kaum noch zu überbieten, wie Die Linke sie wieder einfangen will.  

„Die Wege zum Kommunismus können wir nur finden, wenn wir uns auf den Weg machen und sie ausprobieren, ob in der Opposition oder in der Regierung“.

So schrieb Linksparteichefin Gesine Lötzsch unlängst in einem Zeitungsbeitrag.

Man muss ihr richtig dankbar sein für diese Klarheit, weiß doch jetzt jeder,  woran er mit der SED-Erbengemeinschaft ist.

Dass Lötzsch und Genossen jetzt eine „üble Diffamierungskampagne“ entdecken und sich ungerechterweise einem Kommunismus-Vorwurf ausgesetzt fühlen, ist an Dreistigkeit kaum noch zu überbieten. Erst quasi den Weg weisen Richtung Kommunismus, und dann diejenigen politischen Gegner angreifen, die sie deshalb attackieren. Das ist so als wenn man einem auf die Nase haut bis er lacht und dann weitermacht, weil er lacht...

Wie lange freilich die Aussage des SPD-Chefs Gabriel hält, dass er nach diesen Lötzsch-Bekenntnissen erst recht keine Koalition mit den Linken wolle, werden wir dann ja sehen. In diesem Jahr gibt es Wahlen en masse, nach denen auch in dieser Frage mehr Klarheit herrschen dürfte.                                                     ULRICH JUNG


Gift auf dem Tisch

Dioxin im Futterfett. Die Republik hat einen neuen Lebensmittelskandal. Bald 5000 Betriebe sind mittlerweile betroffen. Das Zeugs ist nicht nur im Ei, auch in Hühnern, Schweinen und Rindern. Bereits seit Monaten, wie man jetzt hörte. Verbrecher bringen uns Gift auf den Tisch, der Mensch wird zum billigen Zwischenlager für krebserregenden Sondermüll. Die Politik erregt sich, wie immer, fordert schärfere Gesetze, wie immer, und schärfere Kontrollen, wie immer – bis zum nächsten Mal...
Zugleich wird’s aus öffentlichen Kassen bezahlte Personal gekürzt, das möglicherweise die Machenschaften der skrupellosen Gangster frühzeitig hätte aufdecken können. Wie gesagt: alles wie immer.
Aber sind wir mal ehrlich. Haben wir nicht alle mit dazu beigetragen, dass Dioxin und andere ungesunde Stoffe den Weg auf den Teller finden? Wer im Supermarkt gedankenlos hinlangt, wo etwa beim Fleisch „Sonderangebot“ draufsteht, wer nicht merken will, dass Produkte einen Preis haben, zu dem sie nicht annähernd produziert werden können (unter sauberen Bedingungen), der provoziert doch geradezu die Giftmischer. Immer billiger, immer mehr – das Volk bekommt, was es will. Zu welchem Preis, das steht nicht unbedingt auf dem Kassenbon, sondern eher und immer wieder in den Analysen der Laboratorien..                                                                        ULRICH JUNG

 JAHRESRÜCKBLICK AUF 2010

Heerscharen von Weissagern hatten auch für 2010 komplett daneben gelegen. Nicht unbedingt überraschend, oder? Nur der schon etwas altersschwache Krake Paul orakelte für die Fußballwelt fehlerlos. Das Tierchen ist inzwischen verstorben, hat aber bei Fans immer noch Promistatus. Tiere die besseren Menschen, sorry: Weissager?
Und man erinnert sich auch an die WM-Bilder mit der Kanzlerin, die es sogar bis in die Spielerkabine schaffte – und, wie es sich in der Polit-Liga gehört, wirksam mit den Stars abbilden ließ. Was so manchen Funktionär aufregte.

Richtig spannend wurde es im vergangenen Jahr aber bei Themen, die Ende 2009 weder bei Weissagern noch in der Medienwelt auf der Tagesordnung standen. Ein paar schlagzeilenträchtige und vor allem nachhaltig wirksame sollen hier noch einmal kurz beleuchtet werden: 

Unser Bundespräsident trat überraschend zurück. Die wahren Gründe sind bis heute weitgehend unbekannt. Aber Spekulationen, er sei die ständigen Demütigungen aus der Politik und Teilen der Medien schlichtweg leid gewesen, sind wohl kaum von der Hand zu weisen und kommen der Wahrheit sicher sehr nahe. Horst Köhler hatte auf gut Deutsch die Nase voll und es auch nicht nötig, weiter den Watschenmann zu geben. Das kann man verantwortungslos nennen, wie es nach seinem spektakulären Schritt durch die Republik hallte. Schließlich hatte man so etwas noch nicht erlebt. Der Bundespräsident tritt ohne Vorwarnung zurück, igitt igitt... Man kann freilich auch urteilen, dass Köhler im Gegensatz zu manchen Politikern Größe zeigte und Charakter. Was ihn, unterm Strich, nicht zu einem großen Bundespräsidenten machte, aber zu einem sympathischen. 

Der zweite „Knaller“ des Jahres war zweifellos das Sarrazin-Buch „Deutschland schafft sich ab; wie wir unser Land aufs Spiel setzen“. Ein Polit-Bestseller, ja „-thriller“ wie es selten einen gab. Den Autor kostete es seinen Job als Bundesbankvorstand, demnächst vielleicht auch seine Mitgliedschaft in der SPD. Der Politik brachte es auf breiter Ebene einmal mehr um ihre eh ramponierte Glaubwürdigkeit. Der heuchlerische Aufschrei insbesondere von Leuten, die das Buch nicht gelesen hatten – an erster Stelle Bundespräsident und Bundeskanzlerin – sucht seines gleichen. Thilo Sarrazin hat nichts anderes getan, als eines der drängendsten Probleme unseres Landes zu analysieren und der Politik den Spiegel des Versagens vorzuhalten. Die anschließende Debatte, die Deutschland Monate lang überrollte, zeigte glasklar, dass Sarrazin voll auf die Zwölf getroffen hatte. Leider läuft das Ganze derzeit so ab, wie es hierzulande immer abläuft, wenn es einer wagt, gegen den Strom zu schwimmen oder gar die Gebote und Tabus der politischen Korrektheit ignoriert: verächtlich machen, politisch und gesellschaftlich vernichten, komplett den Ruf ruinieren und den Job wegnehmen. Und wenn man merkt, dass „das Volk“ so ganz und gar der Meinung des Ausgestoßenen ist, wird herumgeeiert, plötzlich mit den selben Argumenten (in dem Fall: wie Sarrazin) das Versagen der Integrationspolitik vorsichtig zugegeben – ohne allerdings den Urheber der Gedanken zu nennen oder ihn gar ins positive Licht zu rücken -, um am Ende so weiter zu machen wie bisher: nämlich nichts tun; genau also das, was Sarrazin den Schaufensterpolitikern vorwirft. Mal sehen, wie die neuerdings „Wutbürger“ Genannten das demnächst an den Wahlurnen bewerten. 




VORSICHT, MEINUNG!

Aus dem Archiv: Der 3. Oktober 1990

In der Offenbach-Post erschien damals dieser Leitartikel:

Es ist endlich, endlich soweit; ein Traum wurde wahr.               

Nicht einmal zwölf Monate nach der unblutigen Revolution hinter Stacheldraht und  Schandmauer ist Deutschland wieder eins. Der Spitzelsstaat, der, den Begriff Demokratie zynisch im Namen führend, vier Jahrzehnte lang seine Bürger schikanierte und drangsalierte, der mit seinem Gespenst vom real existierenden Sozialismus millionenfach Lebensglück und Menschen zerstörte, Wirschaft und Natur in Grund und  Boden ruinierte, hat aufgegehört zu existieren.    

Man möchte lauthals Gott  danken und den bekannten wie unbekannten Persönlichkeiten, die dies ermöglichten: Einheit in Freiheit, das Ende von Angst und Schrecken für unsere Landsleute. Wer hätte vor einem Jahr nur oder überhaupt noch daran zu denken gewagt?                  

Es ist, als ob seit den denk- würdigen   Novembertagen 1989 ein Ruck durch die Welt gegangen wäre. Kommunis mus und Sozialismus (auch wenn ihm manche heute - wie denn wohl? ein menschliches Antlitz verpassen wollen) verschwinden nach und nach auf dem Müllhaufen der Geschichte. Wahr gelebte Demokratie statt Marx und Murks, das Volk hat entschieden, und viele Völker auf der Welt werden sich noch so entscheiden. Der Prozeß des  Wandels ist programmiert, nicht zuletzt, vielleicht sogar vor allem durch den friedlchen Aufstand der DDR-Bürger im vorigen Herbst.  

Gorbatschow, zum Beisspiel, hat schneller begriffen als andere, auch hier bei uns im Westen: Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben. Ohne ihn, ohne seinen, wie die FAZ formulierte, „Eingriff in das Rad der Geschichte" wäre es anders gekommen; höchstwahrschein- lieh, zumindest, wäre die Be- freiung vom Terror des Stasi- und SED-Regimes nicht so friedlich über die Bühne gegangen.

Mit dem 3. Oktober 1990 ist die Vereinigung natürlich nur auf dem Papier vollzogen. Jetzt muß erst noch zusammenwachsen, was zusammengehört, jetzt müssen wir uns aneinander gewöhnen, uns akzeptieren und lernen, daß 40 Jahre Teilung in zwei völlig unterschiedliche Gesellschaftsstrukturen mehr bewirkt haben als allein Nachholwünsche für Autos, Fernseher oder Videorekorder.

Unsere Landsleute wurden nicht nur von den hierzulande selbstverständlichen Wohlstandströgen ferngehalten, das unmenschliche System hat den meisten auch Geist und Seele eingesperrt, sie zutiefst mißtrauisch gemacht, zu gedeckelten Menschen voller Komplexe.

Wer sich in den letzten Monaten. „drüben" umsah, wird das mehr als deutlich gespürt und dann auch verstanden haben, was 40 Jahre Sozialismus zurückließen.

Aber auch vor allem natürlich neugieriger Lebensmut, optimistischer Tatendrang und ein befreites Durchatmen prägen unsere neuen Mitbürger. Gute, ja beste Voraussetzungen, das Trauma DDR hoffentlich so bald wie möglich zu überwinden und Eigenschaften mithin, die manchem Satten hier ganz gut zu Gesicht stünden.

Wer eine neue Epoche mit sturer Kleinkariertheit beginnt oder mit Pseudointellektuellem Gehabe (aus lauter Trauer darüber, daß Honecker & Co. nicht mehr an den Schalthebeln der mißbrauchten Macht wirken), der wird auch eingeholt und irgendwann einmal vom Leben bestraft werden.

Nicht das Schüren von Neid und Haß und das eifrige Pflegen  einer bei uns oftmals zelebrierten Weinerlichkeit sind das Gebot der Stunde, sondern Ärmel aufkrempeln und mitanpacken, damit das uns von der geschichtlichen Entwicklung vor die gemeinsame Tür gelegte Aufgabenpaket zum Wohl aller bewältigt werden kann.

Mit dem 3. Oktober verschwindet aber nicht nur das kommunistische Deutschland von der Bildfläche, sondern auch jenes Westdeutschland, das seit dem Zweiten Weltkrieg unter die Fittiche der Siegermächte genommen wurde, also das provisorische Deutschland. Den einen oder anderen Nachbarn mag das erschrecken.


Wenn in Frankreich beispiels- weise auf Befragung 48 Prozent 5 spontan Hitler als Persönlichkeit | einfällt, denken sie an Deutschland (nur 25 Prozent nannten Kohl), dann ist das bezeichnend. Aber es ist auch ein Hinweis dafür, daß von hier aus noch sehr viel zu tun übriggeblieben ist, um  das Bild von uns geradezurücken und auch die letzten Ängste abzubauen. Das Vorgehen der  Bundesregierung, ganz vorne  wäre in diesem Zusammenhang  Außenminister Genscher zu nennen, hat in dieser Richtung gerade in den letzten Monaten sehr viel Vertrauensarbeit geleistet und quasi das I-Tüpfelchen auf die deutsch-deutsche und die Ost-Politik der Bundesregierungen zuvor gesetzt.              |

Dieser 3. Oktober ist wieder ein historisches Datum, eins  von so vielen, wie sie uns der Wandel jüngst bescherte. An uns allen letztendlich liegt es jetzt, was aus der Vereinigung Deutschlands eines Tages einmal wird. Viele Vorzeichen vor allem die Wirtschafts-Daten stehen positiv da und hoffnunggebend wie selten; negative Auswirkungen, ganz besonders in den neuen Ländem, werden sich umkehren.  Nicht von heute auf morgen; was 40 Jahre lang von den Kommandounternehmen Ulbrichts und Honeckers zusammengehauen wurde,  kann nicht in ein paar Wochen oder Monaten auf  Vorder mann gebracht werden. Das wird schon ein paar Opfer kosten. Und die existenziellen Sorgen vieler Mitbürger in den fünf neuen Ländern können und sollen nicht vom Tisch gelogen werden. Aber wir sollten uns nicht von denen verrückt machen lassen, die zwei deutsche Staaten lieber gesehen hätten und die jetzt durch die Lande ziehen und Unfrieden säen. Niemand braucht Angst zu haben, demnächst wegen der  Einheit darben zu müssen. 

Ein bißchen mehr guten Willen  und Bereitschaft von uns, die wir  nach dem Zweiten Weltkrieg auf  der    Wirtschaftswunder-Seite Deutschtands leben  durften,  würde den Aufbauprozeß enorm  beschleunigen.   Es funktioniert nur mit allen gemeinsam, das neue, das endlich vereinigte Deutschland.  ULRICH JUNG


Blödfernsehen

Was könnte einen Täter überführen?

A: Fingerabdruck

B: Fingerfood

Oder:

Was gilt als Brandbeschleuniger?

A: Benzin

B: Sand

Oder, noch besser:

Was trägt man im Sommer?

A: Badeanzug

B: Schneeanzug

Und dann ein weiterer Höhepunkt für den geneigten Ratefuchs:

Wozu braucht man ein Skalpell?

A: Zum Operieren

B: Zum Betonieren

 

Schön einfache Quizfragen für Otto und Ottilie Normal-Fernseh-Gucker, damit auch mal ein Simpel an Auto oder viel Geld kommt? Oder Volksverdummung, höflich formuliert?

Sagen wir ruhig, damit’s auch der Simpel versteht: Volksverarschung ist das.

Fernsehsender unterbrechen gerne Sendungen, um Zuschauern Fragen wie oben zu stellen, auf dass sie bitteschön anrufen und, bei richtiger Antwort, einen tollen Preis gewinnen.

Für wie blöd halten uns diese Anstalten eigentlich?

Hier geht es doch nur um Abzocke; denn niemand glaube, dass die Telefongebühren allein etwa bei der Telekom landen. Die Fernsehmacher sahnen ebenfalls ab, und das nicht zu knapp. Von jeder Telefoneinheit ein Batzen. Und wenn man dann noch seine Adresse preisgeben darf – wie praktisch; natürlich nicht für den Anrufer...

Gewinner? Außer den Abzockern ist nie einer bekannt geworden.

Aber selbst wenn es je einen geben sollte, es bleibt dabei: Blödfernsehen hat Konjunktur. Auf allen Kanälen. Und das nicht nur bei Quizfragen der grausam dämlichen Art.  

                                                                                                 ULRICH JUNG


Finger im Wind, Herr Gabriel?

Ach, Herr  Gabriel!  Wieder mal die Nummer mit dem Fähnchen im Wind? Motto: Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern, mit dem ich doch die Massen meinte, beeindrucken zu können.

Vor wenigen Tagen noch nahm der SPD-Chef den Mund reichlich voll, als er zum einen seinen Parteifreund Sarrazin wegen dessen umstrittenen Buches großmäulig nieder machte und einen Parteiausschluss auf den Weg brachte; dabei aber lautstark verkündete: selbstverständlich ist Meinungsfreiheit auch in der SPD erlaubt (was ebenfalls seine Mitkritikerin Angela Merkel, Bundeskanzlerin, immer wieder verlautbarte).

 Und nun die Wende, eine geradezu typische Gabriel-Rolle-Rückwärts – nach der Erkenntnis, dass das Volk anders denkt, dass seine Vorverurteilung nicht mehr mehrheitsfähig ist; selbst in eigenen Reihen nicht.

Seine Forderungen nach einer härteren Gangart gegen integrationsunwillige Ausländer und das ganze Drumherum zum Thema „Verfehlte Integrationspolitik“ gleichen in großem Maß den meisten Thesen des von ihm und anderen ins „Aus“ der Gesellschaft Katapultierten..

Soll man nun den Kopf schütteln? Soll man die Sache abtun mit einem: Typisch Politiker? Oder das alles einfach gar nicht mehr zur Kenntnis nehmen?

So einfach ist das von Sarrazin angestoßene und offensichtlich von seinen Gegnern vielleicht endlich ernst genommene Thema  nicht von der Tagesordnung zu fegen (schon gar nicht unter den Teppich).

Gabriels und die anderer Politiker/innen in den vergangenen Tagen publizierten Äußerungen   zeigen deutlich: Die politische Elite ist aufgeschreckt (die mediale wartet in großen Teilen erstaunt ab); sie haben begriffen, dass sie am Volk vorbei gehandelt haben, sie beginnen zu ahnen, dass Schönfärberei und Gesundbeten einer kranken, dennoch buntgefärbten Multikulti-Gesellschaft nicht funktionieren – weil die Realität schlicht anders aussieht als das fröhlich auf „Volksfesten“ Prophezeite, als das so innig Gewünschte. Und daran haben, auch die Erkenntnis wagen heute Leute zu artikulieren, die lieber bislang das Gegenteil „verkauften“, natürlich die Migranten eine Mitschuld.

Dass aber ausgerechnet Gabriel, der sich reflexartig gleich an die Spitze der Sarrazin-Gegner vorgewälzt hatte, jetzt plötzlich hingeht, und sich als den Wahrer einer wirklichen Integrationspolitik aufspielt, als einer, der um sie umzusetzen  scharf durchgreifen will - das ist schon ungeheuerlich. Vor allem deshalb, weil zuvor so getan wurde, als sei die Integrationspolitik im großen und ganzen trotz ungeheurer Kosten schon in Ordnung; was ja schon immer nicht stimmte.

 So entlarvt man sich und seine Politik: nämlich als Schaufensterpolitik, die nur dazu dient, Stimmen einzufangen, mal von der, mal von der anderen Seite.

Gabriel ist kein Parteiführer. Er ist ein heuchlerischer Schlawiner, ein „Enkel“, den „Onkel“ Willy Brand niemals ernst genommen, den er niemals in die höheren Gefilde der SPD-Politik berufen hätte.

Fragen wir also: Wo ist das nächste Fähnchen, Herr Gabriel? Sie haben doch mit Sicherheit schon den Finger im Wind. Der nächste Windstoß kommt ja auch bestimmt...

                                                                                                         ULRICH JUNG

Stromline behindert Demokratie

Geschafft – dürften jetzt diejenigen jubilieren, die Thilo Sarrazin weghaben wollten; von der Kanzlerin über alle Parteien, diverse Verbände und Zentralräte bis hin – und das ist neu – zum Bundespräsidenten, der, wie Frau Merkel, mehr oder weniger deutlich die Bundesbank aufgefordert hatte, zu handeln. Letzterer wird aufatmen, weil ihm durch den Rückzug Sarrazins eine Entscheidung erspart blieb, die ihn, so oder so, zwischen alle Stühle platziert hätte. Er, der auch schon im Fall des Duisburger Oberbürgermeisters vorschnell ein Urteil hinausposaunte, wird sich das nächste Mal überlegen, ob er nicht besser schweigen sollte. Hoffentlich.

Thilo Sarrazin hat aufgegeben, weil er dem Druck „aller Parteien und 70 Prozent der veröffentlichten Meinung“ nicht mehr standhalten mochte. Das verdient zum einen Respekt und Verständnis, zum anderen muss es aber jeden tief nachdenklich, ja besorgt stimmen, der die Meinungsfreiheit, die wichtigste Säule in einer Demokratie, wirklich ernst nimmt.

Wie die selbsternannte Elite und ihre medialen Helfershelfer geradezu hemmungslos einen vom politischen Mainstream Abgewichenen in aller Öffentlichkeit niedermachten und ihn der gesellschaftlichen Ächtung empfahlen, das schockiert, zumal in einem Land, das sich gerne als beispielgebenden Rechtsstaat in aller Welt feiern lässt.

Die FAZ stellt in ihrem Leitartikel die Fragen: „Was darf man in dieser Republik sagen und schreiben, ohne die mitunter bis zur Existenzgefährdung reichende Menschenverachtung zu erfahren, die Sarrazins Kritiker nur bei ihm erkennen können? Und wer bestimmt die Grenzen des Meinungskorridors?“  

Die Antworten haben wir jetzt – einmal mehr und klar wie selten.

Wenn persönliche Angriffe und Diffamierung statt Argumente und Auseinandersetzung mit der Realität hierzulande bis in oberste politische Etagen Schule machen, dann gute Nacht. Meinungsfreiheit sieht anders aus.

Stromlinie behindert Demokratie, vernichtet sie am Ende.

Politik -, Politiker-, Demokratieverdrossenheit - Deutschland befindet sich in der letzten Steigerungsstufe.                              ULRICH JUNG


Glückwunsch Thilo Sarrazin

Sommerloch und Profilneurotiker

Knallrot lenkt




 

Zukunft a la NRW


Quo vadis, Regierung?


Absurdistan

Der Katalog für Sonderregelungen bei der Mehrwertsteuer gleicht einem Besuch in Absurdistan. Ein paar krasse Beispiele:

Für Froschschenkel oder frische Trüffel müssen sieben Prozent bezahlt werden. Auch für Reit- oder Rennpferde, Schnittblumen und Heimtierfutter. Babynahrung oder –windeln kosten dagegen ebenso wie Mineralwasser den vollen Mehrwertsteuer-Satz, 19 Prozent. Guckt man sich weiter in diesem Katalog um, wird’s einem regelrecht schwindelig.

Soviel Blödsinn auf einem Haufen ist schier unvorstellbar Aber tatsächlich Realität in Deutschland, auf die jetzt der Rechnungshof aufmerksam machte. Das Uralt-Thema hatte sich auch im vorigen Bundestagswahlkampf die FDP auf die Fahnen geschrieben. Bei der Diskussion ums Sparprogramm der Regierung wurde es ebenfalls aus der Ablage gekramt und vorsichtig dosiert in die Öffentlichkeit gebracht. Steuererhöhung war und ist ja noch angeblich tabu.

Es ist schon erstaunlich, was sich unsere Bürokraten, Lobbyisten und Verbandsfunktionäre so alles ausdenken – sogar auch ohne dass ihnen die Sommersonnenstrahlen allzu kräftig aufs Hirn prallen.

Es wird Zeit, dass unser Mehrwertsteuersystem grundlegend reformiert wird und nur noch die Güter des lebensnotwendigen Bedarfs in die Sonderregelungen aufgenommen werden, die wirklich das Siegel „sozialpolitisch relevant“ verdienen.

 Eigentlich müsste das in Regierung und Opposition denkbar einfach zu bewerkstelligen sein. Wird nicht das Wörtchen „Gerechtigkeit“ auf allen politischen Seiten quasi als Credo wie eine Monstranz vor sich hergetragen?

Lobbyisten freilich sind da weniger zimperlich, weshalb man gespannt sein darf, ob das Thema wieder mal in den Schubladen verschwindet.

Vielleicht „hilft“ diesmal ja die Rekordverschuldung von 1,7 Billionen Euro (!!!!), unter der Deutschland ächzt. Die Steuerausfälle durch den ermäßigten Satz bezifferte der Rechnungshof auf immerhin 24 Milliarden Euro.                                       ULRICH JUNG


Zuversicht ist angesagt

Bis zum nächsten Jahr sollen die Arbeitslosenzahlen um eine halbe Millionen sinken, sagt das Institut für Weltwirtschaft. Mercedes, Audi und BMW haben volle Auftragsbücher – besonders das Ausland ist interessiert an deutschen Autos; Kurzarbeit ade, dafür Sonderschichten. Der Bund muss 2011 viel weniger Schulden machen, als ursprünglich errechnet. Grund sind deutlich höhere Steuereinnahmen und geringere Arbeitsmarktkosten. Erstmals seit sechs Jahren wagen wieder mehr Deutsche den Sprung in die Selbständigkeit. 2009 gab es mit 872 000 Firmenneugründungen zehn Prozent mehr als ein Jahr zuvor.

Das zarte Pflänzchen Aufschwung wächst und wächst – entgegen den Voraussagen so manches „Experten“, der mit säuerlichem Gesicht die deutsche Zukunft düster zu malen pflegt. Von diesen Miesbetern haben gerade wir Deutschen mehr als genug.

Dabei ist Zuversicht angesagt, Optimismus. Mit Pessimismus hat man noch nie etwas Vernünftiges auf die Beine gestellt.

Eigentlich könnten wir also froh sein.

Wenn…, ja wenn wir jetzt noch eine Regierung hätten, die uns nicht weiter drangsalierte mit ihren quälenden Querelen und mutig die Reformen anpackte, die Deutschland wirklich zukunftssicher machten.                                                                              ULRICH JUNG


"Kraftilanti" will NRW regieren

Jürgen Rüttgers (CDU), nach einer verheerenden Wahlschlappe derzeit Geschäftsführender Ministerpräsident in Nordrhein-Westfalen, schmeißt hin. Er tritt Mitte Juli nicht gegen Frau Kraft (SPD) an.

Gut so! Hätte er das mal schon vor einigen Wochen getan, als ohne ihn noch die Chance auf eine Große Koalition bestand. Jetzt sind die Türen erst einmal zu, und die CDU wird demnächst die Mehrheit im Bundesrat verlieren; letztlich dank Rüttgers.

Die "gefühlte" Wahlsiegerin - in Wahrheit fuhr sie bei der NRW-Landtagswahl das schlechteste SPD-Ergebnis aller Zeiten im größten Bundesland ein - will jetzt Chefin einer Minderheitsregierung Rot-Grün werden. Was sie tags zuvor noch vehement abgelehnt hatte. Der Druck aus Berlin, gleichermaßen von SPD und Grünen nach Düsseldorf übermittelt, ließ die selbsternannte Standhafte dann doch umkippen.

Nun wird sie, vorausgesetzt sie wird gewählt, auf Die Linke angewiesen sein, soll tatsächlich eine andere Politik in NRW gemacht werden. Ohne die Truppe, die besonders in Nordrhein-Westfalen durch meist blödsinnige Forderungen (u.a. das Recht auf Rausch) aufgefallen ist und weniger durch Realitätsnähe, läuft im größten Land der Republik so gut wie nichts.

Nun wird am Argument gestrickt, dass selbstverständlich FDP und CDU schuld daran sind, wenn Kraft und ihre Regierung faktisch von den Linken toleriert werden. Die grüne Bundeschefin hat sich bereits in dieser Richtung geäußert.

 Dass Kraft nie und nimmer, wie sie nach Sondierungsgesprächen immer wieder versprach, mit den Linken zusammen gehen, sich auch nicht von ihnen tolerieren lassen wollte, interessiert nicht mehr. Sie tut genau das, was sie für jeden Wähler vernehmbar klipp und klar ausgeschlossen hatte.

Da ähnelt sie der Hessin Ypsilanti: Mit aller Macht an die Macht, egal, ob zuvor das Gegenteil von dem behauptet wurde, was hernach Wirklichkeit wird. "Kraftilanti" wird die Dame folgerichtig in einer breiten Öffentlichkeit genannt.

Da brauchen Politiker nicht mehr zu überlegen, warum die Politik(er)verdrossenheit gefährlich zunimmt und wir inzwischen nahe an die Grenze zur Demokratieverdrossenheit gestoßen sind.

                                                                                                                                   ULRICH JUNG


Was ist soziale Gerechtigkeit?

Der Polter-Ton des Guido Westerwelle im Zusammenhang mit der „Hartz-IV-Debatte“  hat  wie immer in solchen Fällen reflexartig erzürnt und erregt. Wobei sein Vergleich mit der „altrömischen Dekadenz“ eher in eine Karnevalssitzung passte, waren doch die Dekadenten im alten Rom eben nicht die Armen, sondern diejenigen, die sich die Hälse und Taschen vollstopften und das Volk darben ließen.

Westerwelle hat sich im Ton vergriffen, zweifellos. Deshalb wurde er auch von der Kanzlerin via Pressesprecherin gerügt; freilich nicht wegen des Inhalts seiner Aussagen, dass nämlich die hart Arbeitenden mehr in der Geldbörse haben müssten als diejenigen, die vom Staat leben (müssen). Und: Dass beide Seiten einer Medaille betrachtet werden müssten, die Arbeitslosen und Sozialgeldempfänger auf der einen und diejenigen, die Milliarden und Abermilliarden für die Sozialkassen zusammentragen; sprich: die Steuerzahler.

Ja, er hat sich im Ton vergriffen, hat hart überspitzt eine unterm Strich alle angehende Situation ins Gespräch gebracht. Aber vielleicht hat man gerade deswegen erst hingehört.

Die z.T. bis zur Beleidigung reichenden Reaktionen zeigen jedenfalls, dass Westerwelle so Unrecht nicht hat. Und sie zeigen allerdings auch, dass hierzulande von der „Meinungsfreiheit“ immer weniger übrig bleibt, wenn sie nicht in den politisch korrekten Kram passt. Maulkorb statt Wahrheit – eine brisante Entwicklung. Wer dagegen verstößt, ist politisch und/oder beruflich schnell in die Versenkung geschickt.

Westerwelle hat in ein Wespennest gestoßen, das ist wohl jedem klar, auch wenn es viele nicht offen zugeben mögen (s.o.). Deshalb ist eine Debatte über d a s Thema der Zukunft zu begrüßen. Was können wir uns noch leisten? Wann sind die Steuerzahler überfordert? Führt ein immer mehr aufgeblähter Sozialhaushalt wirklich zu mehr Gerechtigkeit?  Was ist überhaupt soziale Gerechtigkeit?

Man darf nur hoffen, dass die nunmehr angestrebte Generaldebatte auf einem anderen Niveau geführt wird als die derzeitigen Gehässigkeiten. Zum Vorteil für alle Seiten: für die Arbeitslosen, die Armen, die Steuerzahler und, last but not least, für die Glaubwürdigkeit der Politik.   ULRICH JUNG


Knut statt Kohl

Der CSU-Politiker Hinsken hatte eine gute Idee: Eine Sonderbriefmarke für Helmut Kohl. Der Altkanzler wird nächsten April 80, und das wäre doch ein prima Anlass, denjenigen Deutschen, der die Wiedervereinigung maßgeblich vorangetrieben und verwirklicht hatte, entsprechend zu würdigen. Das dachte sich der rührige Politiker.

Die meisten würden ihm wahrscheinlich vehement zustimmen.

Das zuständige Finanzministerium aber, das die Sondermarken herausgibt, lehnte ab. Begründung: Lebende Personen sollen auf Sondermarken nicht abgebildet werden. So die grundsätzliche Formel. Ausnahme war Papst Benedikt XVI. Nicht einmal die Kanzlerin, die Hinsken ebenfalls anschrieb und um Hilfe bat, diejenige, die letztendlich nur wegen und mit Kohl Kanzlerin werden konnte, willigte ein.

Spielt es eventuell eine Rolle, dass Schäuble (Innenminister) mit Kohl aus bekannten Gründen nicht gut kann und Angela Merkel seinerzeit federführend im Hintergrund für den „Abschuss“ des Alt-Kanzlers sorgte?

Eines der wenigen Lebewesen, so schreibt die Süddeutsche Zeitung, „das neben dem Papst schon zu Lebzeiten verewigt wurde, bleibt der Berliner Eisbär Knut.“

Ist doch erstaunlich, wie deutsche Bürokraten mit ihren Eliten, mit denen, die Historisches, Positives bewegt haben, umgehen.                                                        ULRICH JUNG

Klimagipfel ein Schuss in den Ofen

Eine Art Zeitenwende sollte es werden. Die größte Weltkonferenz aller Zeiten wollte einen gemeinsamen Weg beschreiten, unseren Planeten quasi vorm Untergang zu retten. Heraus kam nichts als heiße Luft – trotz Klima-Kanzlerin und dem amerikanischen Präsidenten, von dem inzwischen immer mehr Menschen weltweit merken, dass der einstige Superstar und als Halbgott Gefeierte  zwar viel und fesselnd reden, aber wenig bis nichts bewirken kann.
 Kurzum: Kopenhagen war ein Schuss in den Ofen. Nationale Interessen galten (gelten) mehr als der Kampf gegen den Klimawandel, der, wenn denn stimmt, was Wissenschaftler prognostizieren, unser aller Erde vernichtet.
Unterm Strich fragt man sich jetzt sicherlich zu recht: Wenn schon die Staatschefts insgesamt offensichtlich zum Schluss kommen, den globalen Klimawandel nicht allzu wichtig nehmen zu müssen, warum sollten das Otto und Ottilie Normalverbraucher tun? Was letztendlich (vielleicht) eine tödliche Einstellung wäre. 
Kann es sein, dass die Politiker – und ein großer Teil ihrer Untertanen – denken: nach mir die Sintflut? Was juckt mich der Horror, der in 100 Jahren möglichweise oder aber auch nicht die Welt heimsucht? Ich, der Politiker, will schließlich weiter an der Macht bleiben. Umweltschutz kostet, das wollen die Wähler nicht. Wir wollen die Wirtschaft schließlich voranbringen.
Und die Mächtigen in den Entwicklungsstaaten sehen natürlich nicht ein, dass sie auf Fortschritt (der mit Umweltquälerei verbunden war und ist) verzichten sollten. Amerika, Europa, alle Industriestaaten sind groß geworden, indem sie die Umwelt schädigten. Und ausgerechnet die wollen jetzt, dass wir Entwicklungsländer auf Wachstum und Reichtum und Wohlstand verzichten, um die von ihnen ruinierte Umwelt noch ein wenig zu erhalten?
Umweltschutz, das müssten eigentlich alle begreifen, die es ernst meinen, geht nur, wenn alle mitmachen. Umweltschutz funktioniert nur global.  
Wirtschaft zu globalisieren ist gut und wichtig in dieser zusammenwachsenden Welt. Alles wird dafür getan. Unsummen schwer. Umweltschutz zu globalisieren, was übrigens der Wirtschaft überall zugute käme, kriegen sie nicht auf die Reihe.
In Kopenhagen, irgendwann wird es vielleicht (schöner ausgedrückt) in Geschichtsbüchern so zu lesen sein, wurde eine große Chance vergeigt.
Die Folgen...?                                                                                                            ULRICH JUNG 

Wachstum verordnet...

Die Wirtschaft schwächelt? Wissen wir. Die Amerikaner sind schuld, oder?

Wie also ist das Problem zu lösen?

Unsere Politiker – zu allem fähig und manchmal zu nichts zu gebrauchen – machen das auf ihre Art: Sie schaffen mal eben ein Gesetz! Das Wachstumsbeschleunigungsgesetz.

Wenn es schon nicht die Wirtschaft, die globale, versteht sich, in den Griff bekommt, dann muss es halt ein Gesetz richten…

Schwarz-Gelb startet die erste Rakete in dieser Legislatur.

Otto und Ottilie Normalmenschen da draußen im Lande dürfen sich, sorry: verarscht vorkommen. Denn weder „Mutti“ Merkel noch „Rebensaft“-Brüderle und Co. werden Wachstum verordnen können.

Genau so wenig wie sie das Überleben von Opel quasi mit Befehl aus Berlin an (den wirklichen Eigentümer) General Motors verordnen können. Und schaufelten sie noch so viele Milliarden Steuergelder in die Kassen der Amerikaner.

Bleiben wir bei Opel. Ist es nicht bemerkenswert, dass keine Bank der Welt, bereit ist, auch nur einen Cent in das Traditionsunternehmen zu stecken? Nur der Bund bzw. die Länder streiten sich, wer dem siechen Autobauer nun unter die Arme greifen soll. Weil Opel ja so ungemein systemrelavant ist. In der Tat: Bemerkenswert!                                         ULRICH JUNG


Schon vergessen?

Man fasst sich an den Kopf und mag es nicht glauben. Die Partei Die Linke in Nordrhein-Westfalen hat soeben auf ihrem Parteitag in Hamm ein Programm für die Landtagswahl nächstes Jahr verabschiedet, das einen in weiten Teilen an DDR-Zeiten erinnert. Pünktlich zum 20. Jahrestag des Mauerfalls. Darin werden u.a. die Verstaatlichung von Großbetrieben und „aller Bereiche der Daseinsvorsorge“ gefordert, die 30-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich, ein öffentliches Beschäftigungsprogramm, die Abschaffung der Schulnoten sowie ein „nordrheinwestfälisches Modellprojekt für Cannabis, welches den Besitz, Erwerb, Anbau und Handel“ mit dem Rauschgift legalisieren soll. Die Formulierung „Recht auf Rausch“ wurde aus dem Programmentwurf gestrichen.

Und Parteichef Oskar Lafontaine ruft seine Truppe in Hamm zur „Erneuerung und Wiederherstellung der Demokratie“ auf.

Unternehmer an den Pranger, angeblich Reiche ächten, Gläubige diskriminieren, Leistungsträger schröpfen – schöne neue Demokratie.

Dass diese Partei mittlerweile in Parlamenten und sogar in Landesregierungen sitzt, macht betroffen. Und nachdenklich – während am 9. November nahezu rund um die Uhr das Fernsehen zurückblendet und anschaulich zeigt, wie es damals war da „drüben“ im Spitzelstaat, der seine Bürger eingemauert hatte und all diejenigen drangsalierte und ihrer Menschenwürde beraubte, die den Mund aufmachten. Schon vergessen?

Der Hammer Parteitag schüttete den Tausenden u.a. am Brandenburger Tor fröhlich 20 Jahre Mauerfall Feiernden einen Wermutstropfen in den Sekt. Die Linke ist allerdings wohl auch kaum zum Feiern aufgelegt. Ganz im Gegenteil.    ULRICH JUNG


Wem gehört eigentlich Opel? 

Letzten Endes wird man vielleicht einmal froh sein, dass der (allein politisch gewollte) Deal mit dem Magna-Konzern nicht geklappt hat und dass das inzwischen durch Milliarden von US-Steuergeldern einigermaßen gesund gemachte Staatsunternehmen „New“ General Motors Opel behalten will. Magna nämlich fährt dieses Jahr ein dreistelliges Millionen-Minus ein, und das von der Politik so bejubelte Konzept sieht in Sachen Stellenabbau unrStrich nicht wesentlich anders aus als das von GM.

Opel als europäische Bastion, das macht eben auch Sinn für die Amerikaner. Insofern werden die ihre Tochter nicht in den Ruin treiben. Umstrukturieren kostet Arbeitsplätze, ja leider, aber nicht nur bei Opel.

Natürlich kann man über das monatelange Hin und Her sehr wohl verärgert sein. Vor allem die 25000 deutschen Opelaner, die teils im Wahlkampf missbraucht, teils von GM verschaukelt wurden, sind zu recht empört. Ob freilich ein Streik jetzt Sinn macht, ist doch sehr fraglich. Denn die Amerikaner sind weniger zimperlich als deutsche Unternehmer, und sie lassen sich, wie die jüngste Vergangenheit anschaulich vorführte, schon gar nicht von deutschen Politikern, auch nicht von der  soeben in den USA gefeierten Angela Merkel beeindrucken. Die Opelaner sollten deshalb aufpassen, dass sie den einen oder anderen Standort nicht wegstreiken.

Überhaupt entbehren die gestrigen politischen Reaktionen aus Berlin nicht einer gewissen Lächerlichkeit. Wem gehört Opel denn eigentlich? Doch nicht der Regierung oder der Opposition, obwohl die schon vor allem in der Hochzeit des Wahlkampfes so taten, sondern einem der immer noch größten Automobilkonzerne der Welt. Auch die neuen schwarz-gelben Amtsinhaber wären gut beraten, den Mund nicht allzu voll zu nehmen.

Der „Fall“ Opel zeigt einmal mehr: Politik sollte sich gefälligst aus notwendigen, wirtschaftlichen Abläufen heraushalten. Das sparte immense Summen an Steuergeldern – so schlimm es selbstverständlich für diejenigen ist, die ihren Job verlieren. Mit Staatseinmischung verlören sie ihn auch, vielleicht nur ein paar Monate später. Da springt dann „der Staat“ richtigerweise ein, weil er ein sozialer ist. Die Steuergelder jedoch wären für immer futsch. Und sind wir doch einmal ehrlich: Deutschland, die Welt könnte auch ohne Opel existieren, auch ohne die anderen, die nicht zeitgemäße Produkte auf den Markt bringen. Es gibt zu viele Autos, es gibt zu viele Unternehmen in dieser Branche, die Ähnliches herstellen. Da liegt der Hase im Pfeffer. Wer sich am Markt durchsetzt, also entsprechend produziert, der braucht keine Staatsknete.                                                                                                            ULRICH JUNG


Friedensnobelpreis - Wofür? Viele Fragen.

Friedensnobelpreis für Barrack Obama. Diese Nachricht sorgt seit Tagen für Aufregung nicht nur in den USA. Da bekommt einer den Friedensnobelpreis - und man fragt sich: Wofür? Da bekommt einer, der Krieg führt und der möglicherweise demnächst den Iran zur Raison bringen wird, den Friedensnobelpreis - und man fragt sich: Wie geht das? Ein Krieger und diese Auszeichnung? Da bekommt einer den Friedensnobelpreis für seine Visionen - und man fragt sich: Was, wenn die nicht einigermaßen in Erfüllung gehen (wie es derzeit zumindest aussieht)? Das ist so, als bekäme ein Schriftsteller den Literaturnobelpreis, weil er der Welt verkündet hat, demnächst eventuell ein tolles Buch schreiben zu wollen... Der Friedensnobelpreis wurde dieses Jahr massiv entwertet. Und ob diese Auszeichnung dem amerikanischen Präsidenten wirklich etwas bringt (außer dem Geld), darf man getrost bezweifeln. Sie wird ihn eher belasten, und am Ende steht da einer, von dem dann alle sagen werden: Den Preis hat er wirklich nicht verdient.      ULRICH JUNG

Mundtot machen

Die Wortwahl des Thilo Sarrazin mag ja vielleicht dem einen oder anderen zu drastisch gewesen sein. Aber recht hat er mit seinen Anmerkungen in Sachen Integrationspolitik. Deutschland kann es nicht! Natürlich gibt es positive Beispiele. Aber eben auch - und zwar in beängstigender Vielfalt - negative. Wer das sagt und zur Diskussion stellt, wird mittlerweile reflexartig bedient; als Rassist, ewig Gestriger, den Neonazis Nahestehender. Fakten, die Sarrazin widerlegen sollen, hört man keine (weil es nachweislich auch keine gibt). Meinungsfreiheit? Gilt nur, wenn die Meinung der Gutmenschen, Schönredner und An-der-Wahrheit-Vorbeischwätzer getroffen wird. Und so werden notwendige Diskussionen zu wichtigen Themen der Zeit, die die Gesellschaft beschäftigen, kurzerhand abgewürgt. Diejenigen, die die Diskussion vernünftigerweise angestoßen und brennende Themen öffentlich gemacht haben, werden immer öfter systematisch mundtot gemacht und schließlich beruflich ruiniert. Darum schweigen bei uns die meisten oder gucken weg. Bloß nicht anecken, bloß nicht politisch unkorrekt die Wahrheit sagen. Wahrheit? Interessiert in bestimmten Zusammenhängen hierzulande schon lange nicht mehr. Mehr Sarrazins braucht das Land, mehr Mutige, die das beim Namen nennen, was ein Großteil der Menschen hier Angst macht. Dass Integration keine Einbahnstraße ist, sollten eigentlich inzwischen alle gemerkt haben. Wegducken und vorauseilender Gehorsam werden niemals Probleme lösen, ebenso wenig wie diese einfach nicht zur Kenntnis zu nehmen. Im Gegenteil. Wir geben uns da eher der Lächerlichkeit preis. Ernst nimmt man uns bei diesem Thema doch längst nicht mehr.     ULRICH JUNG


IM ARCHIV GEBLÄTTERT

Blick zurück - vor 20 Jahren fiel die Mauer (Kommentar-Serie)

Vor 20 Jahren, im November 1989,  fiel die Mauer. Am 3. Oktober 1990 wurde der neue "Tag der Deutschen Einheit" geboren. Was passierte in diesen Monaten davor und danach? Ich habe mal im Archiv gestöbert und einige Kommentare zum Thema zusammen gesucht, die in den nächsten Wochen hier veröffentlicht werden. Es waren Meinungsbeiträge in der "Offenbach-Post", und sie schildern die damalige, wenn man so will, Gemütslage - meine und die eines großen Teils unserer Gesellschaft. Heute:

Ein Traum wird wahr (erschienen am 11. November 2009)

Fassungslose Freude, von unbeschreiblichem Glück geprägte Gesichter: Es waren bewegende, nicht nur die westliche Welt tief beeindruckende Bilder aus der historischen Nacht vom 9. auf den 10. November 1989. In der deutsch-deutschen Geschichte und wohl weit über sie hinaus wurde ein neues, ein diesmal freudiges Kapitel begonnen. Die ersten Seiten haben diejenigen geschrieben, die mit bis dahin nie dagewesenem Mut und Selbstbewußtsein den Aufstand von unten wagten und das  menschenverachtende Regime in die Knie zwangen. Der unbändige Wille nach Freiheit setzte sich durch, explodierte quasi an der Mauer und ließ den Machthabern schließlich keine andere Wahl mehr, als nachzugeben. Und dann gestern abend die Ankündigung von freien Wahlen ein weiterer, unglaublicher Höhepunkt der dramatischen, den ganzen Tag über Schlag auf Schlag hereinbrechenden Ereignisse.

Wer hätte diese Geschwindigkeit, mit der sich die Reformbestrebungen  in  der DDR überstürzen, jemals für möglich gehalten? Aber was von unten bewegt wurde, muß nun oben verstanden und wirklich überzeugt umgesetzt werden.

Wenn nicht alles täuscht, dann wurde in den vergangenen Stunden das Ende der Nachkriegszeit auch für die DDR eingeläutet; die Deutschen drüben haben 40 Jahre länger als wir, 28 davon eingemauert, auf diesen Augenblick, auf das Wahrwerden eines Traumes warten müssen:

Die Mauer gibt es faktisch nicht mehr!

Gleichwohl stellt sich mit den eindrucksvollen Augenblicken, die über Nacht die DDR veränderten, eine schizophrene Situation dar: Die Mauer wurde 1961 gebaut als Bollwerk des Kommunismus zum Westen, um die Menschen  im  anderen  Teil Deutschlands daran zu hindern, scharenweise das Land zu verlassen. Seit gestern wird sie auseinandergebrochen aus eben demselben Grund.

Und es war, auch eine Ironie der Geschichte, ausgerechnet ein Russe, nämlich Michail Gorbatschow, der zumindest indirekt die deutsche Frage wieder aktuell werden ließ. Willy Brandt, der große alte Mann der SPD, der 1961 als Regierender Berliner Bürgermeister machtlos  den Schrecken gegenüberstand und gestern gerührt von begründeter Zuversicht sprach, sieht die beiden deutschen Staaten „der Einheit jetzt viel näher". Das macht Hoffnung auf künftig vernünftige Dialoge. Die Wieder-Vereinigung, wie immer sie dann gestaltet sein soll, steht jedenfalls auf der Tagesordnung,  wenn auch nicht an erster Stelle. Sie ist mithin keine intellektuelle Spinnerei mehr.

In allzu verständlichen Freudentaumel dürfen freilich die Realitäten der täglichen Praxis, hier wie dort, nicht übersehen werden. Die DDR steht, wenn auch die Entwicklungen der letz ten Tage nachgerade atemberau bende Ausmaße annahmen, erst ganz am Anfang.

Zugegeben:   Egon   Krenz scheint Gorbatschows Perestroika mehr als wörtlich zu nehmen, ja, es sieht fast so aus, als wäre er dabei, den Kreml-Chef auf dem steinigen Reform-Weg überholen zu wollen. Immerhin hat der neue Mann am DDR-Ru der in nur wenigen Wochen das angepackt, wenn auch unter dem aufwühlenden Druck der Öffent lichkeit, wozu z. B. Ungarn oder Polen Jahre brauchten.

Vielleicht entwickelt sich Krenz tatsächlich zu einem deutschen Gorbatschow, zu einem, der wirklich die Kraft aufbringen kann, das verknöcherte System auszuschalten, um zügig das Feld für Demokratie und Freiheit zu bestellen. Das inzwischen ver kündete Aktionsprogramm geht in die richtige Richtung. Doch all das braucht seine Zeit. Darüber müssen sich die immer aufgereg ter werdenden Menschen im kla ren sein. Sie zu Besonnenheit und Geduld aufzufordern, das ist jetzt zweifellos berechtigt.

Zu wünschen wäre, daß die jüngsten Bilder ebenso Krenz beeindruckten und ihm Mut machten, Schritt für Schritt weiter vor wärts zu gehen. Er müßte eigent lich, wenn er nicht gänzlich ohne menschliches Fühlen ist, spätestens seit der Donnerstagnacht eingesehen haben, daß es sich lohnt, zu kämpfen.

Aber auch der Bundesrepublik Deutschland stehen noch erhebliche Probleme ins Haus. Das fängt an beim Beschaffen von Wohnraum für DDR-Flüchtlinge, die nicht wieder zurückkehren wollen und hört auf bei finanziellen Unterstützungen im weitesten Sinne, mit denen einerseits den Menschen hier eine Chance zum Neuanfang gegeben und andererseits die Wirtschaft drüben flottgemacht werden können. Daß ohne eine funktionierende Wirtschaft letztlich auch politische Wendemanöver ohne Wirkung auf den angesteuerten Kurs bleiben, erlebt zur Zeit Gorbatschow mehr als intensiv.

Hier also gilt es ganz besonders zu helfen, freilich ohne Aufdringlichkeit oder Reicher-Onkel- Manieren und vor allem ohne Häme unter dem Motto: Wir werden euch schon zeigen, wo ihr langzugehen habt. Schon gar nicht sollten sich unsere Volksvertreter jetzt parteipolitischen Profilneurosen hingeben, womöglich sich übertreffend in un überlegten   Versprechnungen, weil Wahlkampf ist. Verantwortungsbewußtsein und Augenmaß, wie gestern erst wieder von Bundespräsident Richard von Weizsäcker angemahnt, sind gefordert  im übrigen von uns allen -, wollen wir ernsthaft diesen historischen Prozeß positiv begleiten und gemeinsam mit der DDR schließlich zum guten Ende bringen.

Und dabei spielt im beiderseitigen Interesse eine wesentliche Rolle, daß den DDR-Bürgern das zartsprießende Pflänzchen Vertrauen nicht wieder zertreten wird und sie dann doch zu der Überzeugung gelangen, in ihrer Heimat leben zu wollen.

Bundesregierung, Fraktionen, Länder, Kommunen, Kirchen und Gewerkschaften hierzulande gehören deshalb schleunigst an einen Tisch, um über die Bewältigung der vielfältigen Probleme eingehend zu beraten. Ideologische Scheuklappen (sie haben sich überlebt, wie die Vorgänge in der DDR eindrucksvoll belegen) oder parteipolitische Strategien müssen dabei allerdings außen vorgelassen werden. Sonst nämlich wird leichtfertig hinten das umgestoßen, was vorne aufgebaut wurde. Gleichzeitig sollte die Bundesregierung umgehend Kontakt zur DDR-Führung aufnehmen, damit die nächsten Schritte koordiniert werden können.

Eine Aufgabe insgesamt von ungeheuer reizvollen Dimensionen, deren Ausmaße augenblicklich noch völlig unübersichtlich sind. Mit Sicherheit ein Jahrhundertereignis.

Es ist schon eine bewegende Zeit, in der wir leben. Sich ihrer würdig zu erweisen, das muß spätestens seit gestern Ziel sein in Ost wie West.                ULRICH JUNG



 

Loch in der Mauer  (erschienen am 6.11.1989)

Der 4. November 1989 brachte  nach 1961, dem Jahr des Mauerbaus  die wohl denkwürdigsten Stunden in der Geschichte der DDR. Eine Million Menschen sollen es gewesen sein, die am Samstag in Ost-Berlin für die ganze Freiheit auf die Straßen gingen. Der friedliche Aufmarsch, die äußerst kritischen Rufe und Reden, wurden vom Staatsfernsehen live über tragen. Zugleich verfügte die DDR-Regierung eine generelle Ausreiseregelung, nach der Bürger ohne gesonderte Papiere ihr Land über die CSSR verlassen können. Wer hätte das jemals für möglich gehalten -  selbst aus der DDRFührung?

Ein ganzes Volk ist auf dem Weg zur eigenen Identität. Oder, wie es der Schriftsteller Stefan Heym trefflich formulierte: „Wir haben in den letzten Wochen unsere Sprachlosigkeit verloren und sind nun dabei, den aufrechten Gang zu erlernen."

Und staunend stellen die Demonstranten fest, welchen Mut sie plötzlich haben.

So gesehen war der 4. Novem ber 1989 auch die wirkliche, Ost und West aufwühlende Gedenkfeier zum unlängst offiziell bejubelten 40. Geburtstag der DDR. Kein befohlenes   Fähnchenschwingen mit schockierenden Lobpreisungen über die ach so absoluten Erfolge des real existierenden Sozialismus', sondern der geballte, laut herausgeschrieene Wille nach freier Meinung, nach Demokratie und durchgreifenden Reformen für ein lebenswertes Leben. Und da nahmen sie denn auch kein Blatt mehr vor den Mund, so als atme ein 40 Jahre lang unterdrücktes, bevormundetes Volk endlich und endgültig tief durch, so als feiere man den Geburtstag einer neuen DDR. Die Bilder vom Alexanderplatz machen betroffen und beeindrucken die ganze Welt.

Egon Krenz müßte spätestens jetzt begiffen haben, daß seine Notmaßnahmen, das Volk zu beruhigen, erst einmal überhaupt nichts fruchteten. Die Entlassung der konservativsten, einstigen Galionsfiguren der Einheitspartei, die erstaunt machende Öffnung der Medien oder selbst das Loch in der Mauer  mit Umweg über die CSSR , auch seine lange Latte von Versprechungen, die er, wahrscheinlich unter dem Eindruck der bevorstehenden Großdemonstration, am Freitag erst via Bildschirm verbreitete, das alles ließ aufhorchen. Geglaubt haben ihm offensichtlich die wenigsten. Der Treck der Tausenden und Abertausenden, die sich direkt danach in Richtung Bundesrepublik Deutschland absetzten, zeigt das eindeutig.

Er legt aber auch ein Phänomen offen, das zu begreifen im Augenblick sehr schwer fällt: auf der einen Seite die Millionen, die, mit einem nie gekannten neuen Selbstbewußtsein ausgestattet, Veränderungen erzwingen wollen und in wenigen Wochen auch schon Einschneidendes erreicht haben; auf der anderen Seite die dramatisch zunehmende Zahl derjenigen meist jungen Menschen, die, voller Resignation und tiefem Mißtrauen, alles stehen und liegen lassen, um endlich frei zu sein. Ungewöhnlich mutig und Respekt abverlangend handeln sie alle, keine Frage.

Mit jedem jungen Flüchtling aber verliert die DDR ein Stück ihrer Zukunft. Engpässe in der Gesundheitsversorgung, wie sie letzte Woche zutage traten, sind erst der Anfang. Außerdem, auch das darf in diesem Zusammenhang nicht verschwiegen oder beschönigt werden, bringen die unerwarteten Flüchtlingsströme die Bundesrepublik in zunehmende Schwierigkeiten. Auch wir können letztendlich nicht wollen, daß das andere Deutschland ausblutet. Andererseits dürfen die Flüchtlinge nicht abgewiesen werden. Wir wollten doch, daß die Grenzen geöffnet werden. Nun sind sie zumindest durchlässiger, dementsprechend gilt es, konsequent zu handeln. Eine historische Aufgabe!

Krenz hat allein vor diesem Hintergrund keine Zeit mehr, sich mit taktischen Manövern oder optischen Retuschen durchzulavieren. Ihm, viel wichtiger: der DDR, hilft nur noch die Flucht nach vorn. Die SED muß den Weg frei machen, muß ihren Vormachtanspruch aufgeben.

Erst die Öffnung zum Pluralismus wie in Polen oder Ungarn, nach SED-Logik zugegebener maßen der Schritt zu ihrem eigenen Ende als Staatspartei, brächte berechtigte Hoffnungen auf wirkliche Veränderungen und würde den Massenexodus stoppen.           ULRICH JUNG


DDR kommt nicht zur Ruhe (erschienen am 3.11.1989)

Wie lange soll, wie lange eigentlich kann das noch so weitergehen in der DDR?

Tag für Tag gehen Tausende auf die Straße bislang, Gott sei Dank, kam es zu keinen gewalt--tätigen Ausschreitungen.

Tag für Tag verlassen seit Monaten Hunderte ihre Heimat auch der Abtritt Honeckers bzw. die von Krenz vollmundig verkündete Wende scheint die Massen nicht zu überzeugen. 110 000 ha-ben in diesem Jahr bislang dem Arbeiter- und Bauernstaat den Rücken gekehrt.

Unterdessen macht der neue Mann am Ruder auf staatsmännisch, reist zu Gorbatschow (wohlgemerkt: ein Arbeits-, kein-Antrittsbesuch), weilte in Polen, um Perestroika zu studieren, ist aber, wie der Kreml-Chef wohl auch, keineswegs unbedingt gewillt, den Kurs grundsätzlich zu ändern.

Ein bißchen Offenheit in den Medien, ein paar vage Aussichten auf Reiseerleichterung, öf-fentliche Diskussionen hier und da, oder der Abgang einiger ehemaliger Gallionsfiguren das war's dann auch schon. Außer Spesen nicht viel gewesen.

Die Sozialistische Einheitspartei pocht auf ihren Alleinanspruch, ihre Existenz sei gar ein Ausdruck von „Pluralismus";

Wiedervereinigung nein danke; für den Abbruch der Mauer sieht man schon gar keinen Anlaß, im Gegenteil: „Die Mauer hat andere Gründe als das Zusammenkommen der Menschen zu verhindern ..."; und überhaupt, das Reisen zwischen den beiden deutschen Staaten „ist nicht vergleichbar mit dem in anderen Ländern". Wer dies ernsthaft als Wende bezeichnet, der ist von den Realitäten ebenso weit entfernt wie Krenz und sein Politapparat. Warum beispielsweise Bangemann  oder  Mischnick (beide FDP) in der Krenz-Politik eine große Nummer sehen, ist ebenso schleierhaft wie wenig hilfreich.

Da werden doch nur alte Hüte auf neue (Beton-)Köpfe gesetzt unter dem Motto: Viel reden, so tun, als ob man hinhört, noch mehr andeuten nur nicht konkret werden. Die Hauptsache ist, daß Ruhe einkehrt, und dann weiter im Gleichschritt marsch!

Es wird aber keine Ruhe einkehren. Und vor allem Krenz wird nicht zur Ruhe kommen, jeden-falls solange nicht, wie er im Nebulösen Politik macht, wie er, ohne handfeste, greifbare Refor--men durchzusetzen, die Wahrheiten für den Aufruhr in der DDR zu verkleistern sucht.

Die Skeptiker haben in den letzten Tagen Recht bekommen. Krenz ist nicht der Reformer,-nicht der Hoffnungsträger, er ist er beinharte Betonkopf, der, offenbar auf derselben Welle mit Gorbatschow, den zerbröselnden Schutzwall zum Kapitalismus wieder flicken will. Mit anderen Mitteln zwar als seine Vorgänger, die weniger ausgefuchstwaren im PR-Geschäft, in der Selbstdarstellung.

Krenz, und das zeichnet sich mehr und mehr ab, ist in der Tat nur ein Übergang. Hoffentlich!

Und die DDR bleibt nach wie vor ein Pulverfaß! Unmöglich erscheint, im Augenblick wenigstens, daß das SED-Regime die Schraube vollends wieder zurückdrehen kann. Zuviel hat sich da, von aller Welt aufmerksam verfolgt, an dramatischer Opposition entwickelt. Unmöglich freilich ist andererseits, den Staats-Tanker, der 40 Jahre lang stur auf Kurs lief, in nerhalb weniger Tage und Monate voll zu wenden. Aber die Menschen dort werden zunehmend unruhiger und aufgebrachter, weil sie bislang nicht andeutungsweise bemerken, daß wirkliche Wendekommandos von der Brücke kommen. Selbst in der SED-Mannschaft rumort es. Ein-Auswechseln der alten mit neuen Betonköpfen wird insgesamt die -Stimmung kaum verbessern.

Wenn den vielzähligen Sprüchen nicht langsam konkrete Signale, also echte Reformen folgen, dann wird die Meuterei eskalieren und der Kapitän am Ende versenkt.

Krenz' Zeit läuft seit Beginn-seines Amtsantritts ab.

ULRICH JUNG


Was will Krenz? (erschienen am 21.10.1989).

 
 Da war zuerst ein leises Durchatmen, als Honecker abstürzte. Es folgten Skepsis, z.T. sogar herbe Enttäuschung, nachdem die neue Nummer 1 der DDR 57 Minuten lang live via Bildschirm auch die letzten Hoffnungsvollen mit wohlbekannten Politbüro-Schlagwörtern und Unverbindlichkeiten eher verunsicherte. Und dann, ein paar Stunden später nur, Diskussionen mit Arbeitern, der Kirche gar. Schließlich, wieder live im Staatsfernsehen, konnten Bür-

Jerinnen und Bürger ungefiltert K-Großkopferte zur Situation befragen.

Am Ende des ersten Dienst-Tages konkretisierte Egon Krenz seine Wendegedanken, ein bißchen wenigstens. Reiseerleichterungen stehen auf der Tagesordnung, Möglichkeiten (demnächst) für Trips ins Ausland, später einmal vielleicht sogar ein Paß für jeden.

Ansätze für den Kurswechsel?

Vor allem die Medienöffnung ist sicher positiv zu bewerten, als Barometer für einen leichten Klimawechsel.

Und so begann tatsächlich ein Dialog zwischen DDR-Führung und Volk. Vorsichtig zwar und bei weitem längst nicht so intensiv oder in die Richtung, wie man sich das gewünscht hätte, aber immerhin. Ein Tanker, der 40 Jahre schwerfällig durch die Wellen stampfte, kann nun einmal nicht auf der Stelle gewendet werden. Ein Problem, mit dem der gesamte Ostblock, allen voran das Gorbatschow-Rußland, zu kämpfen hat.

Der Apparat scheint sich jedenfalls zu bewegen, wenn auch sehr sachte. Hoffen wir also weiter.Aber niemand sollte das Wort von der „Wende", wie es Egon Krenz immer wieder benutzte, voreilig als Weg weg vom Machtmonopol der SED / hin zur Demokratie interpretieren. Er will zuerst einmal Ruhe und Ordnung im aufgewühltenLande haben. Und da könnten aufmerksames Zuhören, Andeutungen, offenere Medien und staatsmännische Besuche möglicherweise eine Zeitlang wie Valium wirken. Um so schlimmer freilich wäre das Aufwachen, wenn dann doch nicht greifbar Positives für die Menschen dort geschieht.

Was Krenz wirklich will ob er der Mann ist, der nach dem Personalauch den Kurswechsel anstrebt und die geforderten Reformen einleitet, oder ob er mit seiner „Wende" meint, die angeschlagene, zerbröckelnde SED wieder auf ihren angestammten Platz, auf Vordermann zu bringen -, das weiß heute keiner.

Für letzteres spricht die politische Herkunft Krenz', sein Weg auch vom stramm die SED-Fahne hochhaltenden Honecker-Zögling zur Macht. Für ersteres dagegen spricht erst einmal fast gar nichts.

Also doch, wie viele hüben und drüben vermuten, ein Mann des Übergangs?

Es fällt schwer, Krenz als wahren Hoffnungsträger einzuordnen, zumal der Flüchtlingsstrom immer noch nicht abreißt. So als wenn viele trotz (oder wegen) Krenz die Hoffnung endgültig verloren hätten.

Die Lage der DDR ist anders geworden seit dem vorigen Mittwoch, spürbar, sichtbar; deshalb aber ist sie nicht unbedingt berechenbarer.Das gilt ebenso für das deutsch-deutsche    Verhältnis. Wenn Krenz beispielsweise bei seinen angekündigten Reiseerleichterungen (wie immer die auch aussehen mögen) Bonns „Festhalten an der Obhutspflicht für alle Deutschen" als Hindernis aufbaut, dann klingt das nicht eben ermutigend. Oder seine im Parteikauderwelsch formulierten Gedanken vom Ausbau des Rechtsstaates und der Demokratie selbstverständlich unter dem knallroten sozialistischen Mäntelchen; das hört sich an wie gehabt, die SED und ihr „Programm" als das Alleinseligmachende, als  Glücksbringer für den Arbeiterund Bauernstaat.

Und doch müßte Krenz inzwischen begriffen haben ein Blick nach Polen, Ungarn oder in die Sowjetunion, ja, selbst in seinen eigenen, zugemauerten Staat reicht -, daß die Zeit des starren Daranfesthaltens und der Schönfärbereien abgelaufen ist. Die DDR-Bevölkerung macht das Gegängeltwerden nicht mehr mit, eine Entwicklung, wie sie in anderen Ostblockstaaten schon lange zu beobachten war; am Ende wurde mancher Apparatschik unter den Trümmerhaufen seiner Politik begraben.

Auch vor diesem Hintergrund ist die Situation in der DDR nach dem Honecker-Abgang heute eine andere. Auf die FriedeFreude-Eierkuchen-Stufe   des Krenz-Vorgängers kann die SED kaum mehr zurück, weil das Volk, von aller Welt beobachtet, zu weit vorangegangen und keinerlei Unterstützung von den Bruderländern zu erwarten ist. Krenz hat wahrscheinlich gespürt (wenn nicht, dann wird er es noch intensiv zu spüren bekommen), daß hinter dem Aufschrei nach Veränderungen mehr steckt als nur eine vorübergehende Erscheinung.

So bleiben ihm letztendlich nur schrittweise, echte Reformen, oder   der   Absturz   kommt zwangsläufig.                            ULRICH JUNG


Krenz löst Honecker ab (erschienen 19.10.1089)


 Zwölf Minuten nach 14 Uhr gestern nachmittag war das politische Ende Erich Honeckers offiziell. Daß er aus gesundheitlichen Gründen, wie die Nachrichtenagentur ADN verlautbarte, schließlich das Hand tuch warf, ist wohl nur die halbe Wahrheit.

Ausschlaggebend für den letzten Dienst, den der greise DDR Führer seinem unterdrückten und bevormundeten Volk erwies, war eher der intensive Besuch Gorbatschows vor zwei Wochen, der monatelange Massenexodus und ebenso der erstmalig in dieser Dramatik herausgeschrieene Wille Zigtausender nach Reformen.

Die Saat des Kreml-Chefs von Glasnost und Perestroika scheint jetzt endlich auch in der DDR auf gegangen zu sein.

Mit dem Abgang des Cheforganisators beim Bau der Mauer 1961 hat die DDR gute Chancen, einen Schlußstrich unter den vielleicht letzten tragischen Akt zu ziehen und einen Neuanfang zu wagen.

Der 18. Oktober 1989 ist, wie Willy Brandt, frisch mit aktuellsten Informationen aus Moskau bestückt, schon vor der Ost-Berliner Entscheidung orakelte, in der Tat ein historisches Datum  für Ost und West. Ein Tag der vorsichtigen Hoffnung auch auf womöglich baldige politische und wirtschaftliche Veränderungen.Doch trotz des nachgerade hörbaren Aufatmens hüben wie drüben bleibt vorerst Skepsis angebracht. Der Nachfolger, Egon Krenz, mag ja mit seinem für Politbüro-Verhältnisse regelrecht jugendlichen Alter Reformgedanken zugänglicher sein als die z.T. gesundheitlich arg angeschlagenen ZK-Methusalems. Der in der SED für Sicherheit, Kaderfragen, Jugend und Sport zuständige und seit längerem schon als möglicher Kronprinz gehandelte 52jahrige hat bislang freilich keinen Beweis dafür geliefert. ImGegenteil: Sein Name steht im Zusammenhang mit den Ereignissen um die Zionskirche in Ost Berlin, wo es Ende 1987 zu Durchsuchungen und vorläufigen Festnahmen gekommen war. Es war auch der stramm auf Honecker-Kurs agierende Krenz, der die blutige Unterdrückung der Reformen in China seinerzeit be sonders enthusiastisch begrüßt hatte. Kein Wunder also, daß u.a. in Kreisen kritischer Bürgergruppen die Wahl von Egon Krenz mit Zurückhaltung und Mißtrauen aufgenommen wurde. Die Mitinitiatorin des „Neuen Forums", Bärbel Bohley, reagierte sogar eher enttäuscht auf die Nachricht. Erste Reaktionen des politischen Westens strotzen auch nicht gerade von euphorischem Überschwang.

Aber auch in andere Ostblockstaaten ist in jüngster Zeit Bewegung geraten; Krenz ist, nicht zuletzt von seinem eigenen Volk, bedrängt, überzeugende Antworten auf die Forderungen nach Bürgerbeteiligung, Informationsfreiheit,   Meinungspluralismus und Sicherheit vor Behördenwillkür zu geben. Worte, die üblichen Unverbindlichkeiten reichen da nicht, Taten müssen folgen. Mit dem Auswechseln von Köpfen an der Staats- und Parteispitze al lein ist es auch nicht getan, wenn gleichzeitig gedankliche Betonbarrieren weiterhin parlamentarische Demokratie verhindern um des bloßen Erhalts des Macht- monopols willen. Auch für Krenz gilt Gorbatschows unlängst in Ost-Berlin so vorausschauend gesagter Satz: „Wer sich nicht bewegt, den bestraft das Leben".Will er die DDR nicht noch mehr entvölkern, die Menschen dort nicht noch mehr demoralisieren und demotivieren, dann bleibt ihm unterm Strich nur eine Möglichkeit: das Land öffnen  womit nicht nur die Grenzen gemeint sind.     ULRICH JUNG


Der Beton bröckelt (erschienen 13. 10. 1989)


 Der Beton bröckelt und SED-Staatsratsvorsitzender Erich Honecker scheint politisch mausetot. So hat sich Gorbatschows vorige Woche zur DDR-Jubelfeier hintergründig ausgesprochener Satz: „Wer zu spät reagiert, den bestraft das Leben" offensichtlich schneller als erwartet, ja, als erhofft verwirklicht.

Und doch ist überschäumende Euphorie fehl am Platze. Das verbale Einlenken einiger Hardliner, so begrüßenswert es auch grundsätzlich sein mag, hat im Äugenblick eher den Wert von vorsichtigen, optischen Retuschen, die die aufgebrachten Massen beruhigen sollen, ohne daß man sich freilich auf allzu Konkretes festlegen will. Die teilweise hehren Formulierungen des Politbüros signalisieren allenfalls eine erste Nachdenklichkeit, die aber kaum aus innerer Einsicht, sondern unter dem Druck der wachsenden Opposition hüben wie drüben und selbst in den eigenen Kaderreihen zähneknirschend geboren wurde. Unmißverständliche Reformbestrebungen der DDR-Führung oder gar der Beginn eines Kurswechsels sind jedenfalls nicht erkennbar.

Immerhin: Ein bißchen Hoffnung wenigstens auf irgendwann einmal greifbare Veränderungen hinter der wackelnden Mauer ist erlaubt. Es wird, ein paar Tage nur nach der Gorbatschow-Visite im unfreien Teil Deutschlands, deutlich, daß der Kreml-Chef wohl mit seinem greisen OstBerliner Statthalter wie auch mit dessen Getreuen Tacheles geredet haben muß mehr, als zu bekennen er in der Öffentlichkeit bislang bereit war.Ein weiterer, die Nachdenklichkeit wahrscheinlich beflügelnder Faktor dürfte dazu die hanebüchene, der Realität vollkommen enthobene Jubel-Rede Honekkers gewesen sein, die bei vielen nicht nur im Westen ein mitleidiges Kopfschütteln hervorrief. Damit hat sich Honecker vollends aus der politischen Laufbahn katapultiert, beschleunigt durch den anhaltenden Aufschrei Menge.

Jetzt will das Politbüro Erklärungen zur wirklichen Lage; sie führen ihn nachgerade vor, was es so in der DDR noch nie gegeben hat.

Gorbatschow hat sein Credo von Glasnost und Perestroika hinterlassen. Ob die in die Betonköpfe gebrachten Gedanken fruchten, ob das Pflänzchen Hoffnuna jetzt politisch gedüngt oder am Ende zertreten wird, das dürfte sich in der nahen Zukunft entscheiden wohl ohne Honekker.

Wie sich der Prozeß in der DDR aber   tatsächlich   entwickelt, hängt nicht zuletzt vom Verhalten der Oppositionellen dort ab. Es gibt bereits warnende Stimmen, die gewalttätige Auseinandersetzungen befürchten, weil es den Menschen zu langsam vorangeht. Die Lunte liegt, trotz der soeben angedeuteten Dialogbereitschaft, immer noch gefährlich glimmend am prallgefüllten Pulverfaß. Ein Funke reicht, um es zum Zerbersten zu bringen. Das Politbüro nämlich sieht seine Felle davonschwimmen, und es wird das Machtmonopol, von dem abzurücken die Apparatschiks nicht einmal zwischen den Zeilen der jüngsten Erklärung ansatzweise bereit sind, notfalls mit dann brutaler Gewatt zu erhalten suchen.Das allerdings wäre ein empfindlicher Rückschlag für die Reformbemühten in der DDR, aber auch für diejenigen in Polen, Ungarn oder der Sowjetunion ein Rückschlag mithin auch für die keimenden Hoffnungen in der demokratischen Welt.

Aber insbesondere auch die Bundesrepublik    Deutschland täte gut daran, nun äußerst zurückhaltend die Bewegungen in der DDR zu beobachten. Das Gerede um Grenzen und Wiedervereinigung wäre im Augenblick ebenso Wasser auf die Mühlen der Starrsinnigen in Ost-Berlin wie womöglich hämisches Geschwätz unter dem Motto: Jetzt werden die kleingemacht...      ULRICH JUNG


Schlagstöcke (erschienen am 9. Oktober 1989)

Nach den peinlichen Jubelfeiern   Schlagstöcke   und Schreie. Wer aufmuckt, wird brutal niedergeknüppelt; wer auf die Straße geht, um seine Sehnsucht nach Freiheit und Menschlichkeit, nach Mündigkeit hinauszuschreien, der ist ein vom Westen gesteuerter „Randalierer". Noch deutlicher konnte das versteinerte DDR-Regime der Weltöffentlichkeit sein stures Festhalten am eingemauerten System kaum präsentieren.

Zum 40. Geburtstag klafft die Schere zwischen SED-Parolen und trauriger Realität im unterdrückten Volke weiter auseinander denn je.

Wenn Honecker im Angesicht von Massenexodus und den schwersten   Demonstrationen seit dem Aufstand des 17. Juni 1953 gar noch eine Bestätigung dafür findet, daß „die Existenz der sozialistischen DDR ein Glück für unser Volk ist", dann wirkt das nur noch lächerlich und den Tatsachen völlig entrückt. Gorbatschow mag am Ende vielleicht kopfschüttelnd aufgeatmet haben trotz aller tiefer Besorgnis um das Geschehen in seinem Vorposten zum Westen, als er wieder das Flugzeug nach Moskau bestieg.Er hat, wenn auch vorsichtig und meist indirekt, seine Meinung gesagt und durch seinen Auftritt in Ost-Berlin dokumentiert, daß es zwei Welten waren, zwei politische Generationen, die da am Wochenende nebeneinander „feierten": Der Reformer und Hoffnungsträger, dem die Selbstbestimmung eines Volkes einiges bedeutet; und der Uneinsichtige, der ideologisch Verbohrte, der sich um zunehmende Bürgerproteste absolut nicht schert und offensichtlich nicht wahrhaben will, daß er und seine vergreiste Riege vor dem Scherbenhaufen einer die Freiheit knebelnden Politik stehen.

Sie stemmen sich weiter gegen den Wind, der unaufhaltsam, von Gorbatschow initiiert, mit Glasnost und Perestroika über ganz Osteuropa weht, während ihnen die Jugend, die Zukunft mithin, in Scharen davonrennt und im Innersten erstmals Zigtausende ihre Sprachlosigkeit verlieren. Polizeiknüppel und Stasi-Schergen halten eine wachsende Opposition nicht mehr davon ab, den Aufstand zu proben. Die junge Generation, Kinder der DDR immerhin, hat die Nase voll. Sie blickt nach Polen und Ungarn, wo der Kommunismus zerbröckelt ist und der risikoreiche Weg hin zum Umschwung gewagt wird.

Wie sich doch die Bilder gleichen damals Polen, als sich die „Solidarität" formierte und den unfähigen Staatsapparat zu Fall brachte, gestern Ungarn, das von Reformkräften zur Abkehr vom Kommunismus und zum Übergang in einen demokratischen Sozialismus gezwungen wurde; heute die DDR, die zwar an allen Grenzen abgeschottet und im Innersten politisch verfault ist, von sich formierenden Oppositionsgruppen aber zu Reformen gedrängt werden wird.

Keiner weiß heute, wie lange dieser Prozeß dauern und welche Dramatik bis dahin diesen Staat noch erschüttern mag.

Das vergangene Wochenende war erst ein neuer, jäher Höhepunkt der voranschreitenden Umwälzung. Und SED-Chef Honecker hat seine wahrscheinlich letzte Chance verpaßt, am 40. Jahrestag wenigstens einen vorsichtigen Willen zum Neuanfang zu bekunden. Er hätte sich ein Denkmal setzen können.Jetzt aber wird Honecker sich selbst etwas vormachen, wenn er, wie hierzulande vermutet, in Kürze Ausreisewillige, sprich: unbequeme Bürger ziehen läßt. Die Zahl derer nämlich, die dableiben und ihre Heimat von innen her reformieren wollen, wächst von Tag zu Tag. In gleichem Maße schrumpfen seine Möglichkeiten, das Ruder herumzureißen; das werden, und da gleichen sich auch die Bilder zur Sowjetunion, nachdem Gorbatschow antrat, seine Nachfolger besorgen. Womöglich viel eher, als sich das der alte, kranke Mann an der Spitze der DDR-Führung im Augenblick vorzustellen in der Lage ist.  ULRICH JUNG

Hoffnungsträger (erschienen 7. 10. 1989 zum Gorbatschow Besuch in der DDR)


 Am Ende war es dann doch nicht ganz so, wie die meisten politischen Beobachter vorausgesagt hatten: Michail Gorbatschow vermied zwar in Ost-Berlin zumindest bei seinen öffentlichen Auftritten allzu deutliche Worte, die als klare Mißbilligung   gegenüber   der DDR-Staatsführung und damit als   berechtigter   Hoffnungsschimmer für die gespannt Abwartenden nicht zuletzt in der DDR selbst zu interpretieren gewesen wären. Immerhin aber mögen ein paar geschickt formulierte Andeutungen außerhalb des Protokolls und am Abend bei seiner Begrüßungsrede den aufmerksamen Zuhörern ansatzwelse das erkennbar gemacht haben, was Gorbatschow im Innersten wirklich über die dramatische Situation seines Bündnispartners denkt. Auf die Frage eines Reporters meinte er beispielsweise: „...ich bin sicher, daß jedes Volk selbst bestimmen muß, was aus ihm wird. Wir kennen unsere deutschen Freunde gut, ihre Fähigkeit, nachzudenken und vom Leben zu lernen und in der Politik entsprechende Korrekturen zu machen, wenn es nötig ist." Ihn jedenfalls könne nichts mehr in Erstaunen versetzen. „Gefahren warten nur auf jene, die nicht auf das Leben reagieren". Und bemerkenswerterweise fügte er hinzu: Wer die Impulse, die von der Gesellschaft ausgingen, aufgreife und seine Politik gestalte, der dürfe „keine Angst vor Schwierigkeiten haben".

Das wenigstens ging in Richtung Erich Honecker. Ansonsten übte der Kreml-Chef eher ziemliche Zurückhaltung. Aus wohl letztlich politisch-strategischen Erwägungen.Den Sowjets, daraus machte jüngst erst auch Eduard Schewardnadse in einer Rede vor der Uno-Vollversammlung kaum einen Hehl, geht es zuerst einmal um ihre eigenen Interessen. Und die verlangen aus Sicht des Kremls die Beibehaltung des Status auo. der die sowjetische Machtstellung in Europa garantiert. Schewardnadse betonte damals das grundsätzliche Prinzip, ,,wonach es jedem Bruderland freisteht, den Sozialismus in seinen Landesfarben auszugestalten". Damit liegt er ganz auf der Linie Gorbatschows. Dieses Prinzip freilich wäre sehr wohl auch für die DDR dehnbar, wie die geduldeten Umgestaltungen Polens oder Ungarns zeigen. Auch Schewardnadse meinte damals, „wir sehen nichts Bedrohliches darin, daß in Übereinstimmung mit dem Willen des polnischen Volkes eine Koalitionsregierung gebildet wurde".

Bis es allerdings hinter der Mauer zu Umwälzungen a la Polen kommen kann, ist es ein langer, steiniger Weg. Die DDR nämlich hat (noch) nicht die starken Oppositionskräfte, wie Polen mit der „Solidarität", und der Reformflügel innerhalb der Staatsführung, der Veränderungen von oben zu betreiben gewillt und in der Lage wäre, wachst gerade erst einmal vorsichtig heran.

Solange aber diese Voraussetzungen nicht geschaffen sind, bleibt die DDR wohl „Die Demoralisierte Republik", wie eine deutsche Wochenzeitung soeben trefflich titelte, die mithin am weitesten westwärts hinausgeschobene Bastion des Kommunismus im schlechtesten Sinne.Hinzu kommt für die Sowjetunion, daß die DDR weiterhin als wichtigster Lieferant des wissenschaftlich-technischen Wissens gilt, mit dem Gorbatschow seine Industrie und Wirtschaft befruchten muß, will er die Abrüstungspläne schneller vorantreiben und im wirtschaftlichen Weltmaßstab nicht noch weiter absacken.

Honecker wies seinen großen Bruder nicht umsonst in letzter Zeit immer wieder auf diese Verflechtungen hin und wucherte mit dem wirtschaftlichen Pfund auch politisch.

Seit Gorbatschow aber die Fäden zum Westen enger knüpft und dem SED-Apparat jene Menschen zu zig Tausenden davonlaufen, mit denen erst ein technisch-wissenschaftliches Potential zu erarbeiten wäre, könnte über kurz oder lang dieser Trumpf verspielt sein.

Wie auch immer: Von den „Jubelpersern", die zum Fähnchenschwingen abkommandiert waren, einmal abgesehen, die „Gorbi-Gorbi-Rufe", das „Hilf uns" aus den Reihen der trotz Flüchtlingswelle in der DDR Gebliebenen werden hoffentlich auch dem sowjetischen Hoffnungsträger wie ein Schrei nach Reformen geklungen haben. Heute hat er mit seinem Statthalter Honecker ein Vieraugen-Gespräch. Und vielleicht wird er diesem dann ein paar unbequeme Wahrheiten   ins   Gästebuch schreiben, womöglich damit eine neue Seite in den Geschichtsbüchern aufschlagen.

Irgendetwas  nämlich  muß nach den Jubelfeiern wirklich geschehen, damit das Pulverfaß hinter der Betonmauer nicht auseinanderkracht.

Die von politischem Starrsinn und verbalen Geschützen gegen die Bundesrepublik Deutschland geprägte „Feiertagsrede" Honeckers am Abend brachte allerdings auch nicht ansatzweise einen Anhaltspunkt selbst für die kleinste Veränderung im mittlerweile abgeschotteten unfreien Teil Deutschlands. Er hat damit einmal mehr deutlich gemacht, daß er der Realität vollkommen entrückt ist und im Traum nicht daran denkt, Perestroika zu versuchen. Honecker hat seinen Kurs nicht nur bekräftigt, er hat ihn zementiert.Um so wichtiger die Rolle Gorbatschows. Er sollte sein politisches Gewicht in die Waagschale legen, um wenigstens Tendenzen hin zum greifbar Besseren spürbar werden zu lassen. ULRICH JUNG


 

Alle sind wir jetzt gefordert (erschienen zum 3. Oktober 1990)

Es ist endlich, endlich soweit; ein Traum wurde wahr.               

Nicht einmal zwölf Monate nach der unblutigen Revolution hinter Stacheldraht und  Schandmauer ist Deutschland wieder eins. Der Spitzelsstaat, der, den Begriff Demokratie zynisch im Namen führend, vier Jahrzehnte lang seine Bürger schikanierte und drangsalierte, der mit seinem Gespenst vom real existierenden Sozialismus millionenfach Lebensglück und Menschen zerstörte, Wirschaft und Natur in Grund und  Boden ruinierte, hat aufgegehört zu existieren.    

Man möchte lauthals Gott  danken und den bekannten wie unbekannten Persönlichkeiten, die dies ermöglichten: Einheit in Freiheit, das Ende von Angst und Schrecken für unsere Landsleute. Wer hätte vor einem Jahr nur oder überhaupt noch daran zu denken gewagt?                  

Es ist, als ob seit den denk- würdigen   Novembertagen 1989 ein Ruck durch die Welt gegangen wäre. Kommunis mus und Sozialismus (auch wenn ihm manche heute - wie denn wohl? ein menschliches Antlitz verpassen wollen) verschwinden nach und nach auf dem Müllhaufen der Geschichte. Wahr gelebte Demokratie statt Marx und Murks, das Volk hat entschieden, und viele Völker auf der Welt werden sich noch so entscheiden. Der Prozeß des  Wandels ist programmiert, nicht zuletzt, vielleicht sogar vor allem durch den friedlchen Aufstand der DDR-Bürger im vorigen Herbst.  

Gorbatschow, zum Beisspiel, hat schneller begriffen als andere, auch hier bei uns im Westen: Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben. Ohne ihn, ohne seinen, wie die FAZ formulierte, „Eingriff in das Rad der Geschichte" wäre es anders gekommen; höchstwahrschein- lieh, zumindest, wäre die Be- freiung vom Terror des Stasi- und SED-Regimes nicht so friedlich über die Bühne gegangen.

Mit dem 3. Oktober 1990 ist die Vereinigung natürlich nur auf dem Papier vollzogen. Jetzt muß erst noch zusammenwachsen, was zusammengehört, jetzt müssen wir uns aneinander gewöhnen, uns akzeptieren und lernen, daß 40 Jahre Teilung in zwei völlig unterschiedliche Gesellschaftsstrukturen mehr bewirkt haben als allein Nachholwünsche für Autos, Fernseher oder Videorekorder.

Unsere Landsleute wurden nicht nur von den hierzulande selbstverständlichen Wohlstandströgen ferngehalten, das unmenschliche System hat den meisten auch Geist und Seele eingesperrt, sie zutiefst mißtrauisch gemacht, zu gedeckelten Menschen voller Komplexe.

Wer sich in den letzten Monaten. „drüben" umsah, wird das mehr als deutlich gespürt und dann auch verstanden haben, was 40 Jahre Sozialismus zurückließen.

Aber auch vor allem natürlich neugieriger Lebensmut, optimistischer Tatendrang und ein befreites Durchatmen prägen unsere neuen Mitbürger. Gute, ja beste Voraussetzungen, das Trauma DDR hoffentlich so bald wie möglich zu überwinden und Eigenschaften mithin, die manchem Satten hier ganz gut zu Gesicht stünden.

Wer eine neue Epoche mit sturer Kleinkariertheit beginnt oder mit Pseudointellektuellem Gehabe (aus lauter Trauer darüber, daß Honecker & Co. nicht mehr an den Schalthebeln der mißbrauchten Macht wirken), der wird auch eingeholt und irgendwann einmal vom Leben bestraft werden.

Nicht das Schüren von Neid und Haß und das eifrige Pflegen  einer bei uns oftmals zelebrierten Weinerlichkeit sind das Gebot der Stunde, sondern Ärmel aufkrempeln und mitanpacken, damit das uns von der geschichtlichen Entwicklung vor die gemeinsame Tür gelegte Aufgabenpaket zum Wohl aller bewältigt werden kann.

Mit dem 3. Oktober verschwindet aber nicht nur das kommunistische Deutschland von der Bildfläche, sondern auch jenes Westdeutschland, das seit dem Zweiten Weltkrieg unter die Fittiche der Siegermächte genommen wurde, also das provisorische Deutschland. Den einen oder anderen Nachbarn mag das erschrecken.


Wenn in Frankreich beispiels- weise auf Befragung 48 Prozent 5 spontan Hitler als Persönlichkeit | einfällt, denken sie an Deutschland (nur 25 Prozent nannten Kohl), dann ist das bezeichnend. Aber es ist auch ein Hinweis dafür, daß von hier aus noch sehr viel zu tun übriggeblieben ist, um  das Bild von uns geradezurücken und auch die letzten Ängste abzubauen. Das Vorgehen der  Bundesregierung, ganz vorne  wäre in diesem Zusammenhang  Außenminister Genscher zu nennen, hat in dieser Richtung gerade in den letzten Monaten sehr viel Vertrauensarbeit geleistet und quasi das I-Tüpfelchen auf die deutsch-deutsche und die Ost-Politik der Bundesregierungen zuvor gesetzt.              |

Dieser 3. Oktober ist wieder ein historisches Datum, eins  von so vielen, wie sie uns der Wandel jüngst bescherte. An uns allen letztendlich liegt es jetzt, was aus der Vereinigung Deutschlands eines Tages einmal wird. Viele Vorzeichen vor allem die Wirtschafts-Daten stehen positiv da und hoffnunggebend wie selten; negative Auswirkungen, ganz besonders in den neuen Ländem, werden sich umkehren.  Nicht von heute auf morgen; was 40 Jahre lang von den Kommandounternehmen Ulbrichts und Honeckers zusammengehauen wurde,  kann nicht in ein paar Wochen oder Monaten auf  Vorder mann gebracht werden. Das wird schon ein paar Opfer kosten. Und die existenziellen Sorgen vieler Mitbürger in den fünf neuen Ländern können und sollen nicht vom Tisch gelogen werden. Aber wir sollten uns nicht von denen verrückt machen lassen, die zwei deutsche Staaten lieber gesehen hätten und die jetzt durch die Lande ziehen und Unfrieden säen. Niemand braucht Angst zu haben, demnächst wegen der  Einheit darben zu müssen. 

Ein bißchen mehr guten Willen  und Bereitschaft von uns, die wir  nach dem Zweiten Weltkrieg auf  der    Wirtschaftswunder-Seite Deutschtands leben  durften,  würde den Aufbauprozeß enorm  beschleunigen.   Es funktioniert nur mit allen gemeinsam, das neue, das endlich vereinigte Deutschland.  ULRICH JUNG

(Fortsetzung der Serie folgt)










































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